Zurückkehren

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16. K A P I T E L ║Zurückkehren

»Ich fürchte um mein Leben.«



Seine Tür stand noch immer offen. Cheren war mit den Nerven am Ende. Was zur Hölle hatte er da nur getan? War er schuld an den Explosionen? Oder waren das wirklich Touko und N mit den Drachen? Und wenn ja: Lebten sie überhaupt noch?
Seufzend betrat er sein Gemach und schloss die Tür hinter sich. Da war kein Soldat, der sie abschloss oder bewachte. Sie alle waren gut beschäftigt – warum auch immer. Dem Rauch nach mussten einige Korridore völlig verbrannt sein. Cheren stellte sich auf ein paar schlimme Tage ein. Vielleicht sperrten sie ihn wieder ein, vielleicht hackten sie ihm die Beine ab. Wer wusste das schon? Dieser G-Cis war mit der Zeit immer wahnsinniger geworden und mittlerweile zu allem fähig. Gleichzeitig schien er auch blind geworden zu sein und verlor langsam aber sicher seine ausgeklügelten Pläne aus den Augen. Da war nur noch Wahnsinn in ihm und der Durst auf Macht.
Cheren setzte sich auf den Stuhl vor dem Fenster und starrte nach draußen. Die weiten Wälder strahlten eine angenehme Ruhe aus. Ein glitzernder Fluss schlängelte sich durch das Grün und verschwand in der Ferne unter Bäumen und Bergen... Plötzlich fiel etwas in sein Blickfeld und war auch genauso schnell wieder verschwunden. Sekunden später stürzte ein weißer Drache mit einer fluchenden Person auf dem Rücken an seinem Fenster vorbei – dem fallenden Objekt hinterher.
Cheren rieb ungläubig seine Augen. »Was zum Grypheldis...?« Das war zu schnell, um wahr zu sein. Doch etwas später sah er den legendären Drachen Reshiram in den Himmel fliegen. Darauf N, der sein Pokémon küsste und eine junge Soldatin mit einem Brecheisen an der Tasche. »Moment...« Cheren stand auf und drückte seinen Kopf gegen die Fensterscheibe. »Diese Bewegungen...« Die junge Frau gestikulierte wild herum. Das war sogar zu erkennen, als sie sich immer weiter entfernten. »Das ist Touko. Ja. Ich habe dir den Arsch gerettet. Cheren, ich bin stolz auf dich.« Überzeugt in sich hinein nickend, kniete sich Cheren auf den Boden und griff unter sein Bett, um zur Feier des Tages eine Dose hervorzuholen. Noch mehr Mate. Anschließend setzte er sich wieder und beobachtete das abgefahrene Spektakel, das sich am Himmel abspielte. Touko fiel vom Himmel.
»Ich will nach Hause...« Er nahm drei große Schlucke unter Tränen. Sie waren frei, er nicht.
Ein Gewitter zog auf, Zekrom erschien und verteilte großflächig Blitze. »Haut rein. Rettet Einall. Ich kümmere mich um die Vorlage.«

Am Abend traute er sich nicht heraus, um sich etwas Essbares zu besorgen. Er blieb den ganzen Tag über in seinem Zimmer, vegetierte vor sich hin und wartete auf den richtigen Augenblick. Um zehn Uhr, als es schon langsam dunkel wurde, schleppte er seinen neuen Fernseher in das Bad, stöpselte ihn ein und setzte sich in die große Dusche.
Nach einer halben Stunde flimmerte das Bedienungsfeld. Bunte Pixel traten aus dem Rahmen. Cheren hielt einfach das HDMI Kabel, das am Fernseher angeschlossen war, in die Masse und hoffte, dass es dem Porygon dadurch möglich war, seine Daten auf den Bildschirm zu übertragen.
Das Flimmern zwängte sich tatsächlich durch das Kabel und breitete sich wie ein bunter Virus im Fernseher aus. Nach einem Farbgewitter und einer ganzen Bandbreite an Störgeräuschen tauchte das gestochen scharfe Bild von Bell auf.
Sie lächelte stolz. »Hallöchen Popöchen! Ich bin's: Bell! Hoffentlich klappt das! Ich werde versuchen, dieses Video auf das Porygon zu übertragen und es zu dir zu schicken, Cheren!« Ihr Lächeln war wärmer als die Sonne, ihre rosigen Wangen verliehen ihrem Gesicht eine strahlende Freundlichkeit. Cheren bemerkte gar nicht, dass er ihr Lächeln erwiderte und eine Träne nach der anderen auf seine Hose tropfte.
»Cheren, wir vermissen dich so sehr! Hoffentlich geht es dir gut! Ich wollte dir nur sagen, dass ich mit der internationalen Polizei in Kontakt stehe und die Ermittlungen begonnen haben. Wenn du im Schloss bist un-« Die Nachricht wurde vorgespult. Bell tauchte wieder auf. Sie trug andere Kleidung und es war womöglich ein anderer Tag. »Cheren! Du lebst! Du weißt gar nicht, wie glücklich ich war, als ich die Daten bekommen habe! Ich habe drei Stunden lang geheult! Meine Augen sind immer noch total dick, das werde ich nie wieder weg bekommen... Oh Cheren! Du bist ein Genie! Die Polizei hat die Daten in Empfang genommen und werten sie aus! Du musst also für Plasma arbeiten? Das ist ja schrecklich. Hoffentlich behandeln sie dich gut. Ich halte den Gedanken kaum aus, dass du ganz allein dort bist.« Bell sah nach unten. Ihre Unterlippe bebte.
»Bell...« Cheren drückte seine Stirn gegen den Bildschirm. Als sie nach ein paar tiefen Atemzügen weiter sprach, setzte er sich wieder zurück.
»Touko meldet sich übrigens gar nicht mehr. Um sie mache ich mir auch Sorgen. Hoffentlich ist ihr nichts zugestoßen. Seit dem Kampf gegen G-Cis hat sie sich so verändert. Früher war sie so süß und unschuldig. Wie ein kleines Sesokitz... Naja. Sie wollte dich holen. Wenn du sie siehst, dann verschwindet bitte ganz schnell und kommt wieder nach Hause! Ich vermisse euch so...«

ℕatural Numbers  [ Pokémon Schwarz / Weiß ]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt