10.

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Das ist Eve^
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Als ich am nächsten Morgen aufwache ist noch alles ruhig. Nachdem ich erfolglos versucht habe noch etwas zu schlafen, stehe ich auf und ziehe eine Hotpants und ein Top an, um joggen zu gehen.
Zu Hause mache ich das ab und zu, wenn ich Lust habe, aber es gibt auch keine richtige schöne Laufstrecke. Hier ist der See und neben dem linken Nachbarhaus ist ein Weg der zum Lake Tara führt. Früher bin ich diese Strecke jeden Morgen gejoggt.
Mit meinen Laufschuhen in der Hand schleiche ich leise nach unten. Dort ziehe ich die Schuhe an und mache mir einen Zopf, bevor ich in die kühle Morgenluft trete.
In normalem Tempo gehe ich den Weg zum See runter und fange dort an mich zu dehnen. Dann beginne ich in gemächlichem Tempo. Ich habe immer noch Übung und steigere mein Tempo deswegen kontinuierlich, bis ich meinen perfekten Laufrythmus gefunden habe.
Der See, der heute ruhig daliegt, hat eine beruhigende Wirkung auf mich. Ab und zu weht ein leichter Wind, der die grünen Blätter an den Bäumen rascheln lässt und meinen erhitzten Körper in unregelmäßigen Abständen abkühlt.
Ein Jogger läuft in beständigem Rhythmus ein Stück vor mir. Er hat schwarze Haare, ist groß und seine Muskeln sind deutlich zu erkennen. Er ist kein Bodybuilder-Typ, aber trotzdem kann man ihm seine Kraft und Stärke schon von weitem ansehen.
Eine Zeit lang beobachte ich den ziemlich attraktiven Mann vor mir, bis er schließlich sein Tempo steigert und aus meinem Blickfeld sprintet.
Verschwitzt, aber glücklich laufe ich die letzten Meter bis zum Thompson-Haus und komme genau in dem Moment an, in dem Dan das Haus verlässt.
„Hey Schwesterherz, wie ich sehe bist du immer noch begeisterte Joggerin. Ich muss los, sonst bekommt Dad einen Anfall.", grinst er und gibt mir einen Kuss auf die Wange, bevor er, ganz sportlich, zur Kanzlei läuft.
Im Haus hole ich mir eine Wasserflasche aus dem Kühlschrank und trinke diese erstmal aus.
„Oh, du warst joggen.", stellt Josy fest, die hinter mir die Küche betreten hat.
„Ich wusste gar nicht, dass du das noch machst. Ich wollte das Frühstück vorbereiten. Du kannst ja solange duschen gehen., schlägt sie vor und ich nicke.
Erschöpft gehe ich die Treppe hoch und dusche erst Mal entspannt.
Als ich zum Frühstück komme, sitzt Jay schon mit einem Brot in der Hand am Tisch.
„Na, hast du dich ausgepowert?", will er wissen als er mich entdeckt. Ich nicke nur und greife auch nach einem Brötchen.
Josy kommt mit Lilly rein und setzt sich zu uns.
„Amy, könntest du zu Su gehen und mit ihr nochmal die Planung für das Essen durchgehen? Und dich Jay, würde ich gerne in die Stadt mitnehmen. Ich muss Dans Anzug abholen und ich hab gehört, dass du auch noch einen brauchst.", fragt sie uns. Wir nicken zeitgleich.
„Super. Su erwartet dich in einer Stunde im Restaurant. Wir fahren jetzt gleich los, Jay."
Also sitze ich eine Stunde später bei Su im Restaurant, die ebenfalls begeistert war mich zu sehen. „Also wir müssen noch über das Essen und die Dekoration sprechen. Alles weitere ist ja schon geklärt.", sagt Su geschäftsmäßig.
„Josy hätte gerne ein Buffet, dann kann jeder essen worauf er Lust hat. Ich denke zwei Hauptgericht sind okay. Dazu dann verschiedene Beilagen und nicht zu vergessen das Dessert. Da reichen auch zwei Varianten. Und die Getränke kann sich ja jeder selbst bestellen.", erkläre ich und Su schreibt eifrig mit.
„Jay macht zu solchen feierlichen Anlässen oft Lavendel-Mousse mit Cassis-Soße und Zuckermelone. Das ist auf jeder Feier der Renner!", schlage ich vor.
Su sieht mich verwirrt an.
„Jay, mein bester Freund, ist Koch. Er ist mit mir hergekommen.", erkläre ich grinsend.
„Wirklich? Das ist ja toll. Ich brauche dringend einen Koch, weil mein eigentlicher Küchenchef leider verhindert ist. Vielleicht hätte er Lust mir bei dem Essen zu helfen?", fragt sie mich begeistert. „Ähm...Also wenn du ihn brauchst, macht er das bestimmt sehr gerne. Ruf ihn doch am besten an.", rate ich ihr und kurz darauf läuft sie mit dem Telefon am Ohr durch das Restaurant.
Gelangweilt sitze ich am Tisch und spiele mit einer Serviette, als die Türklingel läutet und einen neuen Gast ankündigt.
Ich sehe hoch und begegne ihrem Blick.
Sie steht erstarrt in der Tür und sieht mich erschrocken an.
Ich sitze genauso erstarrt da und gucke sie an.
Ihre Lippen bewegen sich, doch ich bin so überrascht, dass ich erst nach ein paar Sekunden verstehe, dass sie meinen Namen flüstert.
Sie macht ein paar Schritte auf mich zu, plötzlich ist es ganz leicht mich zu bewegen.
Ich springe auf, renne an ihr vorbei aus der Tür und in Richtung Thompson-Haus. Doch ich habe keinen Schlüssel und niemand ist zu Hause, also renne ich weiter in Richtung Kanzlei.
Ich reiße die Tür auf, stolpere hinein. Erst jetzt bemerke ich, dass meine Wangen nass sind und als ich mit der Hand darüber fahre, sehe ich meine Tränen.
Im Zimmer, welches normalerweise voller Klienten ist, sitzt nur eine ältere Frau, die mich erschrocken ansieht. Zitternd lasse ich mich auf einen Stuhl fallen und verdecke mein Gesicht mit meinen Händen. „Kindchen, geht es dir nicht gut? Hast du Schmerzen? Soll ich einen Krankenwagen rufen?", fragt eine Stimme neben mir und ich vermute, dass es die ältere Frau ist. Ohne mein Gesicht zu heben, schüttle ich den Kopf und schluchze weiter.
Warum musste mir Evelyn gerade jetzt über den Weg laufen? Der Tag hatte so schön angefangen. Meinen Namen aus ihrem Mund zu hören, war wie ein Schlag ins Gesicht. Genauso hat sie auch damals reagiert. Ich war früher von der Uni nach Hause gekommen und hatte Essen für Tommy und mich mitgebracht, da er um diese Zeit Mittagspause hatte. Mit der Tüte in der Hand hatte ich ahnungslos die Tür zu unserem Haus geöffnet. Ich hörte komische Geräusche aus dem Schlafzimmer und lief besorgt ins Zimmer. Was mich da erwartete, hätte ich nie gedacht. Eve, meine beste Freundin, und Tommy hatten in meinem Schlafzimmer, in meinem Bett Sex. Beide hatten mich erst nicht bemerkt und einfach weiter gemacht während ich erstarrt in der Tür stand. Ich hatte das Gefühl zu ersticken. Kein bisschen Sauerstoff drang in meine Luftröhre und ich schnappte immer wieder verzweifelt nach Luft. Tommy hatte mich dann bemerkt und mich erschrocken angesehen. Als Eve sein Gesicht sah, drehte sie sich um und schlug die Hände vor den Mund. Auch da hatte sie meinen Namen geflüstert, wie eben im Restaurant. Tommy wollte aufstehen und auf mich zugehen, doch ich hatte nur „Nein, lass mich!" geschrieen und war aus der Wohnung gerannt.
In der Nähe des Sees stand eine alte Hütte, in der wir als Kinder oft gespielt hatten und ich hatte dort einfach gesessen und geweint, bis keine Tränen mehr kamen. Irgendwann war ich so ausgelaugt eingeschlafen. Doch nach ein paar Stunden war ich wieder aufgewacht. Diese Szene hatte sich in meinen Traum geschlichen und ich war aufgestanden, mit dem festen Plan mich rettungslos zu betrinken. Ich hatte zwei Möglichkeiten. Entweder die Kneipe von Tommys Eltern oder die Disco. Ich entschied mich für die Disco und Matt, der Türsteher im Club war, ließ mich rein. Ben, der Barkeeper, hatte mir mit einem Blick auf mein verweintes Gesicht einen Wodka eingeschüttet und irgendwann hatte ich ihm erzählt was passiert war. Ben reagierte aber ganz anders, als ich erwartet hatte.
„Ehrlich gesagt, habe ich die beiden schon öfter zusammen bei euch gesehen. Aber ich wusste ja nicht, wann genau du Uni hast. Ich dachte, sie wollte dich besuchen. Ich hab schon ein paar Mal gehört, dass sie sich auch geküsst und befummelt haben sollen, aber ich wusste ja nichts mit Sicherheit.", erzählte Ben mir. Nachdem ich ihn angeschrieen hatte, weil er mir nie ein Sterbenswörtchen gesagt hat, musste er mir hoch und heilig versprechen, dass er es niemandem sagt. Als der Morgen anbrach und der Club geschlossen wurde ist Ben mit mir wieder "nach Hause". Tommy hatte auf dem Sofa gesessen. Die Haare in alle Richtungen abstehend, tiefe Augenringe im Gesicht. Er war sofort aufgesprungen, als ich die Tür geöffnet hatte.
„Amy, Gott sei dank. Es tut mir so Leid. Bitte verzeih mir. Es war ein einmaliger Ausrutscher, das wird nie wieder passieren. Ich liebe dich über alles, mein Engel!", flehte er und wollte meine Hand in seine nehmen. Ich entriss sie ihm und sah ihn unendlich enttäuscht und wütend an.
„Es war keine einmalige Sache. Ich werde dir das nie verzeihen können. Ich nehme jetzt meine Sachen und verschwinde hier. Ben ist der Einzige, der etwas davon weiß. Er wird nichts sagen und es sollte auch in deinem Interesse sein, dass niemand davon erfährt.", teilte ich ihm mit und packte meine Habseligkeiten in einen Koffer und eine Reisetasche, während Ben Tommy von mir fernhielt. Dieser flehte mich an zu bleiben, er entschuldigte sich tausendmal, doch ich konnte ihn nicht ertragen. Mit einem Schlag hatte er nicht nur unsere vierjährige Beziehung, sondern auch unsere lebenslange Freundschaft zerstört.
Das Gepäck in der Hand, floh ich aus dem Haus und Ben brachte mich zum Bahnhof. Mit meinem gesparten Geld kaufte ich mir ein Flugticket nach Carboa und zog bei Jay ein. Von dort meldete ich mich bei meiner Familie, ohne ihnen jemals von dem Grund zu erzählen. Tommy und Eve versuchten unzählige Male mich zu erreichen, aber da sie keine Adresse hatten, sondern nur meine Handynummer, wechselte ich diese schließlich und sie kamen gar nicht mehr an mich ran.
Und jetzt musste die Frau, der ich so sehr vertraut hatte und die dieses Vertrauen schamlos ausgenutzt hatte, auftauchen und all diese Gefühle wieder hochbringen.

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