Das ist Tommy^
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Relativ weit hinten hat er sich mit Eve und seinen Eltern zusammen niedergelassen.
Er ist dünner geworden, sieht aber immer noch gut aus.
Tommy!
Ich kann das Gefühl spüren, wie es ist, mit meinen Fingern durch sein kurzes blondes Haar zu fahren. Ich kann das prickelnde Gefühl spüren, wenn seine Augen erregt einen dunklen Blauton annehmen.
Ich kann das Gefühl spüren, bevor seine Lippen sich auf meine legen.
Ich kann das Gefühl spüren, mich tief in seinen Armen geborgen zu fühlen.
Mir wird unendlich schlecht und ich stolpere geradewegs wieder nach draußen. Nach Luft ringend lehne ich mich ein Stück weiter gegen einen Baum.
„Amy, das kannst du nicht machen. Mich zerrst du förmlich in die Kirche, obwohl ich vor Nervosität fast sterbe und du rennst sofort wieder raus.", schimpft Matt, der mir hinterhergekommen ist.
„Matthew, stimmts? Ich mach das schon. Regel du drinnen alles.", höre ich Jays Stimme und sehe auf. Matt und er tuscheln kurz, dann verlässt er uns mit großen Schritten und geht wieder in die Kirche.
Jay dagegen nimmt mich in den Arm und ich versuche meine Tränen zurückzuhalten.
„Ich hab es vergessen. Ich hab einfach nicht mehr daran gedacht, dass er da sein wird. Ich war so unvorbereitet. Es kam so plötzlich.", teile ich ihm mit leiser rauer Stimme mit.
„Ich weiß. Aber du darfst ihn deine Schwäche nicht spüren lassen. Zeig ihm die starke, selbstbewusste Amy! Du kannst das! Er ist nur ein armseliger untreuer Arsch, während du eine wunderschöne, liebenswerte Frau bist. Schwing jetzt deinen hübschen Hintern da rein und präsentiere ihm, was er nie wieder haben wird.", redet er auf mich ein.
Lächelnd sehe ich zu ihm auf: „Du hörst dich an wir ein Motivationstrainer. Du bist so unglaublich toll!"
„Aber es stimmt. Los jetzt!", mit einem Klaps auf den Hintern schubst er mich in die Kirche und ich setzte eine neutrale Mine auf. Diesmal mache ich nicht dem Fehler aufzusehen, aber trotzdem brauche ich all meine innere Kraft. Die Ortseinwohner reden über mich. Sie verurteilen mich, dafür dass ich angeblich einfach verschwunden bin. Dafür, dass es dem lieben Tommy anscheinend sehr schlecht ging. Am liebsten würde ich sie anschreien, dass sie alle keine Ahnung haben. Aber ich möchte mir die Erniedrigung sparen, zuzugeben, dass Tommy mich mehrfach betrogen hat.
Der Weg bis zur ersten Bankreihe kommt mir unglaublich lang vor. Erschöpft lasse ich mich schließlich neben Matt fallen.
„Hey Babe, alles klar bei dir?", fragt Will hinter mir und ich drehe mich zu ihm um.
„Passt schon. Schön, dass du da bist.", gebe ich zu und hauche ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen. Er weiß, dass ich damit nicht seine Anwesenheit bei der Taufe gemeint habe und wirft mir einen langen Blick zu.
Schnell drehe ich mich wieder zurück und konzentriere mich wieder auf meine eigentliche Aufgabe.
Die Taufe geht rasend schnell an mir vorüber und ich bin mehr als unaufmerksam.
Alle Gäste sehen fröhlich aus, vor allem Josy und Dan. Ich bin nicht fröhlich, nicht traurig, nicht glücklich, nicht wütend, nicht stolz und auch nicht aufgeregt.
Ich fühle nichts. Eine Leere hat von mir Besitz ergriffen, die ich nur aus der Zeit nach der Trennung kenne. Obwohl ich weiß, dass ich die Dinge nicht so nah an mich ranlassen sollte, kann ich nichts dagegen tun.
Es tut mir nichtmal leid, dass ich nicht in Höchstform in der Kirche stehe. Matt betrachtet Lilly mit einer unglaublichen Liebe und er strahlt stolz. Doch ich kann nicht die gleichen Gefühle aufbringen. Es kommt mir vor, als würde ich nur körperlich anwesend sein.
Ich verwirre mich ja selbst. Zum einen ist da Will, mit dem ich so wenig Zeit verbracht habe, aber in den ich mich bereits mehr oder weniger verliebt habe, ohne es wirklich zu merken. Aber ich kann Tommy einfach nicht vergessen. Die Gefühle für ihn sind vorhanden, ihre Intensität einschätzen kann ich jedoch nicht.
Für wen fühle ich mehr?
Ist das überhaupt wichtig? Egal für wen ich mehr empfinde, glücklich könnte ich mit keinem werden.
Will hat sein Leben hier und ich bin mir weder sicher, dass unsere Beziehung klappen könnte, noch, ob ich wieder nach Mitara zurückkehren und ein paar Straßen von meinem Exfreund entfernt wohnen könnte.
Tommy hat mich so sehr verletzt und trotzdem liebe ich ihn noch. Aber kann ich mich wirklich nochmal komplett auf ihn einlassen? Außerdem weiß ich nicht einmal, was er von mir hält und ob er unserer Beziehung noch eine Chance geben würde.***
„Amy, komm mit.", höre ich Jay sagen und werde aus der Kirche gezogen. Die Taufe ist vorbei und wir müssen uns durch die Menge zum Ausgang quetschen.
Etwas abseits bleibt mein bester Freund plötzlich stehen und funkelt mich wütend an.
„Was soll das? Was ist los mit dir? Du bist auf der Taufe deiner Nichte und wirkst eher, wie auf einer Beerdigung. Du wirst nicht wieder in ein großes schwarzes Loch fallen, aus dem ich dich dann mühevoll ziehen muss. Thomas sollte dir am Arsch vorbei gehen. Seit zwei Jahren seid ihr getrennt, er hat dich mehrfach betrogen und trotzdem kommst du nicht von ihm los! Das gibt es doch nicht!", endet er und stemmt die Hände in die Seiten.
„Ich kann nicht anders. Die Gefühle für ihn sind nicht einfach so weg, Jay. Ich kann meine Liebe zu ihm nicht abstellen. Kannst du dir vorstellen, wie sehr er mich verletzt hat und wie schlimm es ist noch immer von ihm verletzt zu werden? Er sitzt da, gutaussehend und charmant wie eh und je. Neben ihm Eve. Ich ertrage den Anblick der beiden einfach nicht. Jeder Blick den die beiden sich gegenseitig zuwerfen ist wie ein Schlag ins Gesicht.", versuche ich zu erklären.
„Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll, Amy. Er hat dich verletzt, ja, aber das liegt zwei Jahre zurück. Du könntest schon lange mit einem anderen glücklich sein, stattdessen verkriechst du dich in deinem Schmerz!", sagt Jay aufgebracht.
„Der Spruch 'Die Zeit heilt alle Wunden' ist ein Märchen, Jay. Es wird nicht leichter. Überall kann die Erinnerung mich überraschen. Ich wusste, dass es blöd ist hierher zu kommen. Dan hat seine eigene kleine Familie, er braucht mich nicht. Und Dad ist mit den drein auch ausgelastet. Will wird darüber hinweg kommen, ich kann ihm das nicht zumuten. Er hat eine Frau verdient, die ihn, nur ihn, bedingungslos liebt. Die zu Hause auf ihn wartet. Die ihm all das geben kann, was er sich wünscht und was er auch ihr gibt. Für mich ist hier kein Platz. Wir werden zurück nach Carboa fliegen und unser eigenes Leben weiterleben. Es wird hart, dass weiß ich, aber es gibt keine andere Lösung.", erschöpft schließe ich die Augen. Es ist die schwerste Entscheidung meines Lebens, aber mit jedem Wort ist die Erkenntnis in mir gewachsen. Es ist richtig so zu handeln. Hier ist kein Platz für mich!

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Heimatlos
RomanceEndlich läuft Amys Leben wieder in geregelten Bahnen. Sie ist glücklich. Doch ihre vermeintlich heile Welt gerät ins Wanken, als sie für eine Woche in ihre Heimat zurückkehren soll. Sie ist gezwungen sich alten Bekannten zu stellen. Tommy und Will b...