Verwirrende Gefühle

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Da stand Offizier Lowe und lächelte mich warm an. Hatte er mich verfolgt? ,,Meine Schicht ist zu Ende und ich wollte gerade in meine Koje gehen, aber ich habe dich weinen gehört.'' Er setze sich neben mich. Mein ganzer Körper kribbelte. Ich wischte mir mit dem Handrücken einige Tränen von der Wange. ,,Darf ich fragen, warum du so traurig bist?'' Eigentlich wollt ich nichts sagen, aber die Worte sprudelten nur so aus mir heraus. ,,Ich vermisse mein Zuhause und die Freiheit. Es ist als ob man auf diesem Schiff gefangen ist. Überall Meer und Meer und Meer. Ich möchte meinen Großvater nicht enttäuschen, da ich weiß wie sehr er sich gefreut hat, das ich mitkomme. Er liebt das Meer und von mir wird natürlich das gleiche Erwartet. Morgen Abend müssen wir zu einem Dinner der ersten Klasse, wo ich natürlich das wohlerzogene Mädchen bin, die nicht auf eigenen Beinen stehen kann und immer noch verzweifelt nach einem Mann sucht, an dessen Rockzipfel sie hängen kann – aber das bin nicht ich! Ich will studieren um auf eigenen Beinen zu stehen. Ich habe furchtbare Angst vor dem Meer. Auf diesem Schiff muss ich Erwartungen erfüllen, die ich nicht erfüllen kann. In dieser Gesellschaft darf man nicht anders sein und das hasse ich.'' Als ich geendet hatte schaute ich ihn an. Er hatte mir die ganze Zeit aufmerksam zugehört. Ich wusste, dass ich all diese Dinge eigentlich nicht sagen durfte und das ich großen Ärger dafür bekommen könnte, aber ich vertraute ihm. Ich wusste selbst nicht warum, aber mir war seine Meinung wirklich wichtig. ,,Ich denke ich kann dich verstehen.'' Er schaute in die Ferne. Ich rückte vorsichtig ein Stück näher an ihn heran. Als sich unsere Arme berührten zuckte ich kurz. Vorsichtig ergriff er meine Hand und in meiner Brust breitete sich eine ungewohnte Wärme aus. Er drehte seinen Kopf zu mir und ich konnte seinen warmen Atem auf meinem Gesicht spüren. Mein Herz schlug so laut , dass ich sicher war, er würde es hören. Mein Atem beschleunigte sich als er sich ganz langsam zu mir hinunter beugte. Mein ganzer Körper kribbelte und ich nahm die Welt um uns herum nur noch wie durch Watte wahr. Jetzt gab es nur noch Harold und mich. Sein Gesicht war jetzt nur noch Millimeter von meinem Entfernt – gleich würde er mich küssen. Erschrocken sprang ich auf, das ging hier gerade alles in eine ganz falsche Richtung. Harold zuckte zurück. ,,Tut mir leid, ich muss jetzt gehen'', stammelte ich, völlig durcheinander. In meinem Apartment angekommen warf ich mich aufs Bett. Mein Atem ging schnell. Was war nur in mich gefahren? Wieso brachte dieser Offizier mich nur so dermaßen aus dem Konzept und wie sollte ich ihm je wieder unter die Augen treten? Ich starrte an die Decke. Ich hatte mich furchtbar benommen, er war so nett zu mir gewesen, hatte Großvater nichts von meiner fast Ohnmacht erzählt und mir zugehört. Morgen würde ich mein Verhalten erklären müssen, aber ich konnte es mir ja nicht mal selbst erklären. Ich rollte mich auf die Seite und fiel irgendwann in einen traumlosen Schlaf.

Gib niemals auf - TitanicWo Geschichten leben. Entdecke jetzt