Kapitel 5 - Das Bündnis der Verwundeten

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Atlas

Atlas erwachte am frühen Morgen. Grimmig wälzte er sich im Bett herum und versuchte erneut Schlaf zu finden, vergebens. Seine Gedanken schweiften immerzu zu den Campbellkindern. Natürlich hassen sie dich, Trottel. Das sollten sie auch. Du bist schließlich ihr Entführer. Dennoch; er musste dem Ganzen nochmal auf den Zahn fühlen. Ansonsten würde er vermutlich verrückt. Einen verrückten Captain konnte niemand gebrauchen. Er stand auf, obwohl es vollkommen idiotisch war. Es war gerade mal ein paar Stunden her seit die Kinder vom Grundstück verschwunden waren - es war noch so früh dass Campbell das Fehlen seiner Sprösslinge höchstwahrscheinlich noch gar nicht bemerkt hatte. Geschweige denn die höflich formulierte Lösegeldforderung auf Marleys Bett. Trotzdem: er schlich die Treppen hinunter, band sich das Halstuch um und klopfte an Junis Tür. Er weckte sie vermutlich und beinahe nagte an ihm ein schlechtes Gewissen, doch als er die Tür aufschloss und langsam öffnete sah er sie bei gedimmten Licht im Schneidersitz auf dem Tisch hocken, ein Buch im Schoß. Als er eintrat erkannte er dass ihre Haltung steif und der Ausdruck auf ihrem Gesicht festgefroren schien. Erst als er direkt vor ihr stand sah sie auf. Ihre Augen waren schreckensweit, ihre Haut fahl und blass. Und dann schleuderte sie ihm mit einem mal das violette Buch gegen die Brust. "Woher hast du das?!", schrie sie und deutete anklagend auf den Band. Atlas erwiderte ihren Blick perplex. Er erkannte das Buch vage; Eine persönliche Aufzeichnung von Joseph Campbell. Atlas war sie unzählige Male durchgegangen, war aber auf wenig gestoßen das er nicht längst über den Mann wusste - was so gut wie jeder über ihn wusste. Was das in diesem Zimmer zu suchen hatte war eine andere Frage - möglicherweise war es falsch sortiert worden. Und dennoch war er von Junis Aufbrausen überrascht. "Das ist ein Tagebuch meines Vaters! Ich erkenne seine Schrift sofort. Wer fälscht für dich? Wolltest du meinen Vater damit belasten?", wetterte Juni weiter bis Atlas beschwichtigend die Hände hob. "Vor ein paar Jahren leitete ich einen kleinen Raubzug. Wir kundschafteten abgelegene Sommerresidenzen von Campbell aus und nahmen belastende Akten an uns, ja." Juni starrte ihn an. Schlug eine Seite im Buch auf und deutete auf einen kreisförmigen Fleck. "Diesen Kaffeefleck habe ich damals selbst verursacht. Das weiß ich noch weil mein Vater ziemlich verärgerte darüber war. Wer fälscht für dich? Woher weiß er solche Dinge?"
"Du weißt, dass man so etwas unmöglich fälschen kann. Ich habe dir eben die Antwort auf deine Frage gegeben.", erwiderte Atlas gelassen. Juni hielt für eine Weile seinem Blick stand und er erkannte die Wut und Fassungslosigkeit in ihren zusammengepressten Lippen und der schnellen Atmung. "Das - kann nicht sein. Nichts in diesem Buch kann wahr sein." Sie ließ es angewidert fallen und wich davor zurück, bis sie auf einen Stuhl sinken konnte. Juni stützte den Kopf in die Hände und raufte sich das rote Haar das ihr über die Schultern fiel. Juni Juni holte tief Luft. "Er betreibt Menschenhandel? Seit Jahren?" Atlas nahm ihr gegenüber am Tisch Platz. "Er investiert in Bordelle und Spelunken wie Die Goldene Lilie?" Mitlerweile stand Juni das Haar wirr vom Kopf ab, sie sah müde und geschlagen aus. So sah niemand aus der in Pläne eingeweiht wurde. Sie war vollkommen ahnungslos gewesen. Eine Art innere Ruhe breitete sich in ihm aus - nun war klar dass Juni diese finsteren Machenschaften ebenso stark verurteilte. "Er beherrscht den illegalen Sklavenmarkt in Quintis und den umliegenden Städten seit Langem. Das heißt, dank seinen Verbindungen zu Stadträten und Justiz kann er mit genügend Geld alles zu seinen Gunsten legalisieren lassen. Aus Menschen lässt sich unendlich viel Profit schlagen." Junis Gesicht erhielt einen grünlichen Schimmer. "Kannst - kannst du mir sagen worum es bei dem Fest gestern ging?" Diese Frage hatte er befürchtet. "Vor ein paar Tagen haben ein paar Mädchen in der goldenen Lilie versucht das Haus niederzubrennen und zu fliehen. Es wäre ihnen beinahe gelungen." Beinahe. Junis Haltung verkrampfte. "Sie haben sie allesamt gestern hinherichtet, oder?" Er zwang sich zu nicken. Es waren Mädchen und junge Frauen gewesen die ihren Familen, ihrer Heimat entrissen und hierher verschleppt worden waren. Sie waren alle gestern im Gefängnis exekutiert worden. Aber das musste er Juni nicht erklären. Ihr tropften Tränen von den Wimpern, still und stetig. Als sie sprach war ihre Stimme brüchig. "Ich habe geklatscht, weißt du? Gestern. Mein Vater hat seine Rede gehalten, so wie er es schon hunderte Male zuvor getan hat - und ich wusste noch nicht mal wovon er sprach. Aber ich hab ihm applaudiert wie ein dressierter Affe. Er - er sagte >Ein großer Sieg über Unruhe und Ungehorsam<.", zitierte sie ihn. Obwohl ihr Gesicht nass von den Tränen und ihre Stimme dünn war strahlte ihre Haltung nun Entschlossenheit aus als sie weitersprach. "Möglicherweise hätte ich euch Zigeunerrebellen nicht sofort verurteilen sollen. Es gibt schließlich immer zwei Seiten." Sie richtete sich auf und holte zittrig Luft. "Wie kann ich euch helfen meinen Vater zu Fall zu bringen?"

The Parrots - Eine RebellionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt