Kapitel 11 - Heiße Stimmung

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Flint

Er versengte sich sein Hemd. Flint fluchte. Wie oft war ihm das jetzt schon passiert? Er hatte aufgehört zu zählen. Er ließ die Flamme in seiner Hand erlöschen und verließ das große Wohnzimmer im ersten Stock. Er bog um ein paar Ecken und war fast bei seinem Zimmer angelangt, da erklang eine Stimme hinter ihm. "Wie lange kannst du das schon?" Es war die Stimme des Neuen - Bruno. Na super. Ohne ihn anzusehen schloss er sein Zimmer auf und steuerte auf seinen Schrank zu. Der Junge würde wohl nicht so schnell wieder verschwinden, weshalb er sich überwand zu antworten. "Was denkst du denn? Mein gesamtes Leben lang, Süßer." Er zog sich das Hemd, aus dem er ein ordentliches Stück herausgebrannt hatte, über den Kopf weil er zu ungeduldig war die Knöpfe zu öffnen und warf es auf das ungemachte Bett. Hinter ihm hörte er den Frischling unvermittelt nach Luft schnappen. Oder wünschte er sich das nur? Er ließ sich Zeit bei der Wahl eines neuen Hemds, warf er es sich lässig über und begann die Knopfleiste zu schließen - er zwang seine Finger ruhig zu arbeiten. Bruno stand vor ihm in der Tür, wie vom Blitz gerührt. Ein kaummerklicher Schweißfilm glänzte auf seiner braunen Haut. Flint genoss seine Überlegenheit. Irgendwann schüttelte der Junge vor ihm jedoch den Kopf als wolle er lästige Motten verscheuchen - und als wäre Flint die Motte. Flints Herz machte einen unerwarteten Satz. "Deine - deine Narben wirken auf mich als hättest du deine Macht nicht sonderlich gut unter Kontrolle. Naja, und die verbrannten Klamotten. Als, ha, als ob du es gerade mal 'ne Woche machen würdest." Flint fuhr herum und Zorn brannte in seinem Bauch. Er wollte diesem Kind zeigen was er von ihm hielt. Er wollte ihm zeigen wozu er fähig war. Er hob die Hände, die Handflächen nach oben gewandt, und ließ eine beachtenswerte Stichflamme in den Raum aufsteigen, heiß und aggressiv. Er teilte die Flamme, ließ eine in jeder Hand brennen und trat damit auf den Jungen zu. Er hielt sie rechts und links von Brunos Gesicht. "Sieht das für dich nach Anfängerglück aus?", zischte er und rückte ihm ganz schön auf die Pelle. Doch Brunos Gesicht zeigte keine Regung im Schein der Flammen. Plötzlich packte er Flints Handgelenke und bog sie mit erstaunlicher Kraft und flinken Bewegungen aufeinander zu, so dass Flint nichts anderes übrig blieb als irgendwann die Handflächen aneinander zu legen. Das Feuer erstickte. Kurz, ganz kurz, starrte er Bruno über ihre Hände hinweg an, dann ließ dieser ihn mit einem Ruck los und trat zurück. "Nein. Eher nach Selbstüberschätzung, Süßer. Du solltest zuerst lernen dich zu beherrschen bevor du mit Feuer spielst." Damit wandte sich Bruno ab und verschwand im dunklen Flur. Flint stand da, wie vom Blitz gerührt, und wusste nicht was eben passiert war. Der Zorn verrauchte und zurück blieb glühende Asche.

Henry

Henry lag auf dem Bett, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, und starrte an die Decke. Mehrere Male war er ihren Plan durchgegangen und hatte immer wieder an die Störfaktoren denken müssen; Ein viel zu intelligenter Anführer, ungünstige Lage um einfach mit den Geiseln zu fliehen und, vorallem, die schiere Unmöglichkeit dass Victoria dort unten in der Küche Blumenkränze band. Ihm war von Campbell versichert worden dass seine Kinder gegen ihren Willen entführt worden waren, aber was wenn sie schlicht und ergreifend die Seiten gewechselt hatten? So wie er Campbell einschätze neigte der Mann dazu sich selbst als viel zu unantastbar anzusehen als dass ihm überhaupt eine solche Möglichkeit in den Sinn käme. Aber es war natürlich möglich. Es war auch möglich dass sie trotzdem auf das Lösegeld aus waren, wie auch immer sie das anstellen wollten. Henry zermarterte sich den Kopf. Wie sollte er herausfinden auf wessen Seite Victoria stand? Vielleicht mit einem Gespräch?, schoss es ihm durch den Kopf und unwillkürlich pochte sein Puls gegen seine Handgelenke.
Wieso bist du nicht beim Abendessen gewesen, du Trottel? Du hättest analysieren können wie sie sich den Rebellen gegenüber verhält. Und ob Marley auch anwesend ist. Verdammt. Außerdem wird Atlas misstrauisch werden.
Gerade als ihm allmählich die Augen zufielen und er drohte in einen leichten Schlaf zu fallen kam Bruno in sein Zimmer gestürzt, völlig außer sich. Im nächsten Augenblick war Henry hellwach und auf den Beinen. "Was ist passiert?" Doch als er Brunos Gesichtsausdruck sah begriff er dass es unmöglich etwas mit dem Auftrag zutun haben konnte. Bruno war Profi, jetzt gerade jedoch schienen die Emotionen geradezu aus ihm herauszubrechen. Er sah viel jünger, viel verletzlicher dadurch aus. Die dunklen Brauen angestrengt zusammengezogen, die Haltung verkrampft, die Hände unruhig. Sanft nahm Henry ihn bei den Schultern. "Hey, heyheyhey Bruno. Erzähl erstmal was los ist, okay?" Natürlich war Bruno sein Partner und Kollege, der beste den er je gehabt hatte genau genommen. Aber die beiden waren nunmal auch beste Freunde. Deshalb sah Bruno ihn schließlich an und erzählte von einem Jungen namens Flint. Deshalb erkannte Henry, als sein Freund sich übers Gesicht fuhr, was Bruno wahrscheinlich selbst noch nicht ahnte. Und als Bruno fortfuhr musste er schlucken. "Er ist ein Feuerkrieger, Henry." Ohje. Das nächste Problem. Henry kannte Bruno gut genug um zu wissen was in ihm vorging. "Verdammt. Aber das heißt doch nicht gleich dass er genau wie -"
"Er stellt sich an wie ein Kind. Henry, er ist übersäht von Brandnarben. Sein gesamter Körper." Bruno hatte sehr schlechte Erfahrungen mit Feuer gemacht. Henry wusste um seine Geschichte und konnte sich nichtmal ansatzweise den Schmerz vorstellen den sein Freund durchlitten haben musste. Deshalb wählte er seine nächsten Worte mit Bedacht: "Und was wäre wenn du ihm hilfst?" Brunos riss den Kopf hoch. "Was? Was soll ich denn schon tun?" Henry führte ihn zu seinem Bett. Sie setzten sich. "Gib ihm Tipps. Pass auf dass er sich unter Kontrolle hat, soweit es geht. Du bist wahrscheinlich der Einzige der weiß wie viel Feuer wirklich anrichten kann. Vielleicht kannst du ihm helfen."
Brunos Augen huschten unruhig im Zimmer umher, unfähig, einen Punkt zu fixieren. Auf seiner braunen Haut glänzte ein Schweißfilm. Er roch nach Abendessen und versengtem Haar. "Damals konnte ich nichts ausrichten.", erwiderte er müde. "Aber möglicherweise kannst du es jetzt. Versuchen es. Bevor du dabei zusiehst wie sich der Junge langsam selbst grillt." Er schaffte es tatsächlich Bruno ein unentschlossenes Lächeln zu entlocken. "Ich denk drüber nach. Danke, Henry." Er stand auf, das schwindende Licht des Tages das zum Fenster herein fiel ließ die Hälfte seines Gesichtes im Schatten verschwinden. Dann ging er und zog die Tür hinter sich ins Schloss. Ausgelaugt ließ Henry sich auf sein Bett fallen und atmete tief durch. Das fing ja alles schonmal prima an.

Am nächsten Morgen begleitete er Bruno zum Frühstück. Das Nachdenken half ihm stets einen kühlen Kopf zu bewahren, jedoch war es unmöglich diese Operation erfolgreich zu beenden wenn er sich in seinem Zimmer isolierte. Schließlich war er hier um Geld zu verdienen.
Unten in der Küche herrschte reges Treiben, und Bruno grüßte beinahe jeden mit Namen und mit einem kurzen >Wie läufts?<. Bruno war wirklich fleißig gewesen. Henry fragte sie wie es ihm bloß gelang sich so mühelos mit den Rebellen anzufreunden, ohne jegliche Hemmungen. Noch nichtmal ein Tag war vergangen seit sie angekommen waren. Aber das war wohl der Zauber der Extrovertierten.
Sie saßen am Tisch und aßen ein überraschendes liebevoll zubereitetes Frühstück - Ei, Speck, Pfannkuchen, warmes Gebäck - als Victoria Campbell an ihm vorbeilief. Sie rauschte vorbei, ihr langes rotes Haar wie einen Feuerschweif hinter sich herziehend, und als sie ihn entdeckte musterte sie ihn mit zusammengekniffenen Augen. Doch dann sah sie Bruno neben ihm sitzen, der sich gerade Rührei in den Mund schaufelte, und ihre finstere Mine verwandelte sich in ein freundliches, umwerfendes Lächeln. "Hey Bruno. Wie war die erste Nacht?" Dieser wischte sich Brotkrumen von den Lippen und grinste zurück. Niemand hätte geahnt dass er erst vor wenigen Stunden eine Panikattacke durchlitten hatte. "Na, hervorragend natürlich. Was für eine Frage. Das bequemste Nagelbett aller Zeiten, danke der Nachrfage Juni.", erwiderte er sarkastisch und sie verschwand lachend.
Juni. Nicht Victoria. Henry saß da wie festgefroren. War sie vielleicht gar nicht die Campbell Tochter? Oder benutzte sie einen anderen Namen? Er stieß Bruno in die Seite. "Hast du dich allen Ernstes gleich am ersten Tag mit unserem Zielobjekt angefreundet?", zischte er ungläubig. Bruno starrte ihn an. "Das ist Victoria Campbell?", hakte er nach, offensichtlich aus allen Wolken fallend. Bruno kannte Joseph Campbell nicht persönlich und konnte deshalb auch nicht die unverwechselbare Ähnlichkeit zwischen Vater und Tochter erkennen. Doch Henry konnte sie nicht leugnen. "Sehr wahrscheinlich. Wenn ihr Bruder nur zu finden wäre, dann könnte ich es dir mit Sicherheit sagen." Bruno trank einen großen Schluck Orangensaft und stützte dann das Kinn auf die Hand. "Wow. Also damit hätte ich ja als letztes gerechnet. Sie wirkt nicht wie die Tochter eines großen Bosses. Und vorallem wirkt sie nicht wie eine Geisel." Kurz herrschte nachdenkliches Schweigen, bis Bruno plötzlich die Augen aufriss, auf den Tisch klopfte - das klirrende Geräusch der Gläser ging im Lärm der Küche unter - und sich ein schadenfroher Ausdruck auf seine Züge legte bevor er herzhaft losprustete. "Und genau mit ihr verscherzt du es dir. Ausgerechnet ihr musst du schöne Augen machen." Bruno hätte sich vermutlich auf dem Boden gekullert vor Lachen, hätte er die Möglichkeit dazu gehabt. Henrys Hals machte bereits Anstalten sich rosa zu färben. "Ich hab ihr keine schönen Augen gemacht. Das war ein Reflex.", verteidigte er sich ziemlich lahm und begann ebenfalls zu kichern, denn Brunos Lachen war ansteckend. Sein Freund stieß ihn in die Seite. "Deine Reflexe kenn ich schon, Casanova."

The Parrots - Eine RebellionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt