Kapitel 16 - Telefonat mit dem Teufel

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Rainn

Als er das Büro von Atlas betrat sah dieser verwundert auf. "Was führt dich her, mein Freund? Ich werde gleich zu Campbell Kontakt aufnehmen und dazu brauche ich nur Juni und Marley. Du musst nicht -" Rainn unterbrach seinen Anführer ruhig. "Marley hat mich darum gebeten ihm zu ... helfen. Er meinte, er könne es nicht nur spielen." Atlas wurde blass. Er beugte sich vor, die Hände auf die Tischplatte gestemmt. "Nein. Nein, das darfst du nicht tun. Es wird schon reichen. Es muss reichen.", versuchte Atlas ihn umzustimmen, doch er hatte seine Entscheidung längst getroffen. Er würde es tun - genau wie der Campbelljunge. So viel Rückgrad hätte Rainn ihm gar nicht zugetraut. Alles was er tun konnte war ihm Respekt zu zollen - indem er ihm half seinen Vater zu überzeugen. Wie aufs Stichwort erschienen die Zwillinge. Der Junge sah ihn an, nichts weiter als ein klein Wenig Furcht im Blick, die aber sofort von wilder Entschlossenheit verdrängt wurde. Rainn nickte ihm zu. "Was schlägst du vor?", erkundigte sich Marley mit einem kaummerklichen Zittern in der Stimme. Rainn lächelte schwach. "Umgangssprachlich nennt man es Brennessel. Man verdreht die Haut an den Armen in entgegengesetzte Richtung - nur wenn ich es tue, bleibt es so.", erklärte er und sah wie Atlas schluckte und Juni zusammenzuckte. Marley wurde aschfahl. Es war eine effektive Methode für unangenehmen Schmerz - zwar nicht allzu unerträglich, aber auf jeden Fall nervenraubend.
Doch der Junge erklärte sich einverstanden und als sie alle bereit waren - Juni sah Rainn mit sorgenvoll zusammengezogenen Augenbrauen dabei zu wie er Marleys Hemdärmel aufrollte - zog Atlas ein extra von Alistair entwickeltes Telefon aus einer der Schubladen seines Schreibtisches. Es war knallig rot, mit einer goldenen Wählscheibe. Das Besondere dran war allerdings dass es lediglich in eine Richtung funktionierte - zu einem Gegenstück, das wiederum nur Anrufe empfangen konnte und das nun wahrscheinlich auf Campbells Tisch stand - und der Anruf nicht zurückverfolgt werden konnte. Also wählte Atlas nun gemächlich, die langen dünnen Finger huschten über die Wählscheibe. Rainn erkannte wie eh und je als ruhiger Beobachter dass Atlas sein Verhandlungsgesicht aufsetzte, sich lässig in den Schreibtischstuhl fläzte und auf das Freizeichen in der Leitung wartete. Dann begann er mit einem süffisanten Lächeln seinen Text; "Mein lieber Freund Joseph Campbell!", rief er betont freundlich aus. "Versuchen sie auf irgendeine Weise herauszufinden wo wir uns befinden schneiden wir ihrem Sohn einen Finger ab, nur um das schonmal zu erwähnen." Atlas redete nicht lange um den heißen Brei herum.
Und dann konnte die Verhandlung beginnen.

Atlas

"So klingt also der Chef einer Bande von räudigen Kötern die mich um meine schöne halbe Million erleichtern will?", erklang Campbells tiefe, prollige Stimme und Atlas grinste. "Eine Bande, die dir etwas gestohlen hat an dem du sehr hängst, hab ich recht?" Er wartete gar nicht erst auf eine Antwort. "Machen wir es kurz, Joseph; Wann würde es dir denn zeitlich gut passen? Ich empfehle einen möglichst baldigen Termin, denn ich weiß wirklich nicht wie lange es deine Sprösslinge bei uns hier noch durchstehen." Zwar ließ er seine Stimme süffisant und herausfordernd klingen, doch währenddessen gab er Rainn einen Wink und sah besorgt dabei zu wie der Heiler begann die Haut an Marleys sommersprossigem Unterarm zu verdrehen. Dieser begann sofort laut zu schreien, dann ging der erschrockene Schmerzensschrei in gequälte Wimmern über. Es musste wirklich höllisch wehtun. Atlas war sich sicher - das konnte Campbell nicht überhört haben. Am anderen Ende der Leitung verlor Campbell ganz kurz die Fassung und gab einen erschrockenen Laut von sich. Für einen Moment hörte man lediglich seinen rasselnden Atem, blechern und hohl durch den Hörer, dann sagte er; "Lasst mich mit ihm sprechen. Sofort." Atlas lachte gerade so laut dass der Mann es hören konnte - kalt, schadenfroh, überlegen. Atlas war im Gegensatz zu Marley ein guter Schauspieler. "Ich reiche den Hörer selbstverständlich gerne an ihn weiter, Joe Junge. Allerdings kann ich nicht sagen wie viel er herausbringen wird." Dabei wedelte er mit der Hand und gab Rainn gestikulierend zu verstehen Marleys Lippe anschwellen zu lassen. "Ich will ihn sofort sprechen!", donnerte Campbell und er konnte sich deutlich ausmalen wie der forste Mann vor Gift rot anlief und zappelte wie ein Käfer auf dem Rücken. "Nana, beruhig dich mal lieber, Joe. Denk an deinen Blutdruck. Wie werden uns bestimmt schnell einig." Dann reichte er Marley, nun entstellt mit zugeschwollenem Gesicht, das Telefon. Und der Junge brachte eine äußerst überzeugende Darbietung, unterstützt von den Torturen eines Heilers. "P-papa? Ich bin's, Marley. B-bitte, hol mich hier raus." Das >Papa< klang eher wie ein >Pfapfa<, genau wie der Rest, was dem ganzen, zusammen mit der tränenerstickten Stimme, eine beeindruckende Glaubwürdigkeit verlieh. Sogar Atlas hatte Mitleid mit ihm, obwohl er genau um das Schauspiel wusste. Kurz ließ er es zu dass Campells leise Stimme aus dem Hörer floss und er eifrig auf seinen Sohn einredete. Dann nahm er Marley mit einem einzigen Ruck am Kabel das Telefon ab. So lief das hier. "Genug herumgeflennt, Joey. Sonntag, sechs Uhr Abends, auf dem Markt. Mit dem Geld. Mach keine Dummheiten, mein lieber Freund. Ansonsten wird dein Liebling bald gar nicht mehr sprechen können." Er legte auf. Die Rolle des skrupellosen Gangsterbosses legte er ab wie einen schmutzigen Pullover und war sofort wieder der alte.

The Parrots - Eine RebellionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt