12.

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12. *Amanda*

Ich stehe wieder früh zum Joggen auf. Mit einer gewissen Vorfreude auf meine sportliche Lieblingsaktivität beeile ich mich zum See zu kommen. Es ist etwas frischer und ich trage eine Dreiviertel-Hose und ein T-Shirt mit einer dünnen Trainingsjacke darüber.

„Guten Morgen“, begrüßt mich eine bekannte Stimme, kurz nachdem ich in meinen normalen Laufrhythmus gefunden habe. Rasch drehe ich meinen Kopf und sehe in Wills grüne Augen. Sie erinnern mich an frisches weiches Moos. Bevor ich darin versinken kann, schüttle ich leicht den Kopf, um wieder Herr meiner Gedanken zu werden.

„Morgen“, grüße ich letztendlich zurück. „Der See sieht ziemlich schön aus heute, oder?“, er deutet mit seinem Kopf nach links.

„Ja, aber ich finde ihn immer wunderschön.“, bestätige ich. Genau wie dein Lächeln, ergänze ich in Gedanken. Ach du scheiße, wo kam dieser Gedanke denn jetzt her?

„Läufst du oft hier?“, frage ich, um mich selbst abzulenken. Oh Mann, meine Fragen und Antworten waren auch schonmal klüger.

„Ich gehe fast jeden Morgen joggen. Es hilft mir meine Gedanken zu sortieren und entspannt in den Tag zu starten.“, lächelt er. Gebannt starre ich auf seine Lippen, die ich am liebsten sofort küssen würde. Wie er wohl schmeckt? Okay, heute ist definitiv etwas verkehrt. Ich hätte mich besser noch ein bisschen ausschlafen sollen.

„Warum joggst du?“, will Will wissen und sieht mich von der Seite an. Ich sehe bestimmt schrecklich aus so verschwitzt und mit wirren Haaren, schießt es mir durch den Kopf und ich blicke verlegen in eine andere Richtung.

„Naja, zum einen möchte ich gerne fit bleiben. Aber ich mag es meinem Kopf eine Pause vom Denken zu geben und einfach nur zu laufen. Außerdem liebe ich die Natur am Morgen und kann mich gar nicht daran satt sehen.“, antworte ich nach kurzem Überlegen. Nachdenklich nickt er.

„Hört sich schön an. Joggen scheint deine Leidenschaft zu sein.“, bemerkt er.

„Ja, es hat mir in schweren Zeiten geholfen besser klarzukommen.“, sage ich unüberlegt. Innerlich schlage ich die Hände vors Gesicht, denn er hakt natürlich direkt nach.

„Du meinst schwere Zeiten, wie gestern Mittag?“, fragt er vorsichtig und ich nicke. Erneut merke ich wir er mich lange von der Seite ansieht, aber ich betrachte nur den Weg vor mir. Und schon sind wir an der Ecke zu seinem Haus angekommen.

„Wir sehen uns bestimmt nochmal wieder.“, sagt er und zieht mich in eine kurze Umarmung. Ein Kribbeln breitet sich augenblicklich in mir aus und ich schlage mich innerlich für meine schmachtenden Gedanken. Er sieht einfach zu heiß aus mit den Schweißperlen, die sanft seine gebräunte Haut hinabrinnen. Seine Wangen sind ein wenig gerötet und ich muss mich wieder ziemlich zusammenreißen nichts unüberlegtes zu tun.

„Okay, bis dann.“, verabschiede auch ich mich und mache mich auf dem Weg zum Thompson-Haus.

***

„Amy, Telefon für dich.“, ruft Josy aus der Küche. Ich nehme die leeren Teller vom Frühstückstisch mit und gehe zu ihr.

„Amanda Thompson“, melde ich mich gespannt.

„Hallo Schätzchen. Ich brauche deine Hilfe. Lin ist kurzfristig krank geworden und du kennst dich doch mit allem aus. Kannst du herkommen?“, bittet mein Dad mich. Meine Ausbildung habe ich damals bei ihm angefangen und ich kenne mich in der Kanzlei wirklich gut aus. Aber das könnte schon der Anfang sein. Mein Dad möchte mich unbedingt dazu bringen hier zu bleiben und mit dem Job wäre der erste Schritt getan.

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