Kapitel 14 - Brennende Narben

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Bruno

Ihm stand der Schweiß auf der Stirn. "Nochmal. Und diesmal langsam, nicht so ruckartig. Lass dir Zeit mit den Bewegungen. Es ist wie ein Tanz." Flint stand vor ihm. Im Raum war es drückend heiß. Atlas hatte sie zum Training in den Keller geschickt, dort, wo ein provisorischer Übungsplatz errichtet worden war. Schließlich mussten auch Rebellen sich fit halten.
Bruno hatte sich zuerst einmal Flints Grundtechniken ansehen wollen - gerade ließ er ihn Feuerbälle auf eine Metallscheibe werfen, die auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes stand. Sie wackelte bei jedem Schlag, so heftig waren Flints Angriffe.
Im Trainingsraum bestand günstiger Weise keinerlei Brandgefahr; die Wände waren größtenteils unverputzter Stein und die festmontierten Trainingsgeräte bestanden aus Metall oder feuerfesten Materialien.
Flint war wie ein wilder, hektischer Herzschlag in diesem reglosen Umfeld. Der Feuerkrieger versuchte sich erneut an der komplizierten Schrittfolge die Bruno ihm zuvor erklärt hatte - er wollte sehen wie lange Flint es versuchen würde ohne wütend zu werden - und stolperte erneut. Langsam aber sicher sah man die lautlose Unmut in seinem Gesicht: Die Würfe wurden lustloser, die Haltung schlechter, die zuvor noch neutrale Mine verzerrte sich leicht. Bruno erkannte es an der Art wie er die Brauen hob, die Nase krauszog oder die Lippen zusammenpresste. Die Energie hinter seinen Angriffen war unbestreitbar gewaltig und hatte eine Menge Potenzial - nur leider setzte Flint sie aggressiv und unkoordiniert ein. Wenn er von Anfang an gleich alles gab wäre er im Kapf innerhalb von zehn Minuten total ausgelaugt. Jetzt hörte er einen Moment auf und wandte sich Bruno zu. "Jetzt soll ich auch noch tanzen?" Bruno hatte seine Anweisung ganz vergessen, so sehr hatte er Flint analysiert. Der Mann stürzte sich schwer atmend auf die Knie. Er war verschwitzt und seine vernarbte Haut stark gerötet. Das konnte Bruno deshalb so gut sehen weil Flint lediglich eine schwarze Kniehose trug.
Er trat zu ihm und ging neben ihm in die Hocke. "Du sollst nicht herumtänzeln. Aber eben auch nicht draufhauen wie ein Irrer. Du musst es fühlen. Stell dir vor dein Feuer ist ein Partner, ein Freund. Kämpfe mit ihm, anstatt es einfach von dir wegzuwerfen wie eine stumpfe Waffe. Feuer heißt Leben und Energie - und das hast du in dir. Du musst es einfach nur zulassen. Die Macht kommt von selbst wenn du sie dich ausfüllen lässt." Er schluckte. Seit wann hielt er denn so große Reden? Bruno sah von Nahem die vielen kleinen Narben auf Flints Oberkörper und Armen. Er hätte die weißen Stellen mit den Fingern nachzeichnen können. Er schüttelte den Kopf. "Natürlich bringt das eine Art Kontrollverlust mit sich. Das schreckt viele ab. Aber nur so kannst du irgendwann kontrolliert mit deinen Kräften arbeiten." Als Flint sich aufrichtete tat Bruno es ihm schnell gleich. Flint fuhr sich durch das stoppelkurze Haar. "Das klingt widersprüchlich. Was ist wenn es mich ... übermannt?" Er hatte Flint noch nie stocken gehört. "Ich könnte nicht nur mich selbst sondern auch andere Menschen verletzen. Menschen denen ich nicht wehtun will. Lieber verbrenn ich mich selbst daran." An Flints überraschtem Gesichtsausdruck stellte Bruno fest dass er selbst von seinen ehrlichen Worten überrascht war. In seiner Brust flammte ein alter Schmerz auf. Er schluckte, dann sagte er; "Das mag schon stimmen. Aber je länger du die anderen versuchst zu schützen indem du deine Kräfte unterdrückst desto gefährlicher wirst du. Deine Emotionen brennen in dir weiter - bis du sie nicht mehr halten kannst. Und dann verbrennen sie alles was dir lieb ist unkontrolliert." Bruno zwang sich an die Wand zu starren, sich zusammenzureißen. Ansonsten würde er bloß verrückt werden vor Schmerz.
Plötzlich stand Flint neben ihm und legte seine Hand auf Brunos Schulter. Sie war kühl durch den Stoff zu spüren, kein bisschen erhitzt. "Klingt, als hättest du Erfahrung mit dem Verbrennen." So sanft hatte er Flint noch nie erlebt. Bruno würde jeden Augenblick platzen. Zuerst holte er tief Luft, und als er seiner Stimme vertraute erwiderte er; "Ja. Und ich hab sehr lange gebraucht um zu heilen." Er sah Flint an. "Aber Narben bleiben für immer, wie du weißt." Damit zwang er seinen Arm Flints Hand wegzuschieben und ein paar Schritte in den Raum hinein zu machen. "Wir machen morgen weiter. Lass dir die Wunden von heute von Rainn heilen." Solange du noch kannst, dachte Bruno grimmig und verließ den Trainingsraum.

Flint

Er sollte es dabei belassen. Er wollte es nicht tun, aber er rannte Bruno hinterher. Im dunklen Treppenabsatz des Kellers erwischte er ihn. "Dann lass mich ... lass mich dich heilen." Flints Herz wummerte. Es war das einzige Geräusch in der Dunkelheit. Unbewusst hatte er Bruno bei den Schultern gepackt. Still blickte er ihn an. "Vielleicht solltest du deine Emotionen auch nicht mehr unterdrücken." Er sprach leise, denn seine Stimme klang viel zu laut in der Dunkelheit. Brunos Atmen brandete auf Flints verschwitzter Haut. Die Stille zwischen ihnen knisterte, bis sich Brunos Schultern irgendwann entspannten. Als er Fling direkt anblickte flammte uralte Trauer in seinen Augen auf. "Es war mein Bruder. Ich ... ich hab ihm immer zugesehen wie er bändigte. Er war mächtig - aber dumm. Verdammt, er war ein Kind. Irgendwann brannte das Haus. Und alle außer mir auch. Deshalb weiß ich wie man es nicht macht. Er hat es mir gezeigt." Eine einzelne, verstohlenen Träne fand den Weg auf Brunos Wange. Der junge Mann zuckte vor Scham zusammen, doch Flint hob vorsichtig die Hand und wischte sie mit dem Daumen weg. Kurz, ganz kurz ließ er die Hand an seiner Wange liegen, dann nahm er sie schnell weg. Er hatte einfach zu wenig Mut. Er schluckte und raunte dann mit fester Stimme; "Ich werde es lernen. Ich verbrenne niemanden." Er ließ Bruno los und sofort war ihm kalt. "Und schon gar nicht dich."

The Parrots - Eine RebellionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt