Kapitel 24

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Außerhalb des Stadions hielten sich nur wenige Menschen auf. Ein paar Angestellte des Stadions, welche das Areal kehrten oder einfach nur zum Rauen in Grüppchen standen. An den Ein und Ausgängen zum Stadion standen Polizisten die sich unterhielten oder Streife gingen. Man sah sehr deutlich das die Sicherheitsstufe seit dem Anschlag in Paris sich drastisch verstärkt hatte. Ich saß mit dem Rücken an einen Betonpfeiler gelehnt auf einer Bordsteinkannten an der Tiefgaragenausfahrt für die Mannschaftsbusse und zog wartete. Es war nicht besonders kalt, schließlich war es ein heißer Tag gewesen und die Sonne war erst vor kurzen untergegangen. Trotzdem fröstelte es mich und ich zog meine Beine fest an meinen Oberkörper. Worauf ich wartete wusste ich selbst nicht so genau.

Die Erkenntnis was der Streit mit Mats mit sich zieht kam erst nachdem ich mich hier draußen wiederfand. Ich wusste das ich mich der Realität stellen musste, dass ich einsehen musste das ihr Leben weiter gegangen ist während meines irgendwie stagnierte. Rational gesehen wusste und verstand ich es auch. Ich wusste, dass ich ihnen dafür keinen Vorwurf machen durfte. Sie haben ihr Leben fortgesetzt und ihre Pläne weiterverfolgt. Aber es war ein so verängstigendes Gefühl auf einmal kein Teil mehr ihres Lebens zu sein. Sie haben ihr Leben ohne ernsthafte Komplikationen fortgesetzt, neue Erfahrungen gemacht und sich neue Ziele gesetzt, während mein Leben irgendwie stagnierte. Es war als ob sie auf der Überholspur währen und ich auf dem Seitenstreifen stand und den Motor nicht zum laufen bekomme. Das größte Problem war, dass ich nicht wusste wie ich den „Motor, oder viel mehr mein Leben, wieder zum laufen bekommen sollte. Es war schwer genug wieder Laufen zu lernen, wo sollte ich die Energie her nehmen jedem zu erklären wie es mir ging ohne selbst zu wissen wie es mir ging. Wo sollte ich die Energie herbekommen jeden meiner Liebsten wieder kennenzulernen. Wie sollte ich wieder zur Normalität zurückkehren, wenn dass was vor den Unfall Normalität war so nicht mehr existiert. Verzweifelt fuhr ich mir mit den Händen übers Gesicht. Wo zum Teufel sollte ich anfangen? Ich fühlte mich in diesem Moment so leer, verzweifelt und verängstigt wie noch nie in meinem Leben. Es fühlte sich an als wäre ich alleine auf diesem Planten. Ich wusste nicht wo hin mit mir. Was tat ich hier überhaupt, was viel mir eigentlich ein einfach wieder in ihre Leben hineinzuplatzen als wäre nichts gewesen. Die Erkenntnis traf mich härter als gedacht. Mats hatte nicht unrecht. Ich benahm mich als wäre ich die Sonne in ihrem Sonnensystem. Vielleicht wäre es wirklich das beste gewesen wäre ich einfach nicht mehr aufgewacht.

Ein schweres Seufzen entwich mir, ich wischte mir die Tränen von den Wangen und legte den Kopf mit geschlossenen Augen in den Nacken. Ich wollte gar nicht wissen wie grauenhaft mein Makeup wohl aussah. Mitsicherheit machte ich einem Pandabären Konkurrenz.

Es war das Klingeln meines Telefons, welches mich aus meinen Gedanken und meinem Selbstmitleid riss. Ohne die Augen zu öffnen fischte ich es aus meine Jackentasche und nahm das Gespräch an.
„Löw", sagte ich mit monotoner Stimme und noch immer geschlossener Augen. Schweigen auf der anderen Seite der Leitung. „Hallo?", fragte ich noch einmal. „Lisa?!", fragte eine leise mehr als Vertraute stimme, welche mir die Tränen in die Augen trieb. „Papa?", fragte ich zitternder Stimme und öffnete die Augen. Mein Blick war verschwommen und das Licht des Stadion brach sich in meinen Tränen. „Wo bist du?", fragte er leise. „Vor dem Stadion, an der Ausfahrt von den Mannschaftbussen", brachte ich mit brüchiger Stimme heraus. In diesem Moment realisierte ich wie sehr ich meinen Vater vermisste, wie sehr ich mir wünschte das er mich in den Arm nahm und mir versprach das alles wieder gut werden würde. So wie er es immer getan hatte als ich noch klein war. „Bleib wo du bist!" sagte er und legte auf. Einen Augenblick lang bewegte ich mich nicht, hatte das Handy immer noch am Ohr bevor ich die Hand senkte und es zurück in meine Jackentasche schob.

Langsam stand ich auf, klopfte mir den Dreck von der Hose und ging in Richtung Ausfahrt. Besonders weit kam ich nicht, da mich einer der Polizisten in einem sehr französischen Englisch darauf hin wies das dieser Bereich für die Öffentlichkeit gesperrt währe. Als ob ich das nicht selbst wüsste. Ich nickte nur, bewegt mich aber nicht von meinem Fleck weg, was den uniformierten Beamten sichtlich nervös machte. Er begann auf Französisch auf mich einzureden, während sein Funkgerät rauschte und knaxte. Er hörte erst auf, auf mich ein einzureden als er schnelle Schritte auf uns zukommen hörte. Ich wand den Kopf in Richtung der Person, welche auf uns zukam und lachte kurz vor Erleichterung. Bevor der Beamte auch nur reagieren konnte quetschte ich mich an ihm vorbei und ging meinem Vater drei Schritte entgegen. Bevor er mich in die Arme schloss. „Papa", nuschelte ich bevor ich mein Gesicht in seinem Hemd vergrub. Er roch so vertraut und ich konnte all die Tränen auf einmal nicht mehr zurückhalten. „Ich bin so froh das es dir gut geht!", flüsterte er mit gebrochener Stimme. „Du kannst dir nicht vorstellen was für sorgen ich mir gemacht habe!", sagte er und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. Ich schluchzte während er mich einfach nur fest hielt. Er bedeute dem Polizisten, dass ich zu ihm gehöre und führt mich, nach dem ich mich etwas im Griff hatte, durch die Unterführung ins innere des Stadions zu seiner Kabine. Dort bugsierte er mich auf einen der Stühle und reichte mir eine Packung Taschentücher und eine Flasche Wasser, während er mir durchs Haar strich und mich besorgt musterte.

„Wie gehst dir?", fragte er, nach dem er sich einen Stuhl gegriffen hatte und ihn so platzierte das er mir gegenübersaß. Ich zuckte etwas hilflos mit den Schultern. „Geht so!", murmelte ich. „Was machst du hier? Du sollest in München sein und nicht hier! Das hier ist doch nur unnötiger stress!", sagte er und klang so besorgt. „Ich hab es in München einfach nicht mehr ausgehalten! Dort hat mich alles an...an...", ich geriet ins Stocken. „An Manuel erinnerst?", fragte er leise. Ich nickte und schniefte. „Und in Griechenland hab ich es auch nicht ausgehalten. Dort fühlte es sich so eigenartig an. Liam wusste nicht genau wo hin mit mir und sich. Mit Kathrin ist es so neu und ungewohnt und ... Ich fühlte mich so einsam und konnte mit der Ungewissheit nicht umgehen", ich versuchte mich zu erklären, war mir aber nicht sicher ob es besonders viel Sinn ergab. Er nickte. „Lisa, ich verstehe ich aber hältst du es für Sinnvoll dich jetzt schon mit Manuel auszusprechen? Solltest du dich jetzt nicht mehr auf dich konzentrieren? Darauf wieder ganz gesund zu werden und was mit deinem Studium und deiner Zukunft passiert?", fragte er Vorsichtig. Einen Moment lang schwieg ich. „Aber ich kann sie doch nicht alle im Ungewissen lassen.", flüsterte ich. „Das meine ich doch gar nicht. Aber hast du schon einmal darüber nachgedacht was du dir von dem Gespräch mit Manuel erhofft? Oder was du eigentlich möchtest?", sagte er und strich mir über den Rücken. Ich nickte langsam. „Außerdem ist ein Fußballspiel vielleicht nicht die beste Idee gewesen. Werder für dich noch für ihn. Wie hast du dir das den Vorgestellt? Das du einfach in die Umkleide platzt und alles so ist wie 2014?", fragte er und schmunzelte gegen Ende etwas. Ich schnaubte belustig. „Nein, natürlich nicht. Es wahr viel mehr Thomas, Lisa und Marcels Idee und mir viel nicht besseres ein. Ich meine, jedes Szenario das ich durchgegangen bin war irgendwie ungünstig. Ich meine es ist immer ein schlechter Zeitpunkt egal wann ich wieder in sein Leben trete. Außerdem weis ich doch gar nicht... ob... ob er das überhaupt möchte. Was wenn er sagt das ich es damit nur noch schlimmer mache? Was wenn er sagt das ich wieder gehen soll? Was wenn er auch der Meinung ist das ich am besten nie wieder aufgewacht wäre?" Erschöpft wischte ich mir die Augen trocken und putzte mir die Nase. Mein Vater nickte. „Mhm... Ich versteh schon was du meinst. Ich würde mir keine Sorgen machen das er es dir übel nimmt wenn du ihm sagst das es dir wieder besser geht. Er wird sich freuen, vielleicht nicht sofort, schließlich hat er sehr mit dir mitgelitten, aber er wird es dir sicher nicht übel nehmen wenn du es ihm sagt. Aber er wird es von dir hören wollen, an einem ruhigen und privaten Ort und nicht in einem Stadion voller Fans und Paparazie. Und was dann aus euch wird zeigt die Zeit!... Wie kommst du den auf die Absurde Idee, das er nicht will das du lebst? Wer sagt denn so etwas?", fragte ihr und legte gegen ende die Stirn in Falten. „Mats", murmelte ich und fummelte an den Bündchen meiner Jacke herum. „Warum?", fragte er. Ich zuckte mit den Schultern. „Er meinte, dass es dann für alle beteiligten einfacher gewesen wäre mit der Sache abzuschließen und das ich mich nicht so aufführen soll und mich aus ihrem Leben raushalten soll.", sagte ich und sah meinem Vater mit verweinten Augen an. Einige Sekunden lang war er sprachlos. „Das ist nicht wahr, Lisa! Wir, deine Mutter und Ich, sind so unglaublich froh und dankbar dafür das du lebst und das es dir immer besser geht. Für uns währe eine Welt untergegangen wenn du den Unfall nicht überlebst hättest. Nicht nur für uns! Also lass dir so etwas nicht einreden und sei Dankbar dafür das du noch lebst!", sagte er und nahm mich in den Arm. Ich nickte. „Und was hat Marcel damit zu tun?", fragte er nach einigen Minuten. „Er hat versucht mir das Pressekomplott zu erklären", schniefte ich. Mein Vater nickte.

Eine Weile saßen wir schweigend neben einander in der Trainerkabine. Ich hatte den Kopf auf seine Schulter gelegt und die Augen geschlossen. „Papa?" „Mhm?" „Wie ging eigentlich das Spiel aus?", fragte ich leise. Er lachte leise. „Ach stimmt... das Spiel. Wir haben verloren!" "Oh.. das tut mir leid!", sagte ich leise. „Muss es nicht. Dafür hatte ich jetzt Zeit für dich. Deine SMS hat mir die Stimmung sehr verbessert nach Abpfiff", sagte er und lächelte. Ich nickte du konnte nur schwer ein gähnen unterdrücken. „Du solltest in dein Hotel fahren und dich hinlegen", sagte er und musterte mich besorg. „Du siehst nicht gut aus. Ich schnaubte etwas verächtlich nickte aber dann. „Ich lasse dir ein Taxi rufen und buche dir für morgen einen Rückflug. Und wenn wir wieder in München sind redest du mit Manuel. Jetzt macht es keinen Sinn, du weist am Besten wie schlecht er nach Niederlagen gelaunt ist. Und seid du nicht mehr da bist ist es nur noch schlimmer geworden!", schlug mein Vater vor. „Danke, Papa!", sagte ich und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Langsam stand ich auf und verzog schmerzhaft das Gesicht mein Rücken und meine Gliedmaßen beschwerten sich lautstark. Von meinem Kopf mal ganz abgesehen.

Gerade als ich die Kabine verlassen wollte setzt mein Vater mir eine der schwarzen DFB Kappen auf den Kopf. „Damit man den Panda nicht sieht!", sagte er und schmunzelte. Ich lächelte müde. 

Mrs. Keeper - Never? or Forever!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt