Kapitel 7

45 1 0
                                    

Nachdem der Schultag beendet war, der erstaunlicherweise relativ zügig vorüber ging, eilte Ferdinand aus dem Schulgebäude. Er wollte so schnell wie möglich zur Busstation, um dort auf ihn zu treffen. Irgendwie war er aufgeregt. War es nur ein normales Treffen zwischen zwei Freunden oder war da mehr? Luca wollte Ferdinand eigentlich nach der Schule direkt abfangen, um mit ihm gemeinsam zum Bus zu laufen, aber er war schon weg. Enttäuschung breitete sich ihm aus.

Er verstand es nicht, warum konnte diese Person seine Gefühle so sehr beeinflussen? Er lief, nein Luca rannte fast, in Richtung Busstation. Als er Ferdinand dort sitzen sah, musste er einfach anfangen zu lächeln. Ferdinand hatte ihn noch nicht bemerkt. Er saß auf der Bank, hatte Kopfhörer in den Ohren und starrte auf sein Handy. Luca musste zugeben, dass Ferdinand verdammt gut aussah. Sein Gesucht von der Seite zu sehen war unglaublich. Die markanten Gesichtszüge und der konzentrierte Blick auf das Handy lies sein Herz leicht hüpfen. Luca raufte sich durch die Haare und setzte sich neben Ferdinand.

Als er Luca bemerkte, lächelte er und zog seine Kopfhörer heraus. Für einen kurzen Moment beobachteten sie sich einfach gegenseitig. ,,Warum bist du nach der Schule einfach abgehauen?" fragte Luca. ,,Weil du gesagt hast wir treffen uns hier." Luca lachte. ,,Okay. Wo wollen wir hin?" ,,In die Stadt?" fragte Ferdinand. ,,Gerne." sagte Luca. Der Bus kam angefahren und beide stiegen ein.

Während der Fahrt redeten sie über ihre Familie. Irgendwann fing Luca an Ferdinand Bilder von seinen Geschwistern, seinen Eltern und seinen Freunden zu zeigen. Ferdinand tat es ihm nach. Ungefähr 20 Minuten fuhren sie Bus redeten über ihre Familien und ihre Freunde, zeigten sich Bilder und Videos und lachten über Geschichten die die beiden sich erzählten, die auf Familienfeiern passiert sind oder bei irgendwelchen Freunden zu Hause.

Als sie ausstiegen und sich in der Stadt befanden war es 16.00 Uhr. ,,Musst du heute noch irgendwo hin?" fragte Ferdinand. ,,Ne, wir haben den ganzen Tag, du?" antwortete Luca und zwinkerte ihm zu. Ferdinand grinste ihn an. Das Gefühl, das jedes mal entstand, wenn Ferdinand ihn angrinste, war so unbeschreiblich toll, dass Luca wünschte, es würde niemals aufhören. ,,Lass uns in irgendnen Supermarkt gehen und was zu Essen kaufen gehen." schlug Ferdinand vor. Luca nickte.

Als sie das erste Regal im Supermarkt prüfend betrachteten, mussten sie gleichzeitig anfangen zu lachen. Es war einfach nur ein Regal, links gefüllt mit Binden und Tampons und rechts mit Kondomen. Aber in diesem Moment verfielen beide in ein kindliches, Grundschulverhalten zurück, sodass sie einfach lachen mussten. Beide fühlten sich sonderbar leicht miteinander.

Sie mussten so sehr lachen, dass sie sich an ihren Armen festhalten mussten, dass sie nicht umkippten. Die Berührung die Luca verursachte als er Ferdinands Arm nahm, und die Berührung, die Ferdinand verursachte, als er Lucas Rücken berührte, war heiß. Ferdinand glühte. Die einzelne Berührung machte so viel mit ihm. Beide wurden auf einmal wieder ernst und starrten sich an. Ferdinand hatte immer noch seine Hand auf Lucas Rücken und Luca hielt immer noch Ferdinands Arm. ,,Was machst du nur mit mir?" flüsterte Luca.

Er war das alles absolut nicht gewohnt. ,,Ich date dich." antwortet Ferdinand extrem ernst. Dann lachte er. Luca schaute ihn fragend an. ,,Meinst du das ernst?" fragte er. ,,Selbstverständlich." sagte Ferdinand, löste sich von ihm und ging zum nächsten Regal. Er holte eine Packung Kekse aus dem Regal und hob sie hoch. ,,Die? Sind die nice?" rief er Luca zu. Luca stand immer noch wie angewurzelt da und schaute die Packung Kekse an. ,,Jaaa, die sind lecker. Pack die ein."

Beim Anblick der Kekse löste sich seine Starre. ,,Weißt du was ich hab ne Idee." sagte Luca leiser als normal. Ferdinand trat einen Schritt an ihn heran, um ihn verstehen zu können. ,,Hast du schon mal geklaut?" fragte er und redete dabei so leise, dass nur Ferdinand ihn verstehen kann.,,Nein, eigentlich nicht." antwortete er. ,,Eigentlich?" ,,In der zweiten Klasse nen Radiergummi ausm Laden, aber das zählt nicht." lachte Ferdinand. ,,Hast du Lust es auszuprobieren?" ,,Ähm, ja eigentlich schon, bisschen Adrenalin schadet nicht." sagte Ferdinand und grinste voller Vorfreude.

,,Nur die Kekse?" fragte er Luca. Luca nickte. ,,Für den Anfang reichts." ,,Ok, ich pack sie ein." So unauffällig wie möglich versuchte Ferdinand die Kekse in seine Jacke zu stopfen. Niemand hatte ihn beobachtet, außer Luca der weniger als zehn Zentimeter von ihm entfernt stand und ihn deckte. Die Nähe machte beide nervös.

Ferdinand machte einen selbstbewussten Schritt in  Richtung Ausgang. Luca folgte ihm. Im Gehen zischte er ihm zu: ,,Wenn wir durch diese Piepdinger jetzt durchgehen, fängt das natürlich an zu piepen. Nach dem dritten Piepen rennst du los. Renn mir einfach hinterher." Ferdinand nickte und Adrenalin stieg in ihm auf. Als sie die Piepdinger erreicht haben, startete ein hoher Ton den ganzen Laden vollzupiepen. Ferdinand zählte bis drei, dann fing er an zu rennen.

Er sah nur noch Lucas Körper, wie er rannte. Er rannte hinterher, bedacht darauf nicht langsamer zu werden. Sie rannten einmal um den Supermark, durch eine Parkanlage und über Straßenbahngleisen, über die eigentlich gerade eine Bahn fahren wollte, die jedoch scharf abbremsen musste. In einer Gasse in die Luca bog angekommen, hielten sie an. Luca setzte sich auf den Boden und atmete schwer.

Ferdinand beugte sich runter und versuchte seinen Atem zu kontrollieren. ,Wofür zur Hölle...." keuchte er ,,bist du soweit gerannt." Luca lachte. ,,Uns hat nicht mal jemand verfolgt." keuchte er weiter. Luca hörte auf zu lachen und grinste, Lachen war zu anstrengend. Beide waren völlig außer Atem. ,,Für das Gefühl, Fred, für das Gefühl." Nun war es Ferdinand, der lachte. ,,Fred? Ernsthaft?" Er zog eine Augenbraue hoch. ,,Der Adrenalinschub ist alles Fred. Nur für das Gefühl." erklärte Luca weiter. ,,So so, das Gefühl also." sagte Ferdinand und starrte Luca an.

,,Das Gefühl." Luca nickte. Sein Atem war wieder relativ regelmäßig. Ferdinand starrte auf Lucas Lippen. Er setzte sich zu ihm auf den Boden, ohne den Blick von seinen Lippen zu nehmen. Ihre Gesichter hatten nun einen Abstand von ungefähr 20 Zentimetern. Ferdinand legte seine Hand an Lucas Wange. Die Berührung brannte auf seiner Haut. Ferdinands Hand wanderte von der Wange zu Lucas Nacken. Luca musste wieder schwer atmen.

Ferdinand spürte Lucas Atem in seinem Gesicht. Er drückte Luca mit seiner Hand in Lucas Nacken zu sich ran und sorgte dafür, dass sich beide Stirnen berührten. Ihre Lippen waren mittlerweile nur drei Zentimeter von einander entfernt. Irgendwann hielt Luca es nicht mehr aus, beugte sich vor und küsste Ferdinand.

Der Kuss war kürzer, als der auf der Party, aber viel gefühlvoller, näher und sentimentaler. Ferdinand löste sich nämlich von Luca und schaute ihn gespielt böse an. ,,Alter, ich wollte dich küssen, sodass wir quitt sind." flüsterte er. ,,Ach halts Maul" stöhnte Luca und zog Ferdinand wieder zu sich ran.

Der dritte Kuss dauerte länger. Viel länger. Sie konnten die Zeit nicht zählen, denn sie waren aufeinander fokussiert. Die Wärme war so intensiv und den Speichel, den sie tauschten war so warm, dass keiner von ihnen klar denken konnte. Dieser Moment war so intensiv und langanhaltend. Beide verlierten sich in ineinander.

Diese Situation, der Moment, in dem sie beide im Schneidersitz in einer engen, nassen Gasse hockten und sich küssten, nachdem sie zehn Minuten im Höchstsprint durch die Innenstadt gerannt waren, weil sie verdammte Kekse geklaut hatten, diesen Moment würden sie nie vergessen.

Just another rainy sunday afternoonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt