Kapitel 17 - Gedanken zweier Spione

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Henry

Er war längst zurück von seiner heimlichen Kontaktaufnahme zu Campbell und saß in seinem Zimmer als er endlich Juni und Atlas die Treppe herunterkommen hörte. Das Telefonat hatte wohl doch etwas länger gedauert als er angenommen hatte. Die beiden sprachen murmelnd miteinander, diskutierten, wahrscheinlich über das gerade beendete Gespräch mit Campbell. Und dann erklang ein warmes, überraschtes Lachen im dunklen Flur. Es war Junis. Atlas kicherte. Er kicherte. In Henrys Brust flammte etwas Heißes auf. Seit wann lachte ein Rebellenführer? Und seit wann brachte er Juni so zum Lachen? Und wieso konnte Henry es nicht? Möglicherweise hatten die Beiden es auch nicht sonderlich eilig gehabt nach dem Telefonat Atlas' Büro zu verlassen.
Was wenn der Captain Gefallen an der neuen Soldatin gefunden hat?
Schnell schob er den Gedanken von sich. Er verhielt sich nicht fair. Und nicht gesund.
Die Stimmen verklangen allmählich.
Er schloss aus dieser ausgelassenen Stimmung dass das Gespräch gut gelaufen sein musste. Er war froh zuvor mit Campbell gesprochen zu haben. Henry hatte ihm weisgemacht dass alles genau nach Plan verlief - dass der Austausch der Geiseln und des Lösegeldes exakt wie von Atlas verlangt ablaufen würde. Lediglich würde Henry das Geld anschließend von Atlas wiederbeschaffen.
Soweit er es einschätzen konnte hatte sein Auftraggeber den Köder geschluckt. Sollte der Plan, den die Parrots ausgeheckt hatten, wirklich funktioniert hätte sich das allerdings jedenfalls erledigt.
Er würde sich absetzen können. Mit den zwei Millionen Kronen die er bereits von Campbell erhalten hatte würden er und Bruno überallhingehen können. Henry dachte daran diese von den Göttern verdammte Stadt hinter sich zu lassen und irgendwo im Süden, weit draußen auf dem Land in einem kleinen Dorf, sich eine eigene Schreinerei zu kaufen. Er würde einen neuen Namen annehmen - erneut - und alle umliegenden Bordelle aufkaufen. Aus den Läden würden Cafés und Theater werden, und wenn die Frauen weiterhin dort arbeiten wollten würde er sie herzlich willkommen heißen.
Henry dachte an den Plan. Auch wenn er schieflief würde Henry abtauchen können. Jedoch hoffte er dennoch dass sie alles gut durchdacht hatten. Er wollte dass der Plan funktionierte. Er redete sich ein lediglich einen sauberen Abschluss bei mit dieser Mission haben zu wollen. Aber eigentlich wusste der junge Detektiv ganz genau um Campbells gerechte Strafe; verkauft an den Meistbietenden, der weiß die Götter was mit ihm anstellen würden.
Der Plan wird funktionieren.
Er erhob sich vom Bett um nach Bruno zu sehen, denn er wollte nicht weiter über all diese Dinge nachgrübeln. Doch als er an der Tür klopfte und die Klinke herungerdrückte war diese verschlossen. Frustriert schlenderte er durch das große Haus, das zu dieser Zeit gerade eben noch von genug schwindendem Tageslicht durchflutet war um unfallfrei die Füße voreinander zu setzten. Langsam erglommen Lichter in den Räumen, in den Gängen standen Kerzen und Lampen. Als das letzte Abendrot vor den Fenstern schwand und die bucklige dunkle Shilouette der Südstadt in die kühle Nacht hüllte ließ Henry sich schwer in einen der Sessel in einem der Aufenthaltsräume fallen und las, bis es Zeit für das Abendessen war.

Bruno

"Du bist zu spät.", schalt er Flint, der eben die Stufen herunterkam. Der Bändiger schien etwas außer Atem zu sein. Aus irgendeinem Grund freute Bruno das. "Ach komm schon. Das waren fünf Minuten. Ich hab nur noch kurz mit Atlas gesprochen." Er kam knapp vor Bruno zum Stehen. Zu knapp. Er zwang sich einen Schritt zurückzutreten. Als er in Flints sturmblaue Augen blickte schien sie für einen Moment ein Blitz zu durchzucken. Aber vielleicht war das auch nur Wunschdenken. Flint schluckte und kniff kurz die Augen zusammen, als müsse er sich extrem konzentriert die nächsten Worte auszusprechen. "Übermorgen Abend beginnt die erste Phase der Operation. Auf dem Markt, wie besprochen." Er straffte die Schultern. "Lass uns anfangen. Sehen wir zu dass ich bis dahin von Nutzen bin." Bruno blinzelte. "Du bist doch -"
"Wirklich von Nutzen, Bruno. Ich bin vielleicht ein bisschen ... temperamentvoll. Aber nicht dumm. Solange ich mich nicht komplett unter Kontrolle hab gefährde ich nur den Plan." Er ging hinüber zu den Übungsgeräten und begann sich aufzuwärmen. "Atlas ist mein bester Freund, und er kennt mich. Wäre ich berechenbarer, würde er mich an der Front kämpfen lassen." Er hob einen Arm hinter den Kopf und dehnte sich. "Für diese Mission mach ich mir keine Illusionen. Ich will sie einfach nur vernünftig erledigen. Aber bei der nächsten will ich mir den Platz neben ihm verdienen. Mehr will ich gar nicht, okay? Also lass uns loslegen. Wir haben nicht ewig Zeit." Bruno stellte fest dass Atlas einen völlig falschen Eindruck von Flint hatte. Er nahm Kritik sehr wohl gut auf. Und er kannte seine Grenzen. Es war als wäre ein Schalter in seinem Kopf umgelegt worden.
Sie begannen mit Beinarbeit. Dann sie Arme, die Atmung, die Zielerfassung. Manchmal ließ er Flint mit geschlossenen Augen einfach nur seine Kräfte anwenden. Und nach einigen zwar anstrengenden aber äußerst produktiven Stunden kämpfte Flint, als wäre es das natürlichste der Welt. Sein sehniger Körper arbeitete im Einklang mit seiner Macht. Er warf nicht länger mit kläglichen Feuerbällen um sich, er war das Feuer. Er tanzte mit den Flammen, der Feuerschweif brach nicht länger ab sondern umgab ihn wie in einer stetigen, innigen Umarmung. Bruno beobachtete mit Staunen wie Flint die Augen geschlossen hielt und mit den ausgebreitet Armen zu schweben schien. Das war Bändigen. Bruno hätte ihm stundenlang zusehen können. Und so war es auch beinahe. Flint wollte gar nicht mehr aufhören mit dem Feuer zu spielen, des über seine Arme und Finger tanzen zu lassen - er zog sich keine einzige Verletzung zu. Bruno war noch nie die Ehre zuteil geworden einem wahren Feuerkrieger beim Bändigen zusehen zu können aber er erkannte einen Meister wenn er vor ihm stand. Sie verbrachten Stunden damit zu trainieren, Flint versuchte neue Übungen und Techniken, die Bruno ihm niemals hätte zeigen können. Irgendwann ließ Flint dann doch seine Flammen erlöschen. Er stand da, Bruno den Rücken zugewandt. Er schien zu glühen. Als er sich umwandte war Bruno nicht auf einen solch faszinierenden, durchdringenden Blick gefasst. Und als Flint auch noch näher kam drohte sein Herz einen Moment auszusetzen. Er strahlte eine ungemeine Hitze aus und Bruno atmete unwillkürlich tief ein. Flint hielt seinen Blick fest. Einem Menschen in die Augen zu sehen konnte unglaublich aufregend sein. Flints Atem brandete auf Brunos Gesicht. Er roch nach Schweiß und Hitze. "Du bist ein besserer Lehrer als ich dachte." Flints Stimme war rau und herb. Bruno schluckte. "Du hast nur einen kleinen Schubs gebraucht. Das hattest du alles schon die ganze Zeit in dir." Es hätten lediglich Zentimeter gefehlt. Bruno hätte diesen kleinen Abstand zwischen Flints und seinen Lippen so leicht überwinden können.
Schritte erklangen auf der Treppe. Sie hatten eben noch Zeit auseinander zu treten, da kamen auch schon Lene, Mykal und Rowan in den Keller. Als Mykal sie erblickte, die die Spitze der kleinen Truppe bildete, hielt sie einen Moment inne. Sie musterte die beiden mit einem wissenden Lächeln, dann ging sie zusammen mit den anderen beiden zu den Gewichten.

The Parrots - Eine RebellionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt