15. K A P I T E L ║Fliehen
»N, ich bin wirklich enttäuscht von dir.«
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Mit Anzughose und gestrickten Socken im Bett. Mate Tee an den Lippen, öde TV Show im Fernseher. Besser konnte das Leben in Gefangenschaft kaum sein. Cheren hätte beinahe vergessen, dass er in fünf Minuten schon wieder arbeiten musste, wenn vor seiner Tür nicht so reges Treiben geherrscht hätte, das ihn aufhorchen ließ. So faul er dank der letzten zehn Minuten vor dem neuen Fernseher auch geworden war, stand er auf und begab sich in den Korridor. Scharen von Soldaten stürmten in Gleichschritt den Teppich entlang bis zur großen Treppe auf der linken Seite. Mit dem Getränk in der Hand sah er ihnen nach und schlenderte ein paar Schritte hinterher. »Hey, was ist los?«, fragte er einfach so in die Masse hinein und erwartete nicht einmal eine Antwort, weil er immerhin ein Gefangener war, dem man kein Bericht erstatten musste. Doch einer der Soldaten antwortete ihm prompt: »Wir müssen gleich ein paar tote Drachen aus dem Keller fischen...«
Cheren brauchte ein paar Sekunden. Als er aus einer Vielzahl von Möglichkeiten, die eine gefunden hatte, die ebenso logisch wie grausam war, rannte er wie besessen los und überholte den Trupp.
Ohne eine Pause zu machen oder darüber nachzudenken, dass er mit gestrickten Wollsocken und Mate Tee durch das Schloss von Team Plasma rannte, suchte er den Kontrollraum auf, in dem er tagsüber arbeitete. Die dreifache Sicherung an der Tür war ihm noch nie so bescheuert lang vorgekommen wie jetzt, als er mit hibbeligen Füßen davorstand und wartete, dass sein Gesicht endlich gescannt wurde. Kaum konnte er passieren, stürzte er sich an den Hauptschalter und überprüfte die Einstellungen am großen Monitor. Der Kellerbereich war okay. Keine Veränderungen. Was hatte der Typ nur mit »fischen« gemeint? Cheren suchte weiter. Irgendwann bemerkte er, dass ein blaues Symbol auf einem Bildschirm blinkte. »Schleuse geöffnet«, murmelte er, den kleinen, unauffälligen Text ablesend. Reflexartig zuckte er zusammen und deaktivierte den Mechanismus, indem er den virtuellen Knopf direkt daneben betätigte.
Das Symbol blinkte nicht mehr und färbte sich grau. Cheren schüttelte nachdenklich seinen Kopf und nippte am Getränk. »Wenn das wahr ist, dann ist das eine richtig feige Aktion. Dafür wirst du in der Hölle schmoren, du elender Stinker.« Inständig hoffte er, dass er alles richtig gemacht hatte.»Cheren? So pünktlich wie immer...« Achromas tauchte in der Tür auf und wechselte Blicke zwischen ihm und dem Bildschirm. Er schien etwas zu ahnen, da er sich langsam bewegte und alles genau unter die Lupe nahm. »Darf ich fragen, was du da tust?« Seine Brille reflektierte für einen Moment das Licht der grellen Lampen an der Decke.
Cheren klickte das Fenster schnell weg und lehnte sich gegen die Steuerkonsole. Bei dem Versuch, ruhig und gefasst zu wirken, stolperte er beinahe über seine eigenen Füße, die er lässig überkreuzte. »Das Übliche. Die Weltherrschaft an mich reißen«, murmelte er in die Dose in seiner Hand. Es war so einfach, lässig zu wirken, doch in ihm zog sich alles zusammen. Für seine Freunde würde er sterben, daher fürchtete er sich nur halb so sehr, wie er vielleicht sollte.
»Hast du die Schleusen geschlossen? Ich sehe das Signal nicht mehr.« Achromas dränge Cheren grob von seinem Platz und untersuchte den Bildschirm, indem er sich etwas über die Konsole lehnte und seinen Kopf in den Nacken legte. Er roch nach Aftershave. Als der Wissenschaftler erkannte, dass sie tatsächlich geschlossen wurden, tat Cheren so, als falle er über ein Kabel und kippte den Mate Tee über die Kontrollfläche. Die Flüssigkeit drang heiter in jede Ritze, zwischen Tastaturen, Knöpfen, Hebeln und Touchscreens.
»Oh, entschuldigen Sie bitte! Verdammt!« Cheren zog seine Mundwinkel nach unten und machte sich auf ein Donnerwetter gefasst. Er war schon immer ein schlechter Schauspieler gewesen, aber das hier musste einfach sein.Achromas machte einfach weiter. Doch plötzlich reagierte das Pad nicht mehr auf seine Bewegungen. Infolgedessen schlug er wütend mit einer Faust auf das kleine Feld. Die Schleuse konnte auf die Schnelle nicht mehr aktiviert werden.
»Hmm...« Der Wissenschaftler stellte sich wieder gerade hin, noch immer mit geballter Faust, und beobachtete Cheren misstrauisch. Die extravagante Frisur auf seinem Kopf saß wie immer perfekt. »Ich werde dich im Auge behalten.«
»Hm.«
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ℕatural Numbers [ Pokémon Schwarz / Weiß ]
Fanfiction»Touko, Mathematik ist überall. In der Natur, in jedem Lebewesen, in allem, was geschehen ist und noch geschehen wird. Wir können als Beobachter den Lauf der Dinge berechnen und in Formeln ausdrücken. Aber es ist unmöglich, die Zahlen des Schicksals...