zwei Tage danach
Die Nachrichtensprecherin mit ihren unnatürlich orangen Haaren lächelt in die Kamera während sie sich zu ihrem Kollegen dreht der gerade eben das aktuelle Wetter durchgesagt hat. Tina und Phil moderieren die Sendung New24/7 schon seit ich denken kann und irgendwie denken sie Nachrichtensprecher zu sein würde sie zu Berühmtheiten in der Stadt machen. Keiner von uns schaut den Mist eigentlich, aber Lucy hat stumm den Sender gewechselt und weil es ihr schwer fällt zu reden belasse ich es einfach dabei. Unauffällig versuche ich mich ein Stück zu bewegen ohne vor Schmerzen aufzukeuchen, aber es funktioniert nicht und direkt ist sie zur Stelle und will mir helfen. Jay, der im Bett neben mir auch stumm auf den Fernseher starrt sagt nichts dazu. Die Luft zwischen uns ist greifbar angespannt und es fehlt nur der kleinste Funke um es zum platzen zu bringen. Dennoch tun wir einfach so, als wäre nichts geschehen.
Ich kann meine Gefühle nicht zuordnen und das macht mich wahnsinnig, ich weiß nicht wo mir der Kopf steht und ich weiß nicht was ich überhaupt fühlen darf. Verzweifelt schließe ich die Augen und wünsche mir den Tropf von gestern zurück, der in einem beruhigenden Tempo Schmerzmittel in meinen Körper gepumpt hat."Egal was sie gerade tun, hören sie auf damit. Nehmen sie sich einen Moment und setzten sie sich hin," Phil nickt auf Tinas Aussage und ich würde den beiden am liebsten ins Gesicht kotzen.
"Vorgestern Nacht ist etwas schreckliches passiert, was mehrere Jugendliche das Leben gekostet hat."
Die Videos vom Tatort werden eingeblendet, wacklige Aufnahmen die hinter Polizeiabsperrband gefilmt wurden. Der Hof von Jasper wird gezeigt und ich beiße die Zähne so fest zusammen, dass es schon schmerzt. Lucy umklammert den Stuhl auf den sie sich wieder nieder gelassen hat und Jay verkrampft sich in der Bettdecke.
Ich hasse, dass wir in dieser verfluchten winzigen Stadt leben in der jeder jeden kennt. Noch mehr hasse ich, dass sich alle das Maul darüber zerreißen was passiert ist.
"Vier Abschlussschüler, darunter auch der Sohn des Bäckers David Spectre haben auf dessen Farm hinten an der Stadtgrenze ihren Abschluss gefeiert. Laut Zeugenaussagen sind sie dabei von einem anderen Jugendlichen angegriffen worden, den sie zuvor schikaniert hatten," diesmal nickt Tina auf Phils Aussage.
In mir brennt das Bedürfnis alles mögliche gegen den Fernseher zu werfen so eine unbändige Wut bekomme ich auf diese Lügen der Nachrichten.
"Ausserdem sind zwei Freunde von ihnen die zufällig an dem Abend vor Ort waren erschossen worden. Der Sohn der Spectres liegt im Koma und ob und wann er wieder aufwacht ist unklar."
Meine Zähne knirschen, als Jasper erwähnt wird. Die Bilder strömen zurück in meine Gedanken, wie sein Schädel auf dem Holz aufprallt und er reglos in meinen Armen liegt. Ich versuche mich zu beruhigen, aber plötzlich wird der Raum so eng. Ich bekomme kaum noch Luft meine Muskeln verkrampfen sich und bevor ich es richtig realisiere piept das Gerät neben mir laut auf.
Ich höre den Fernseher nicht mehr, sehe nur noch wie ein Arzt herein kommt, im Fernseher wird Noah in Handschellen abgeführt. Lucy weint, zumindest sehe ich Tränen in ihrem Gesicht. Dann wird mein Körper wieder taub und endlos schwarz.Es dauert ein wenig, aber meine Arme werden weich, ich kann tief ein und aus atmen. Und so langsam höre ich wieder was im Fernsehen gesprochen wird.
"...gibt es jetzt einen Blog mit jeglichen Ausschnitten der Nacht," Phil blendet etwas ein.
Lucy schlägt die Hände vor dem Gesicht zusammen. Die Schmerzen in meinem Körper sind taub, nachdem der Arzt gerade genug Schmerzmittel für einen erwachsenen Mann in mich gepumpt hat. Ich verringere die Dosis mit dem Rädchen und stehe dann auf. Die dünne silberne Stange dient mir als Stütze. Jay kann sich denken wo ich hin will, ich kann nicht verstehen, warum sie uns trennen wenn wir nur zusammen überleben können. Noch weniger kann ich verstehen warum Travis noch nicht gefunden wurde.
Kälte zieht sich durch meinen Körper während ich den Gang entlang schlurfe und immer mal wieder eine Pause machen muss. Erst als ich am anderen Ende des Flures ankomme und die Tür rechts aufstoße werde ich langsamer.
Meine Unterlippe zittert und mit einem Schlag sind die Schmerzen zurück. Ich spüre den brennenden Schmerz in meiner Schulter genauso deutlich wie den in meiner Brust. Jasper liegt dort, sämtliche Schläuche in seinen Körper gesteckt und wird wahrscheinlich nie wieder aufwachen während der Bastard der ihm das angetan hat so viel Luft zum atmen hat wie er möchte. Obwohl ich mich mit aller Kraft wehre, tropfen Tränen auf die weißen Fliesen unter uns.
Travis hat uns vieles genommen. Er hat dafür gesorgt, dass wir aneinander zweifeln und uns misstrauen. Er hat uns den Halt genommen der für jeden von uns am wichtigsten gewesen ist. Er hat uns vor allen blamiert und dafür gesorgt, dass wir uns gegenseitig blamieren wollten.
Etwas hat Travis dabei aber vergessen.
Wir sind unzerstörbar.
Zusammen.
Und nicht einmal Travis konnte uns trennen.Eine zierliche Hand schiebt sich in meine, als ich Lucy neben mir erblicke. Sie hat Jay mit einem Rollstuhl hergebracht und als wir drei vor Jaspers Bett stehen, Hand in Hand, bin ich mir sicher, dass wir uns irgendwie wieder hinbekommen. Wir werden uns jeweils viel zu verzeihen haben und wir müssen über unsere Schatten springen, während wir uns soviel Zeit wie möglich geben müssen.
Ich drücke Lucys Hand leicht und schwöre mir selber etwas.
Travis, wo auch immer du bist, ich werde dich finden.
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What happend tonight
Teen Fiction"Hey Lucy, hör dir den Mist an. Jasper meint die Schulflure würden uns jetzt nicht mehr gehören," ruft sie hinter sich. Dann bleibt sie urplötzlich stehen, so dass ich beinahe in sie gelaufen wäre. Verschmitzt funkelt sie mich an. "Egal wo wir hin g...