Gone Mad Ⅷ - Junichiro & Naomi (Teil 2)

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„Diese Liebe ist echt!", ruft die Schülerin entrüstet, „Und nichts und niemand wird sich zwischen uns drängen können, nicht wahr, Junichiro?" Sie schmeißt sich ihrem Bruder an den Hals, der nur stumm den Kiefer anspannt

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„Diese Liebe ist echt!", ruft die Schülerin entrüstet, „Und nichts und niemand wird sich zwischen uns drängen können, nicht wahr, Junichiro?" Sie schmeißt sich ihrem Bruder an den Hals, der nur stumm den Kiefer anspannt.

„Hören Sie... haben Sie keine netten Jungs in Ihrer Klasse, die Sie toll finden können?", fragt der Doktor.
Naomi blinzelt und überlegt eine Sekunde. Beide Männer sehen sie hoffnungsvoll an.
Dann meint sie begeistert: „Die sind alle nicht so toll wie mein Bruder!"
Beide Männer stöhnen synchron ungläubig auf.
Junichiro etwas leiser, denn es ist nicht das erste Mal, dass er seiner Schwester diese Frage gestellt hat.
Er kannte die Antwort auch so.

„Das einzige, was mich sehr mitnimmt, ist, dass er mir nie richtig zuhört!", beschwert sie sich plötzlich.
Junichiro sieht sie entgeistert an. „Wann denn das?", fragt er empört.
Sie sieht ihn traurig an. „Immer, wenn ich dir etwas erzähle, dann hörst du nach fünf Minuten nicht mehr zu und sagst nur noch ‚aha' und nickst."

Nach fünf Minuten, denkt der Doktor irritiert, und dann ist sie noch nicht fertig? Da würde ich schon nach einer Minhte aufgeben.

„Du erzählst aber auch wirklich viel", verteidigt sich Junichiro, „und meistens Zeug, das ich gar nicht wissen will."
„Herr Doktor, können Sie ihm beibringen, dass ein Bruder sich für seine Schwester zu interessieren hat?"

Das klang falsch, denkt Hara, so so falsch!
Er schüttelt schnell den Kopf.
„Naomi, bedenken Sie, dass Ihr Bruder eine Menge Sachen in den Kopf zu nehmen hat, schließlich kämpft er in der ADA für Gerechtigkeit und Ordnung. Da kann er nicht auch noch so viele Sorgen von Ihnen übernehmen."
Naomi nickt verständnisvoll. „Sie haben Recht", sagt sie, „Das macht er auch ganz super. Und ich bin sehr stolz auf ihn."
Tanizaki sagt nichts und starrt den Doktor nur verwirrt an.
Der kann ebenso wenig fassen, dass das gerade passiert ist.

Er leitet eine Paartherapie für Geschwister.

„Ach, Naomi", unterbricht Junichiro seine Gedanken, „Kannst du dich daran erinnern, ob wir den Herd ausgeschaltet haben?"
Sie sieht ihn stirnrunzelnd an. „Nein, keine Ahnung."
Er schaut sie zerknirscht an. „Würdest du nachsehen gehen? Bitte? Ich will nicht, dass etwas passiert."
Sie steht sofort auf. „Natürlich", sagt sie vergnügt, „Du kannst nicht an alles denken. Ich bin gleich wieder da, lauf mir nicht weg...!"
Sie verbeugt sich vor dem Doktor und verschwindet.

Beide Männer entspannen sich sichtlich und atmen erleichtert aus.
Junichiro lässt sich in die Polster der Couch sinken und schließt gelassen die Augen.

„Das haben Sie gut gemacht", meint der Doktor lobend.
Tanizaki grinst entschuldigend. „Sie ist manchmal ja ganz lieb, aber meistens übertreibt sie es wirklich. Dann wird es anstrengend."
Der Doktor nickt. „Es tut mir übrigens leid, wenn ich Ihrer Schwester ein unangenehmes Gesprächsthema fürs Abendessen geliefert habe, aber ich musste etwas sagen."
Der junge Mann seufzt. „Ich weiß. Schon gut. Es gab schlimmere Themen."
Hara schüttelt den Kopf. „Wie halten Sie das aus? Den ganzen Tag? Wenn sie Sie nicht einmal allein zu dieser Therapie gehen lässt...?"
Junichiro zuckt nur mit den Schultern. „Ich würde ja sagen, man gewöhnt sich dran...aber nein, das tut man nicht. Also keine Ahnung. Sie wollte auch definitiv nur mitkommen, weil sie Angst hatte, ich würde über andere Mädchen reden und nicht sie."
Der Doktor holt tief Luft. „Gibt es denn welche? Und inwiefern würde Ihre Schwester die akzeptieren?"
Junichiro schmunzelt unsicher. „Keine Ahnung", meint er mit dem selben eingefrorenen Lächeln wie Hara vorhin, „deshalb denke ich da gar nicht drüber nach. Das würde auf jeden Fall Stress geben."
Der Doktor lacht. „Eindeutig", meint er. Junichiro lacht ebenfalls bei dem Gedanken daran.
Dann wird er jedoch ruhig. „Sagen Sie", meint er vorsichtig, „Ist das wirklich schon so weit bei ihr? Dass man von... Inzest reden kann? Das wäre... krass. Ich rühre sie nicht an, ich schwöre, das Höchste der Gefühle ist wirklich, dass sie mit mir kuschelt, aber das tun doch normale Geschwister auch, richtig?"
Tokugawa Hara legt den Kopf schief. „Keine Sorge", meint er beschwichtigend, „Es ist noch nicht so schlimm. Aber Sie messen aufpassen. Ihre Schwester scheint sich gar nicht bewusst zu sein, was sie da tut oder wie krankhaft so etwas enden kann."
Der junge Mann nickt nachdenklich. Darauf hat er tatsächlich keine Lust.
„Wie würden Sie denn Ihre Beziehung zu Ihrer Schwester beschreiben?", fragt der Doktor.
Junichiro zögert keine Sekunde. „Sie ist meine Schwester. Natürlich mag ich sie. Sie kann echt anstrengend sein. Aber... wenn ihr etwas zustoßen würde, wäre ich am Boden zerstört. Ich versuche sie vor allem zu beschützen, das in meiner Hand liegt. Niemand wird ihr jemals ein Haar krümmen. Da kann ich richtig biestig werden." Er verschränkt die Arme vor der Brust. „Ist das normal?", fragt er verunsichert.
Der Doktor grinst. „Ja. Ich hab auch eine kleine Schwester. Und das ist völlig normal. Bei Ihnen mache ich mir da auch keine Sorgen."
Bei Ihrer Schwester schon, denkt er.
Aber er muss es nicht aussprechen, denn beide wissen es.

„Gibt es denn sonst etwas, worüber Sie gern mit mir reden würden? Macht die Arbeit Probleme? Gibt es unangenehme Kollegen? Erschwert Ihnen irgendetwas die Ermittlungen? Sie können es hier rauslassen, nichts wird jemals jemand anderem zu Ohren kommen."
Junichiro grinst. „Nein", sagt er freundlich, „Die Arbeit macht Spaß. Ich bin froh, dass ich etwas gefunden habe, bei dem ich meine Fähigkeit nutzen und anderen auch noch helfen kann. Das ist total mein Ding. Es gefällt mir sehr. Noch dazu kommt, dass ich dort Leute habe, die mir Naomi für eine Weile abnehmen. Es ist himmlisch."
Der Doktor lacht.
„Na wenn das so ist", sagt er.

„Juni-Bärchen", erklingt es plötzlich von draußen und die Tür geht auf. Naomi steckt ihren Kopf ins Zimmer. „Ich traue mich nicht allein nach Hause. Was, wenn es schon brennt?"
Junichiro seufzt und steht auf.
„Mein Held", quietscht Naomi.
„Danke für Ihre Zeit, Doktor, und Ihre Unterstützung. Ich glaube, ich bin nicht das letzte Mal hier gewesen, mit Ihnen kann man sich gut unterhalten."
Der Doktor schmunzelt. „Dann sage ich bis zum nächsten Mal."

Als beide weg sind, massiert sich der Doktor die Schläfen und denkt an seine eigene Schwester.
„Dinge, die ich nie machen will", murmelt er, „eine Paartherapie mit meiner Schwester."

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