Ein offenbartes Herz

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Ich fand eine abgelegene Treppe die zum Wasser führte und liess mich nieder. Nach einer Zeit vergrub ich das Gesicht in meine Hände und liess meine Erinnerungen an Vergangene Zeiten durch meinen Kopf wandern.
"Darf ich mich zu dir setzten" Eine ruhige Stimme sprach zu mir. Ich drehte mich um und blickte Kili ins Gesicht. Stumm nickte ich ihm zu und verschränkte meine Arme vor der Brust. Vorsichtig setzte er sich neben mich und blickte aufs Wasser hinaus.

"Er muss nicht recht haben mit dem was er sagt. Die Elben denken seit jeher, dass sie mehr wissen als alle anderen Völker zusammen. Wichtig ist nur was du über dich denkst!" Mit den letzten Worten blickte er mich an. Es war schwer diesem Blick stand zu halten, also sah ich wieder nach vorn bevor ich weitersprach.
"Nur weil ich es nicht hören möchte, heisst es nicht das es nicht wahr ist." Ich zögerte ein wenig.." In mir wusste ich schon lange das etwas nicht stimmen konnte" bei den Worten zeigte ich auf mein Herz verschränkte die Arme erneut und blickte zu ihm herüber.
"Du sagtest dein Volk verabscheut Männer? Wieso hast du uns dann geholfen?"
Ein leichtes schmunzeln konnte ich mir nicht verbergen. Es war doch so offensichtlich.
"Nur weil mein Volk einen solchen Greul hegt, so liegt es doch an mir zu entscheiden ob ich ihn blind teilen möchte oder nicht" Er schien über die Worte nachzudenken und schmunzelte ebenso.
"Ist es nicht Verschwendung, wegen einer Handvoll schlechter Trauben, einen ganzen Rebstock zu fällen?" Er blickte nachdenklich auf das Wasser.
"Eure Abneigung den Elben gegenüber ist sehr offensichtlich. Mit Sicherheit habt ihr auch allen Grund einen Teil der Elben zu hassen. Doch ist es das gleiche. Es liegt an euch ob ihr diesem Greul nachgeben oder euch die Mühe machen wollt die faulen Trauben zu sortieren" Wieder blickte er mich an.
"Ihr sprecht sehr weise. Ich bin mir sicher ihr seid eine gute Königin für euer Volk ." Meine Stimme schwankte leicht bei den folgenden Worten.
"Nein. Ich wollte nie Königin sein. Ich bin zwar unter ihnen aufgewachsen. Doch gehöre ich nicht zu Ihnen."  "Das verstehe ich nicht. Erklärt es mir. Wenn das nicht euer Volk ist welches ist es dann?"
Normalerweise sprach ich ungern über dieses Thema, doch während ich ihm in die Augen sah konnte ich nicht klar denken und musste einfach auf seine Frage antworten.
"Mein eigentliches Volk ist schon lange fort. Meine Grossmutter war Teil zweier sich bekriegender Völker. In all ihrem Hass schafften es 2 sich näher zu kommen als man es je für möglich gehalten hätte. Ihre Mutter als Teil eines Menschenvolkes und ihr Vater als Teil eines Volkes das wir nur noch als Monster in Erinnerung haben. Sie löschten sich gegenseitig aus. Wir fanden zwar Zuflucht doch hoben wir uns in vielen Dingen sehr stark ab. Mutter erzählte mir von Menschen die uns besuchten. Einer von ihnen soll mein Vater gewesen sein und ich glaubte ihr. Blind vor Vertrauen liess ich alles zurück was ich kannte und liebte um ein Verbindungsstück für mein Volk zu werden. Ein sicherer Anker vor den Gefahren, die bis dahin nur meiner Mutter bekannt waren...
 Erst später begriff ich, das sie gelogen haben musste. Mein "Vater" besuchte unsere Welt erst nach meiner Geburt, doch ich wollte es nicht wahr haben.. und jetzt.. gerade wo ich mich damit abgefunden hatte eine ewige Reisende zu sein; meiner Abstammung und meiner Person sicher zu sein; soll ich doch ein Zuhause haben?!?"
Bei den letzten Worten brach meine Stimme und ich musste schlucken. Ich starrte wieder auf das Wasser hinaus und versuchte mich zu fangen.
"Ich verstehe euch gut. Zwar habe ich mein Volk, doch unser Heim liegt auch weit entfernt. Ich weiss es ist da und doch scheint es unnahbar. Bewacht von einem riesigen Drachen.. doch  wie wir, scheint ihr zu kämpfen. Nicht aufzugeben.
Aber was treibt euch an?"
Ich überlegte einen Moment bevor ich antwortete.
"Geschichten wie ihr sie gerade erzählt. Zu wissen, dass man mit einer einzigen Tat so viel verändern kann. Helfen kann. Leben retten kann. Es gibt so viel Böses in den Welten. Wie kann man nicht versuchen es zu bekämpfen, wenn man die Fähigkeiten dazu hat?"
Wieder blickten wir uns lange in die Augen.
"Habt ihr viele Schlachten gesehen?" seine Stimme klang merkwürdig.
"Unzählige." Ich zog mein Gewand über die ihm zugewandte Schulter. Darunter zum Vorschein kam eine alte grosse Narbe. Erschrocken blickte er mich an.
"Dies ist nur eine von vielen die ich am Körper trage."  Langsam hob er den Arm und fuhr  mit zwei Fingern die lange Narbe entlang. Ich beobachtete sein Fassungsloses Gesicht, als er meine Haare beiseite strich und in meinem Genick eine weitere grosse Narbe entdeckte, die von einer schweren Verletzung stammen musste.
"Eine solche Verletzung hätte euch töten müssen", sprach er Gedankenabwesend während er weiter die zahlreichen Narben auf meinem Rücken zählte.
"Wie ich schon sagte, stamme ich zum Teil von einem alten Volk ab. Meine Wunden heilen schneller als normal." Als ich mein Gewand wieder zurückzog blickte er mir beschämt ins Gesicht. Es wurde ihm bewusst, dass der Moment auf einmal viel persönlicher geworden war, während wir uns weiter in die Augen sahen.
"Schneller?" stammelte er betont gelassen hervor um das Gespräch fortzuführen. Ich zog meinen Dolch aus dem Stiefel und schnitt mir vorsichtig in die Hand. Dann legte ich meine Hand in seine. Es blutete leicht und wirkte auf den ersten Blick wie eine ganz normale Wunde.
"Kleinere Wunden heilen fast augenblicklich" Wir blickten beide auf meine Handfläche als ich ein Tuch nahm um das Blut wegzuwischen. Ungläubig starrte er mich an, als darunter eine verschorfte nicht blutende Haut zum Vorschein kam.
Wir lächelten uns gegenseitig an und ich zog vorsichtig meine Hand zurück. Es war eigenartig. Normalerweise sprach ich nicht so viel. ich hasste es sogar. Reden dauerte so lange. Lieber mochte ich es Taten sprechen zu lassen. Doch bei ihm war es anders. Er strahlte eine ruhe aus, die mich tröstete und mir ein warmes Gefühl gab. Es war erstaunlich wie er die Worte fand, die mich veranlassten weiter zu sprechen ohne das es mir unangenehm erschien... und das obwohl wir uns genaugenommen gar nicht kannten.
 Mir entging nicht, das wir beobachtet wurden. Doch es war mir gleich. Kili konnte sich über kleine Dinge bemerkenswert freuen, was mir einen ganz anderen Blick der Dinge dalag. Dinge, die ich vorab nicht mal wahrgenommen hatte. Er erzählte mir von ihrer Reise und den Geschichten die  er über den einsamen Berg kannte.
Mir entging nicht, mit wie viel Ehrfurcht er über diesen Ort sprach... welche Gefühle er mit ihm verband. Es musste sehr schwer für ihn und seine Gefährten sein, so weit von ihm entfernt zu sein.
Lange Zeit liess ich ihn einfach sprechen und versank fast in dem Anblick seiner warmen Augen und dem Licht, das sich über das Wasser in seinem Gesicht wiederspiegelte.
Es war merkwürdig einfach mit ihm die Zeit zu vergessen. Für einen Moment wünschte ich die Zeit würde Still stehen, denn es gab nur einen einzigen Menschen, der bei mir ähnliche Gefühle auslöste..
Meine verstorbene Tochter..
Der Mond stand schon am Himmel als ich begriff wie spät es mittlerweile war.

"Ich würde euch gerne begleiten um euch zu helfen eure Heimat zurück zu bekommen." 
Er lächelte
"Das würde mich sehr freuen. Thorin wird sich zwar aufregen, aber nehmt es ihm nicht übel."
Ich lächelte schwach zurück, stand auf und gab ihm die Hand. "So sei es besiegelt. Sag mir Bescheid, wenn ihr aufbrecht."  Wir lächelten uns noch einmal  zu. Dann drehte ich mich um und ging zu meinem Nachtquartier.
Auch wenn es bereits spät in der Nacht war, so konnte ich einfach nicht schlafen. Mir gingen alle  neuen Eindrücke durch den Kopf. Mein Vater wohnte vielleicht hier. Morgen würde ich mich auf eine gefährliche Reise begeben und diesem Hinweis eventuell nie folgen können. Ich dachte an meine Familie. An alles was ich verloren hatte. Musste ich es wissen? Eigentlich hatte ich vor langer Zeit aufgehört mich an meinem Volk oder meiner Familie zu orientieren. Ich wollte mich an dem messen, was ich zu ändern versuchte und schaffte. Meine Stimmung wurde wehmütig und ich musste an meine Tochter denken. Wenn ich ihr doch denselben Weg offenbart hätte. Vielleicht würde sie dann noch leben. Leise fing ich an zu summen, bis sich ein Text und ein Lied daraus zusammen setzte.
Bei den Menschen gab es ein Lied. "In the Arms of an Angel" Es passte so perfekt in mein Leben.
Wie sehr wünschte ich mir 2te Chancen um vergangenes wieder gut zu machen.
Ich setzte mich auf die Veranda des kleinen Elbenhäuschens in ein paar weiches Kissen; lehnte mich zurück und starrte hinauf zu den Sternen. Ich sang jetzt laut mit allen Gefühlen die ich im Herzen trug. Mir war egal wen ich damit unterhalten würde. Als ich fertig war, atmete ich ein paarmal tief durch und begann mit dem Lied was sie als letztes von mir gehört hatte. Ich sang Run.
Mir begannen Tränen über die Wangen zu laufen und meine Stimme bebte. Nachdem ich es beendet hatte, überliess ich mich der ganzen Trauer die in mir aufkam.
Ich hört ein leises Schnauben und schaute hinunter.
Unter mir standen 6 Zwerge. Darunter auch Kili. Sie blickten allesamt mitfühlend zu mir hoch. Einer von ihnen hatte ein Tuch in der Hand womit er sich die Augen wischte und seine Nase schnäuzte. Nur  kurz überflog ich ihre Gesichter und richtete meinen Blick ein paar Sekunden länger auf Kili.
Auch er hatte Tränen in den Augen  und sah mich mitfühlend an. Noch nie hatte ich so stark den Wunsch verspürt in den Arm genommen zu werden. Doch ich wollte meinen Gefühlen nicht noch weiter nachgeben. Ich wandte mich ab und öffnete gerade die Tür zum Haus, als ich Elrond in einiger Entfernung stehen sah. Kurz zögerte ich und blickte zu ihm herüber.
Auch er sah traurig zu mir herüber. Wir blickten uns nur kurz an, dann trat ich ins Haus ein, löschte die Lichter und legte mich ins Bett. An Schlaf war nicht zu denken.
Noch nie hatte ich meine Gefühle so offen dargelegt. Was war nur los mit mir. Was machte dieser Ort aus mir!.. Eine verweichlichte, hilflose Frau.. Nein das war nicht ich.

Der Zwerg der mein Herz berührte/ HobbitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt