Verrat

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24. K A P I T E L ║Verrat

»Wir sind zu spät.«




Es regnete in Strömen, die dunklen Wolken am Himmel ließen kein Tageslicht auf Panaero hinabfallen. Schwere Tropfen fielen auf Flugzeuge und hölzerne Transportkisten, die nicht schnell genug verladen werden konnten. Erst als ein Blitz den langen Landeplatz erhellte, sah Touko, wer neben dem Eingang an der Arenawand lehnte und sie mit stechenden Augen anstarrte. Vor Schreck warf sie fast ihre Tasche mit den leeren Tränken weg. Was machte dieser Verrückte bloß hier? Nun war es doch offensichtlich, dass er ihr folgte! Er wusste mit Sicherheit, dass sie früher oder später in der Arena kämpfen wollte und hatte auf sie gewartet. Touko ging kurz in die Knie und atmete laut aus, um den Schreck zu verdauen. Dabei wurde sie von oben bis unten von ihm abgenommen. Dann erwiderte sie Ns neugierigen Blick mit einem verwirrten Lächeln. »Du hier? Hätte ich mir ja denken können«, meinte sie mit einem Schulterzucken und ging einfach weiter.
Er schnitt ihr den Weg ab und hielt sie am Arm fest, als sie ihn zu ignorieren versuchte. Zum ersten Mal berührte er sie. Und sie hasste sich für das, was sie plötzlich fühlte. Das Herz flatterte, in ihr kribbelte alles, als würde sie ein Elektropokémon umarmen. Eigentlich sollte sie sich vor N fürchten und ihn abstoßend finden. Aber das tat sie nicht. Ganz und gar nicht.
Die Tasche mit den Tränken fiel auf den Asphalt, wo sich eine Menge Regenwasser gesammelt hatte und in reißerischen Strömen zum nächsten Gulli floss. Ehe Toukos Faust seine Nase brechen konnte, hielt er sie fest. Seine Armreifen klirrten. Regentropfen perlten von seinem emotionslosen Gesicht. N war eigentlich nicht schön. Zu große Nase, zu blaue Augen, zu lange Haare.
Er musste sich nicht anstrengen, denn Touko war zierlich und schwach. Sie versuchte ihre rechte Hand zurückzuziehen, doch er umschloss sie noch immer mit seiner. Nicht gerade sanft. »Ihr Trainer zwingt eure Pokémon, gegeneinander in Kämpfen anzutreten, aus denen diese verletzt hervorgehen. Und das alles unter dem Vorwand, sie besser verstehen zu wollen! Bin ich denn der Einzige, der das für grausam hält?« Schon wieder dieselbe Leier. Er ließ sie los und warf ihr die nasse Tasche zu, die vor seinen Füßen lag. Touko klammerte sich sofort an sie und sah nach, ob etwas fehlte. Alle Pokébälle waren an Ort und Stelle.
»Aber genug... lass mich einfach mit deinen Pokémon sprechen. Da ich mich Pokémon aufgewachsen bin, fällt es mir leichter, mit ihnen zu sprechen als mit Menschen.«
Er meinte es ernst. Er lächelte minimal.
Und sie hasste diesen Spinner. Eigentlich.

ナチュラル


Die frische Meeresbrise strömte bis in das Tal der dicht bewaldeten Route 22. Hätte Touko gewusst, wie idyllisch Abidayas Anblick von hier oben war, hätte sie schon eher einen Abstecher an diesen Ort gemacht. Die kleine Seestadt war traumhaft. Viele Häuser wurden direkt über dem Wasser gebaut, verbunden durch Stege, die teilweise mit Sonnensegeln überdacht und am Abend mit vielen Laternen beleuchtet wurden. Die Bauweise erinnerte an Alola, eine Gruppe von Inseln, die man erreichen konnte, wenn man das östliche Meer durchquerte.
Touko genoss die Aussicht noch einmal mit allen Sinnen, bevor sie zurück in den Schatten der Bäume trat, um zur versteckten Lichtung auf dem Berg zu gehen.

Ihre einzige Chance Kyurem zu besiegen hatte sie vergeigt. Es war vorbei, das Luftschiff war auf dem Weg zum Schloss. Zwar war die Waffe ein für alle Mal pulverisiert worden, doch das Monster, das dafür benutzt wurde, war noch immer gefangen. Wenn es wieder im Schloss war, waren die Chancen, einen Sieg über G-Cis zu erlangen, gleich Null.
War ja wieder einmal typisch. Kaum hatte sie etwas in die Hand genommen, ging es schief.

Touko sah auf ihr linkes Bein, als sie sich niederließ. Die Verbrennungen an der Seite waren nicht wirklich schlimm. Ihr bereitete es mehr Sorgen, dass N während des Kampfes gegen die Pokémon des spießigen Wissenschaftlers verletzt wurde. Zekrom hatte tapfer versucht sich zu verteidigen, doch die geballte Kraft zweier gut trainierter Pokémon hatten es an seine Grenzen gebracht.
N schlief noch immer im hohen Gras, obwohl es schon der Mittag des nächsten Tages war. Touko hatte kaum ein Auge zubekommen. Sie hatte Angst um ihn und vor den Polizisten, die sie noch immer verfolgten. Nicht zuletzt durchkämmten auch die Soldaten von G-Cis das Land – gerade jetzt nach dem spontanen Angriff auf ihr schmuckes Luftschiff. Und N wachte einfach nicht auf. Doch es beruhigte sie, dass er wenigstens schon wieder komplizierte Formeln vor sich hinmurmelte und wie ein zusammengerolltes Zoroark schlief.

ℕatural Numbers  [ Pokémon Schwarz / Weiß ]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt