Kapitel 3

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In der Schule angekommen, ging er direkt zur Bibliothek. Er ging immer eine halbe Stunde eher in die Schule, um die ruhige Zeit vor dem Unterricht zu nutzen. In der halben Stunde machte er Hausaufgaben, lernte für Tests oder las einfach ein Buch aus der Bibliothek. Sein Ziel war es, bevor er aus der Schule raus ist, jedes einzelne Buch in dieser Bibliothek zu lesen. Komisches Ziel, wusste er selber, aber manchmal findet man sogar in den langweiligsten Büchern eine spannende Info. Und Ferdinand fand, dass diese Information es verdiente von ihm gewusst zu werden.

Er setze sich auf seinen Stammplatz und packte seine Sachen aus, nahm sich das sechzehnte Buch aus dem dritten Regal der achten Reihe. Da hatte er gestern aufgehört. Er schlug das Buch auf und begann zu lesen. Nach ungefähr zehn Minuten ging die Tür auf und jemand steuerte auf die Regale zu. Ferdinand blickte hoch und erkannte aus dem Blickwinkel seltsamerweise Luca, der sonst nie in der Bibliothek zu sehen ist. Er beschloss Luca zu ignorieren, da es ihm seltsam erschien ihn wieder an zu quatschen, da sie gestern schon ungewöhnlich viel geredet hatten und sich heute Abend schon wieder sahen. Luca entschloss sich aber anders. Er ging direkt auf Ferdinand zu, stellte seinen Bücherstapel ab und setze sich auf den Platz gegenüber von Ferdinand.

,,Also" fing Luca an. Ferdinand blickte ihn an, schlug sein Buch zu und schenkte ihm seine gesamte Aufmerksamkeit. ,,Du kommst doch heute Abend oder?" fuhr er fort. Ferdinand starrte ihn einfach nur an und sagte nichts. Luca wurde unsicher, da er es nicht gewohnt war, wenn jemand ihm nicht sofort antwortete. Ferdinand bemerkte dies und lies sich extra viel Zeit mit seiner Antwort. Luca wurde immer unruhiger und rutschte auf seinem Stuhl herum. Ihm war die Situation sichtlich unangenehm. Ferdinand fing an zu grinsen. ,,Ja, ich denke schon." antwortete er extra langsam. Irgendwie machte es ihm Spaß Luca zu provozieren. Erleichtert atmete Luca aus und stand auf. ,,Na dann." fing er an und versuchte wieder möglichst cool rüber zukommen. ,,Ist das ja geklärt." Er drehte sich um und wollte hinausgehen, als er sich umdrehte und zurück kam.

,,Bücher vergessen..." murmelte er und errötete sogar leicht. Ferdinand musste wieder grinsen. ,,Kein Ding, alles gut. Sie liegen ja noch hier." sagte Ferdinand langsam mit einer sehr tiefen und kratzigen Stimme. Ferdinand verwirrte seine Stimmlage selber so sehr, dass er ruckartig aufstand, hastig seine Sachen zusammen kramte und den ebenso verwirrten Luca in der Bibliothek stehen lies.

Als er die Bibliothekstür schloss, atmete er tief aus und musste heftig schlucken. Was zur Hölle war das? Seit wann ist er so verwirrt in der Gegenwart anderer und rennt einfach weg, obwohl es überhaupt kein Problem gab? Er hatte noch zehn Minuten, bis der Unterricht begann und die Schule hatte sich schon deutlich mit Teenagern gefüllt. Ferdinand brauchte ganz kurz Ruhe, um seine eben entstandene Verwirrtheit zu bei seitigen. Er entschloss sich auf der Toilette einzuschließen.

Während dessen stand Luca immer noch mit seinem Bücherstapel in der Bibliothek und starrte auf den Stuhl, auf dem Ferdinand eben noch gesessen hat. Dieser Satz, den Ferdinand zuletzt gesagt hatte, war weder komisch noch seltsam in irgendeiner Weise. Er war eine ganz normale Antwort. Trotzdem hatte er eine wahnsinnige Wirkung auf ihn und vielleicht auch Ferdinand. Luca war verwirrt. Noch nie hatte ein Junge ihn so sehr verunsichert. Er drehte sich ruckartig um und verließ den Raum in Richtung Klassenzimmer.

Fuuck, dachte er sich. Es war schon 7:35 Uhr, das heißt er war schon fünf Minuten zu spät. Er klopfte an uns öffnete die Tür. Alle starrte ihn an. ,,Nun wen haben wir denn da?" begrüßte ihn Frau Müller. Sie war die Klassenlehrerin von Lucas und Ferdinands Klasse. ,,Hat sich der Herr Luca heute doch dazu entschieden zum Unterricht zu erscheinen. Wie untypisch, du kommst nie zu spät. Ausrede?" fragte Frau Müller. Sie hatte Recht. Es war äußerst untypisch für ihn zu spät oder gar nicht zum Unterricht zu kommen. Ihm war Schule zwar nicht super wichtig uns seine Noten waren nicht brilliant, aber ihm machte Schule Spaß, auch wenn man es oft nicht von ihm erwartete.

,,Verschlafen." nuschelte Luca und eilte zügig zu seinem Platz ganz hinten rechts, bedacht darauf niemanden anzuschauen. Als er saß, fiel ihm auf, dass der Platz vor ihm leer war. Ferdinands Platz. Es klopfte wieder an der Tür und Ferdinand trat herein. Ohne etwas zu sagen und ohne Frau Müllers Frage zu beantworten setzte er sich auf seinen Platz.

Der letzte Schultag, der Freitag begann und Luca und Ferdinand starteten ihn mit einem mulmigen Gefühl.

Luca und Ferdinand sind in der Schule das genaue Gegenteil voneinander:

Luca ist laut, selbstbewusst, witzig und unterhält die Klasse, trotzdem arbeitet er im Unterricht mit und die Lehrer mögen ihn. Ferdinand hingegen hält sich sehr zurück, antwortet knapp und genervt auf Fragen und ist nicht sonderlich beliebt bei den Lehrern. Die Lehrer mögen Leute wie Luca mehr, obwohl Luca schlechtere Noten schreibt, obwohl er gelegentlich den Unterricht stört. Ferdinand schreibt im Gegensatz zu Luca ausgezeichnete Noten.

Den restlichen Schultag ist Luca stiller als sonst. Er kann es nicht lassen Ferdinand im Unterricht die ganze Zeit anzustarren. Und Ferdinand spürte Luca Blick in seinem Nacken. Er hatte Angst vor heute Abend. Angst davor, dass Luca ihn abholen würde.

Just another rainy sunday afternoonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt