Kapitel 24 - Böses Spiel

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Atlas

Marley führte sie durch dunkle Flure und Hallen, bis die Musik immer lauter wurde. Er hätte fast reflexartig inne gehalten. Marley deutete ihnen ihm zu folgen. "Wir glauben dass er sich langsam zurückziehen wird. Er wird direkt zu und kommen.", erklärte Malrey gedämpft und führte sie in einen Raum dessen rechte komplette Wandlänge durch einen schweren roten Vorhang ersetzt worden war. Sie mussten sich direkt neben dem Ballsaal befinden. Er konnte sogar die Gäste sprechen hören, so nah waren sie. Das wenige Licht das durch den Vorhang sickerte ließ den Raum blutrot leuchten. "Zu dieser Zeit ist er meist müde und legt sich hin. Er schläft of hier auf dem Sofa ein. Wartet, ich bin sofort wieder da."
Er stieg die wenigen Stufen zu einer hölzernen Bühne hinauf und verschwand hinter dem Vorhang. Anscheinend wurde dieser Raum als Backstage genutzt, denn überall standen Notenständer und Instrumente. Kein Ort an dem sich der mächtigste Mann Quintis zum Schlafen hinlegte.
Atlas wandte sich zu den anderen um, die genau wie er langsam in Deckung gewichen waren. Er gab ihnen ein Zeichen ihre Waffen zu ziehen - doch da war es schon zu spät.
Die Wachen erschienen aus dem Nichts.
Atlas griff zu spät nach seinen Messern. Ihm gelang es noch dem Wächter, der ihm am nächsten war, die Beine wegzutreten doch da packten ihn bereits mehrere Hände und zwangen ihn in die Knie. Er hörte Mykal schreien und spürte einen kräftigen Wind durch den Raum rauschen, doch die Geschwister konnten sich trotz Bändigen nicht befreien. Rainn schrie auf und gab sich Mühe den Angreifern schnellstmöglich innere Verletzungen zuzufügen indem er die Finger krümmte - doch für einen solchen Nahkampf war der Heiler einfach nicht ausgebildet. Yule und Alistair wurden zu Boden gedrückt - die Sprengsätze unerreichbar an ihren Gürteln befestigt. Henry hielt sich am längsten auf den Beinen. Ihm gelang es mit einer herumliegenden Klarinette einem Wachmann die Nase zu brechen, zwei andere setzte er außer Gefecht indem er einen massiven Noteständer geschickt herumwirbelte und sie bewusstlos schlug. Notenblätter flatterten durch die Luft. Natürlich war Atlas kein bisschen überrascht von Henrys plötzlichen Kampfkünsten, die das Können eines gewöhnlichen Schreiners eindeutig überstiegen. Es war offensichtlich dass Henry ein Geheimnis hegte. Atlas hatte sich schon die ganze Zeit gefragt was es wohl sein mochte. So wie es den Anschein hatte war es größer als gedacht.
Als Henry eben ansetzte sich die anderen Männer vorzunehmen kamen weitere Soldaten in den Raum gestürzt und schafften es ihn zu überwältigen.
Atlas schloss die Augen. Er hörte Mykal schreien, Henry knurren.
Er hätte es wissen müssen.
Er war so dumm gewesen.
Die ganze Zeit über hatte er sich zu sehr auf Henry und Bruno konzentriert - und hatte somit den eigentlichen Verräter aus den Augen gelassen.
Die eigentliche Schlange, die sie alle an der Nase herumgeführt hatte.
Von Anfang an.
Marley betrat das Zimmer - ein breites, siegessicher Lächeln auf den Lippen. "Wie ich sehe habt ihr meine persönlichen Helferlein bereits kennengelernt.", rief er amüsiert aus und trat an Atlas heran, der noch immer auf den Knien fixiert wurde. "Ich habe eigentlich etwas mehr Kampfgeist von euch erwartet, Captain.", verhöhnte der kleine Junge ihn. Atlas vergaß sich und spuckte Marley ins Gesicht. Seine Crew jubelte kurz auf. Marleys hübsches Gesicht verzog sich zu einer angewiderten Fratze und er wischte sich den Speichel mit einem Taschentuch weg. "Soso, das ist also die Reaktion des großen Atlas wenn er zu wenig nachgedacht hat. Wirklich jämmerlich." Marley gab den Wachen die Atlas fixierten einen Wink. Sie drehten ihm die Arme ruckhaft auf den Rücken und drückten seinen Kopf nach unten. "Du warst einfach viel zu leichtsinnig. So dermaßen naiv zu denken dass dir sofort jeder zu Füßen liegen würde. Aber was sag ich - schließlich ist von dreckigem Rebellenpack nichts anderes zu erwarten." Er kniete sich zu ihm und packte Atlas' Kiefer mit der behandschuhten Hand. Atlas knurrte. "Ich nahm an du wärst nicht ganz so ein Schwein wie dein Vater. Dabei bist du ein noch viel größeres.", presste er hervor. Marley ließ ihn los und erhob sich wieder. "Ach komm schon. Tu nicht so als wärst du ein Heiliger. Wie vielen Männern hast du bereits die Finger abgeschnitten? Wieviele von Dächern werfen lassen? Glaub mir, Atlas; Du bist kein Stück besser als ich." Er zupfte an seinen Handschuhen herum. "Und ich besitze deutlich mehr Klasse als mein werter Vater. Das Geschäft mit Huren ist zwar spaßig aber wenig lukrativ. Man sollte Vergnügen und Geschäftliches immer voneinander trennen. Der alte Mann wird schluderig - aber das lässt sich ja alles ändern." Daraufhin gab er einem der Wachen einen Wink und der Vorhang öffnete sich.
Die hellen Lichter blendeten Atlas. Ein lautes Raunen ging durch die Menge, sämtliche Blicke zur Bühne gewandt. Marley stieg hinauf, die Arme ausgebreitet wie der schwierigste Showmaster der Welt. Sie wurden ebenfalls auf die Bühne gezerrt, unter all den neugierigen Blicken der achsofeinen Gesellschaft. Da fing Atlas plötzlich Junis Blick auf - sie stand zwischen den Menschen und starrte sie ungläubig an. Als sie ihn entdeckte sah er die Panik in ihrem Gesicht. Hinter ihr stand ein breitschultriger Soldat - vermutlich Kommandant oder General - und hielt sie dezent aber für geschulte Augen offensichtlich an Ort und Stelle. So sehr er sich auch um sie sorgte, er war unendlich erleichtert dass sie keine Verräterin war. "Meine sehr verehrten Gäste!" Marley war an ein Mikrofon getreten. "Heute ist ein großer Tag. Ein Tag der Wiedervereinigung. Endlich ist unsere Famile wieder komplett. Doch es ist nicht nur ein Tag der Freude -" Er legte eine dramatische Pause ein. "sondern auch ein Tag des Triumphes über die ehlenden Rebellen, die seit jeher unsere schöne Stadt terrorisieren." Mit großer Geste wies er auf die Parrots. "Hier zu meinen Füßen befinden sich die obersten Drahtzieher der ewigen Unruhestifter. Und mir ist es gelungen sie in wenigen Tagen zu infiltrieren und zur Strecke zu bringen!" Die Gäste brachen in manischen Applaus aus. Atlas sah dabei zu wie sich Junis Gesicht vor Wut verzerrte. Immer wieder versuchte sie sich loszureißen.
Auf genau das schien Marley gewartet zu haben. Er zeigte auf sie. "Doch nichtsdestotrotz habe ich einen enormen Verlust zu beklagen; meine geliebte Schwester Victoria verfiel den wirren Versprechungen der Terroristen und ließ mich im Stich! Somit ist sie eine Verräterin - eine Verräterin ihres Blutes und unseren stolzen Landes!" Die Menge stöhnte empört auf und wich zurück, als der Mann - offenbar der Hauptmann, durfte man seinen unzähligen Auszeichnungen Glauben schenken - Juni auf die Bühne brachte und grob neben Atlas stieß. Sie widersetzte sich nach Kräften, vergebens. Einige Rufe wurden im Puplikum laut, Flüche hallten durch den Saal. Juni gab sich Mühe zurückzuschreien und die Schandtaten ihres Vaters aufzudecken, doch das interessierte niemanden. "Aber meine lieben Freunde.", begann Marley zu beschwichtigen. "Ich muss sagen ich bin zutiefst enttäuscht von ihr, doch ich kann es ihr nicht verdenken. Selbst ausgebildete Spione, die sich im Auftrag meines Vaters bei den Rebellen einschleusen ließen mit dem Auftrag uns zu retten, waren nicht in der Lage dem Charme des Rebellenanführers zu widerstehen."
Atlas wusste worauf Marley spekulierte, und hätte sich am liebsten selbst getreten. Marley wandte sich seiner Schwester zu, die hasserfüllt zu ihm aufsah. "Weißt du wer diese Spione waren? Die Spione, die unser werter Vater sandte um uns zu retten?" Ein hässliches Lächeln lag auf seinen Lippen. Er kostete jede Sekunde aus. "Es war dein geliebter Henry und sein kleiner Kumpel Bruno. Henry Majors, wie sein Deckname lautet. In Wirklichkeit ist er der allseitsbekannte Doppelagent und verdeckte Ermittler Henry Titus. Der beste seines Fachs. Auftragsspion und - wenn das Honorar stimmt - sogar Auftragskiller?", rief er aus. Die Show die er abzog war viel zu theatralisch, doch leider scherte sich das Puplikum nicht darum. Und Juni auch nicht.
Sie wurde blass, ihr stockte offensichtlich der Atem. Ihr Blick zuckte zu Henry, der ebenfalls zu Boden gedrückt wurde. Er hielt den Blick beschämt gesenkt.
Die anderen Parrots starrten ihn ungläubig an. Niemand hatte auch nur Verdacht geschöpft.
Atlas wusste nun was der Mann ihm vorhin hatte sagen wollen.
Marley wandte sich ab. "Nicht wahr, Vater?" Die Blicke flogen zu Joseph Campbell, der an der Cocktailbar stand und wie versteinert das Geschehen beobachtete. So müde und unscheinbar wäre er Atlas beinahe nicht aufgefallen. "Komm zu mir, Vater! Welch eine wunderbare Idee, heute dieses Fest zu geben. Lass uns auf unseren Sieg anstoßen!" Campbell setzte sich schwankend in Bewegung und erklomm die Stufen zur Bühne.
Atlas Bauchgefühl verhieß nichts Gutes.
Nur im Augenwinkel sah Atlas wie der Diener, der den beiden zwei goldene Champagnerflöten brachte, im letzten Moment bevor er das Tablett hinter der Bühne hervortrug ein weißes Pulver in eines der beiden Gläser schüttete.
Als Campbelll genau diesen Champagner dankend annahm hielt er erschrocken den Atem an.
Allem Anschein nach konnte es wirklich noch schlimmer kommen.

The Parrots - Eine RebellionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt