25. Hoffnung // Lucy

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04:12
Lucy

Mein Kopf dröhnt und es ist dunkel als ich wieder einigermaßen zu mir komme. Ein stechender Schmerz fährt durch meine Schläfe und ich will mich panisch nach Alexa umsehen, da fassen mir zwei große Hände an die Schultern. Eine angenehme Gänsehaut strömt durch meinen Körper und ich kann nicht anders als mich sofort an Jay zu drücken, als mir die Erinnerungen wieder hochkommen. Für einen klitzekleinen Moment hätte ich beinahe vergessen in welcher Lage wir stecken und wäre von einem Albtraum ausgegangen. 
Meine Hose ist nass und es riecht fürchterlich faulig. Jay macht ein beruhigendes "Tsch," und drückt mich auch an sich. Er fummelt in seiner Hose herum und zieht sein Telefon heraus, bevor er seine Taschenlampe anschaltet.

"Alexa und Jas versuchen zu telefonieren," erklärt er mir als ich mich ein wenig an die Dunkelheit gewöhnt habe und er von mir ablässt. Er lässt Abstand zwischen uns und rutscht weiter weg. 
Diese kleine Geste löst so ein Gefühlschaos in mir aus, dass ich wie aus dem nichts anfange zu weinen. Mein ganzer Körper bebt unter den Wellen der Tränen, ich habe meine Freunde verloren. Jayson lässt mich weinen, er versucht nicht mich zu beruhigen oder sonstiges, er wartet einfach bis meine Tränen versiegen.  

"Ich wollte das hier nie," erkläre ich. 
Erst wirkt es so als würde er mich ignorieren wollen, aber im letzten Moment überlegt er es sich anders. Ich höre sein Seufzen. 
"Ich weiß," er legt seinen Arm wieder um mich und lässt mich meinen Kopf auf seiner Schulter betten. 
Diese kleine Geste heißt gar nichts, aber bedeutet so eine Menge in dieser Situation. 
"Du hättest mit mir reden sollen," wirft er letztendlich in die Stille die sich gelegt hat. 
Ich beobachte wie der dichte Staub durch das Licht seiner Handylampe wirbelt und überlege mir haargenau meine nächsten Worte, aber wir haben einmal mit der Wahrheit angefangen, jetzt können wir sie auch zu Ende bringen. 
"Ich wollte nicht, dass du denkst ich würde dich zwanghaft an mich binden wollen," lege ich offen da. 
Er erwidert nichts, lässt mich mit dem Gewicht der nächsten Worte auf meinen Schultern alleine. 

Ich mag Jay nicht nur, ich bin absolut verrückt nach ihm und seiner Machoart. Mit seinem unglaublich gutem Aussehen und diesem verdammt schnippischen Humor der sich ein wenig von dem angeeignet hat, den Alexa hat. Ich beiße mir auf die Innenseite meiner Wange und wahrscheinlich kann ich es irgendwie darauf schieben, dass mir noch der Schädel dröhnt und ich einfach nur verwirrt bin. Aber ich weiß, dass ich jeden Kuss mehr genieße als ich sollte. Wenn wir beieinander übernachten will ich nicht mehr aus seinem Bett aufstehen und wenn er mich Abends in den Arm nimmt während wir einschlafen will ich meist, dass die Nacht nie endet. Es ist so offensichtlich und das schon so lange, dass es beinahe unnötig ist es auszusprechen, aber ich muss es ihm sagen sonst drehe ich irgendwann durch.

"Ich muss dir da noch was sagen," meine Stimme ist überraschend fest. 
"Ich denke ich liebe dich." 

Stille. 
Ich höre sein gleichmäßiges Atmen. 
Dann dreht er sein geschundenes Gesicht zu mir, verhindert, dass ich weiter sein Profil in diesem spärlichen Licht ansehen kann und sieht mir direkt in die Augen. 
Ich bin mir nicht sicher, was er denkt aber genauso wie bei Alexa, weiß ich das bei ihm nie. Seine Augen fliegen über mein Gesicht, so als würde er es studieren und dann lehnt er sich ein Stück vor. Urplötzlich liegen während wir auf dem dreckigen kalten Boden sitzen und um uns herum mehr Staub als Luft ist, seine Lippen auf meinen. Nur kurz, aber sein verschmitztes Grinsen danach spricht Bände. 
"Gut zu wissen," er wendet sich wieder ab und starrt auf das Holz uns gegenüber. 
"Ich mag dich auch mehr als du denkst," gibt er dann beiläufig bekannt. 
Ich hätte es fast überhört, kann aber nicht verhindern, dass mein Grinsen so groß wird, dass es fast schon schmerzt. Das Herz in meiner Brust feiert einen Freudentanz und trotz der Situation fühle ich mich für einen Moment fühle ich mich okay. Ich lehne meinen Kopf wieder zurück auf seine Schulter und genieße das kurze gute Gefühl. Ich weiß, er hat es nicht so erwidert wie es am schönsten gewesen wäre, aber für Jayson ist das mehr als ich je erwartet hätte. 

Alexa löst uns aus unserer Blase als sie plötzlich vor uns auf die Knie sinkt. Jayson richtet seine Taschenlampe auf sie und ich weite erschrocken die Augen. Ihre Hände sind voller Dreck und Blut und auch ihre Anziehsachen sind so tief von Blut getränkt, dass ich damit rechne, dass sie jeden Moment stirbt. Ein Blick in ihre Augen verrät mir jedoch das Gegenteil. Der Schmerz, der sich in ihren Augen spiegelt hat nichts damit zu tun, wie es ihr geht. Es ist ein Schmerz ganz tief in ihr drin den sie am liebsten verstecken würde, das sehe ich ihr an. 

"Wo ist Jas?" 
Jayson klinkt ängstlich und angesichts Alexas Auftreten will ich es nicht wissen, aber sie krümmt sich vor Schmerzen zusammen und fällt mir in die Arme. Ich versuche sie so gut es geht zu halten und für sie da zu sein während sie auf dem feuchten Boden an meine Brust gelehnt schmerzverzerrte Laute von sich gibt die ich noch nie so gehört habe. Es ist nicht einmal nötig, dass sie es ausspricht. So verletzt habe ich sie noch nie erlebt. Wie ein kleines Kind klammert sie sich an mich und wimmert weiter vor sich her. 
"Er ist tot," immer und immer wiederholt sie es, während Jay den Kopf in den Händen vergräbt und stumm weint. 
Was auch immer mit Jasper passiert ist und was auch immer Alexa davon gesehen hat, es hat sie auf eine Art und Weise gebrochen, die nie wieder zu reparieren sein wird. Mir schnürt die Erkenntnis die Kehle zu, aber einmal in meinem Leben muss ich Alexa halten und dafür sorgen, dass sie sich nicht komplett verliert so wie sie es sonst für uns tut. Ein Blick auf meine Hand verrät mir, das sein Blut inzwischen auch überall an mir klebt. Mein Kopf dreht sich kurzzeitig wieder, bevor ich meine Arme fester um Alexa schließe und versuche ihr einen Teil des Schmerzes abzunehmen. Es funktioniert nicht. 

Jasper ist tot. Alexas Freund, mein bester Freund, hat aufgehört zu atmen. Er existiert einfach nicht mehr. Meine Nase kribbelt aufgrund der aufkommenden Tränen und ein komisches Gefühl durchflutet mich. Die aufkommende lähmende Hilflosigkeit die sich tief in meine Knochen setzt lässt mich nicht los. Selbst dann nicht, als Jay's Akku aufgibt und wir in absoluter Dunkelheit zurück bleiben. 

Jasper ist tot und keiner von uns konnte etwas dagegen tun.  

What happend tonightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt