Kapitel 36

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Migas p.o.v.

"Ruft die Polizei", murmelte Sumi, als sie nun aufstand und sich auf den Weg zum Flur machte, aus dem jetzt die schweren Schritte kamen. 

Sofort nahm ich mein Handy zur Hand und tippte aufgewühlt die Nummer des Notrufs ein. Ich vernahm das Klingeln am anderen Ende der Leitung, aber es meldete sich keiner. 

"Was willst du hier. Geh weg und lass uns endlich in Ruhe", hörte ich Sumi aus dem Flur, die wieder mächtig an Stimmgewalt gewonnen hatte. Sie klang gar nicht mehr wie die verweinte, junge Frau, die eben vor uns gesessen hatte.

Endlich meldete sich jemand an der anderen Seite, weshalb ich versuchte so viele Informationen wie möglich in der kürzesten Zeit herunterzuratten, wobei sich meine Stimme allerdings einige Male überschlug und die Frau an der anderen Seite Schwierigkeiten hatte überhaupt etwas aufzunehmen. 

Plötzlich vernahm ich einen Schrei aus dem Flur, was mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Dann war ein dumpfer Aufprall zu hören, der sowohl mir als auch Juhee die Panik noch mehr in die Glieder trieb. Juhee wirbelte plötzlich herum und wühlte in den Schubladen, als die Schritte wieder näher auf uns zukamen.

"Hallo? Hören Sie mich noch? Sie müssen mir bitte langsamer erzählen was passiert ist", sprach die Frau an der anderen Seite, aber ich war plötzlich wie gelähmt. Ich schaffte es nur noch die Adresse und meinen Namen zu nennen, bevor mich der Schreck über die Person, die nun vor unserer Küche stand, jegliche Fähigkeit nahm, etwas über meine Lippen zu bekommen.

"Leg das Handy weg", keifte er ruhig und lächelte danach, als er sah, wie ich seiner Aufforderung in Zeitlupe Folge leistete. Meine Glieder waren wie festgefroren und ich versuchte mich krampfhaft aus dieser Schockstarre zu befreien, um irgendetwas gegen diese Situation unternehmen zu können. 

Juhee tauchte in meinem Blickfeld auf und hielt ein Messer weit vor sich ausgestreckt, worüber Lee Jongdae nur erneut ein schwaches Lächeln hervorbringen konnte. Das Messer, dass seine Hand zierte war um ein wesentliches größer und hatte an dem dicken Metallgriff bereits etwas rotes kleben. Ich betete darum, dass das nicht Sumis Blut war.

"Leg das Messer weg, Schätzchen. Damit verletzt du dich nur", sprach er wie zu einem Kind mit Juhee, die sich allerdings nicht rührte und weiter ihren festen Blick auf ihn gerichtet hatte.

"Auch komm schon. Ich bin sowieso nicht wegen dir hier", fuhr er genervt fort und wandte sich dann lächelnd an mich.

"Sie werden sich umdrehen und wieder gehen, haben Sie verstanden?", sprach Juhee mit fester Stimme. Ich merkte nur an ihren leicht zitternden Händen, dass sie ganz und gar nicht so entspannt war, wie ihre Stimme es vermuten ließ.

Ein raues Lachen ertönte von der anderen Seite und er blickte uns beide neugierig an, als ob er auf etwas von uns warten würde.

"Du bist eine interessante neue Variable in diesem kleinen Spiel. Aber gut, dann kann ich euch eben beide wegmachen. Da habe ich auch nichts gegen", sprach er freudig und kam langsam auf uns zu.

"Bleiben Sie gefälligst wo Sie sind", bellte Juhee aus und zog mich mit ihr weiter zurück, um den Abstand zu wahren.

"Nanana, so spricht aber nicht mit seinem Trainer, Schätzchen", sagte er tadelnd und sah uns mit einem gespielt enttäuschtem Blick an.

"Ach, aber der Trainer darf seine Schützlinge mit Messern bedrohen?", fragte Juhee beißend.

"Ihr seid doch schlimmeres gewohnt, nicht wahr?", sprach er völlig sanft und lächelte uns dann freudig an. Seine Augen allerdings schienen wie tot zu sein. Dieser Mensch war krank und inzwischen hatte ich mich soweit aus meiner Starre lösen können, dass ich mir überlegt hatte, was ich am besten tun konnte. Ich wusste nicht, ob es so gut wäre in den Nahkampf überzugehen ohne mit ernsten Verlusten rechnen zu müssen, weshalb ich auf die Polizei baute. Dafür brauchten wir allerdings Zeit, die ich nun gedachte den Beamten irgendwie zu beschaffen.

"Wieso sind Sie hier? Was wollen Sie genau?", fragte ich in die kurze Stille hinein und schien damit nicht nur Lee Jongdae zu überraschen.

"Oh, das Täubchen kann auch noch sprechen", scherzte er lachend, bevor er fortfuhr: "Ich habe dir doch gesagt, dass du aussteigen sollst. Und da du dich geweigert hast, musst du nun eben mit den Konsequenzen leben. So einfach ist das"

"Aber warum? Was haben Sie davon, wenn ich nicht mehr antreten kann?", fragte ich auch in diesem Fall noch völlig ahnungslos. War ich einfach zu kurzsichtig, um das Ganze, was sich vor meinen Augen abspielte, nicht zu sehen?

"Ach, du bist noch immer so ahnungslos. Es stimmt wohl, dass Sportler nicht so schlau sind", lachte er mich aus und genoss seine Situation augenscheinlich richtig. Mein Handy vibrierte und ich versuchte einen Blick darauf zu werfen, bevor er es bemerkte. Allerdings musste ich notgedrungen fortfahren, bevor er den Braten roch und meine Ablenkung dahin war.

"Mag sein, aber da Sie uns doch so überlegen sind, können Sie uns doch auch erzählen wie die Verbindung zustande kommt", sagte ich und hoffte, dass es den gewünschten Effekt haben würde. Zum einen, dass seine gefühlte Überlegenheit ihn unaufmerksamer machte und zum anderen, dass er in seinem Erfolg baden wollte und uns die ganze Geschichte erzählen würde. Das würde uns hoffentlich weitere wertvolle Minuten schenken.

"Nun gut, vielleicht solltet ihr, bevor ihr das Zeitliche segnet, noch erleuchtet werden. Meine Identität hätte ihr zwar schon längst herausbekommen müssen, aber ich nehme es euch nicht krumm, dass ihr dafür einfach nicht die Hirnkapazitäten aufweist. Ich bin Lee Jongdae, der Vater von eurer so guten Freundin Lee Sumi", begann er zu erzählen und sobald diese Worte mich erreicht hatten, schoss ein Schwall an eigenartigen Dingen auf mich nieder. Wir hatten nie Sumis Familie kennengelernt und sie nur kurz auf einem Foto zu sehen bekommen. Sie hasste ihre Eltern, weil sie sie schon im Kindesalter psychisch völlig fertig gemacht hatten. Und wenn ich mir ihrern Vater gerade so vor mir stehen sah, dann konnte ich zum ersten Mal das wirklich Ausmaß des Ganzen begreifen.

"Meine Frau und ich wussten, dass sie nichts ohne unsere Hilfe schaffen würde, weshalb wir sie darauf bringen mussten sich beim Trainer einzuschleimen. Sie hat alles für ihn gemacht, damit sie endlich etwas Anerkennung von uns bekommen würde, allerdings hatte auch das nicht den gewünschten Effekt, weshalb wir das Ganze selbst in die Hand genommen haben. Ich dachte, dass dich die Geschehnisse genug traumatisiert haben, um schnell aufzugeben, aber da hatte ich mich eines besseren belehren lassen müssen", fuhr er grinsend fort. 

Juhee sah immer zwischen ihm und mir hin und her und schien selbst zu versuchen alles verstehen zu können. Aber es war einfach wirklich ein vollkommenes Chaos in Tüten, weshalb selbst ich mich, die einen Großteil der Dinge am eigenen Leib erfahren hatte, mich schwer damit tat es zu verstehen.

"Nun ja, meine Einschüchterungs- und Drohungsversuche hatten ihre Wirkung verfehlt, wodurch nur noch eine Möglichkeit blieb, Miga. Entweder parieren oder ausgelöscht werden. Du hättest vielleicht auf Sumis verzweifelten Versuche dich von hier fernzuhalten, hören sollen, dann wären du und deine liebe kleine Freundin jetzt nicht in einer solch prekären Sitution", beendete er schließlich seine Erklärung und lächelte uns beide noch immer überlegen an.

"Also kommen wir nun zum endgültig letzten Teil", fügte er an und schritt mit kraftvollen Schritten, die keinen Gedanken an Zweifeln seinerseits zuließen, auf uns zu. Juhee ergriff meine Hand und versuchte mich näher zu sich zu ziehen, damit wir ihm eine geringere Angriffsfläche boten.

"Sagt Lebe Wohl, Schätzchen", grinste er, als ein ohrenbetäubender Knall ihn stoppen lies und in mir die Hoffnung aufkeimen lies. Vielleicht war das ja unsere erhoffte Rettung.


I'm Fine - BTS FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt