Kapitel 6

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Migas p.o.v.

Ich war unfassbar froh wieder in ihrer Mitte zu verweilen. Jede Minute brachte immer mehr Freude in mein Herz, dass sich zuvor so schwer angefühlt hatte. Diese sieben jungen Männer schafften es immer wieder aufs Neue nicht nur mich, sondern auch alle anderen Fans zu begeistern. In der Zeit, in der ich Jungkook aufgrund der Tour nicht in meiner Nähe haben konnte, hatte ich mir unzählige Videos von ihnen angeguckt und ihre Musik rauf und runter gehört. Sie gaben mir alle ein Gefühl von Heimat. Ein Zuhause, in dem nichts passieren konnte und ich sicher vor allem und jedem war.

"Ihr seid schon echt nette Freunde, wisst ihr das?", meinte Jimin sarkastisch und grinste die anderen blöd an.

Sie waren gute Freunde. Sehr gute Freunde. Doch der Gedanke an meine Freunde riss mich augenblicklich wieder aus dem Moment heraus und lies mir wieder Hwang Jihos Worte durch den Kopf wandern.

"Man sollte immer die Augen offen halten, wenn man sich seine Freunde aussucht. Denn wenn man das nicht tut, dann kann es schnell mal passieren, dass sie einen hinterrücks niederschlagen für ihre eigenen Bedürfnisse"

Ich konnte noch immer nicht daran denken, wen er damit meinen konnte. Es musste an mich gerichtet sein. Jede andere Möglichkeit hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt nun ausgeschlossen. Aber wen meinte er damit. Sumi? Juhee? Die Jungs? Oder jemand anderes aus dem Schwimmteam? 

Meine Gedanken daran hatten mich in den letzten Tagen schon kein Stück weitergebracht. Vermutlich würde es mich auch in der Zukunft nicht weiterbringen, wenn ich mich von diesen Gedanken treiben lies. Entweder ich musste sie versuchen zu vergessen oder ich musste die Wahrheit dahinter herausfinden, um sie vergessen zu können. 

"Miga?", stupste mich plötzlich jemand zärtlich von der Seite an. Ich sah ihn an und entdeckte sofort die Augen, die mein Herz jederzeit höher schlagen ließen. Seine sanften Gesichtszüge waren etwas von Sorge und Verwirrung umhüllt, weshalb ich sofort beschwichtigend lächelte und nach seiner Hand griff und diese mit meiner umschloss. Er sah mich lächelnd an, schien aber noch einen Hauch von der Sorge in sich zu tragen, die ich ihm auch mit diesen Gesten nicht nehmen konnte.

Dennoch beteiligten wir uns weiter an dem Gespräch in dem die Jungs voll sich in ihren Erinnerugen sulten und mir dabei einige Geschichten auftischten, die ich beinahe nicht glauben konnte. Während der gesamten Zeit hatten Jungkook und jeweils eine Hand in der des anderen ruhen lassen, was nicht nur ein Gefühl von Heimat in mir auslöste, sondern auch meine immer weiter steigenden Gefühle von Sehnsucht etwas dämpfen konnten. Ich war nun endlich hier und würde auch nicht sofort wieder gehen müssen. Ich könnte mir heute Abend ihr Konzert anhören und konnte die Zeit mit ihnen gemeinsam verbringen.

"Weißt du noch wie Jin beim Konzert in London bei Louder than Bombs ein Voice Crack hatte und wir alle uns so darauf konzentrieren mussten, dass wir nicht lachen, weil es die Stimmung des Liedes zerstörrt hätte?", vernahm ich Hoseoks Stimme, die lachend die nächste Anekdote der Tour hervorkramte. Und natürlich stiegen die anderen gleich darauf an.

"Ja, ich hab versucht nicht daran zu denken, aber es klang schon wirklich witzig", stimmte ihm mein Jungkook grinsend zu. Er hatte das schönste Lachen überhaupt, was jedes Mal, ob ich es wollte oder nicht, meine Mundwinkel nach oben zog. Seine gute Laune war einfach ansteckend, weshalb ich auch nun wieder lächelte, während Jin sich lauthals beschwerte:

"Hey, das ist nicht witzig. Ihr wisst das ich krank war"

"Ja, krank vom ganzen schlafen", stimmte ihm Yoongi lachend zu, was ihm allerdings sofort eine Retourkutsche von Jin einbrachte:

"Das kannst du mit deinem Durschnittsschlafanteil gar nicht beurteilen"

Die Stimmung war schon wirklich gut und ich genoss es vollends. Schließlich wurden wir in einen anderen Aufenthaltsraum gebracht, in dem bereits ein Buffet an der Seite aufgebaut war, auf das sich einige ohne Nachzudenken stürzten.

"Hast du Hunger?", erklang Jungkooks Stimme neben mir und er sah mich aus noch immer etwas müde aussehenden Augen an.

"Etwas und du?", meinte ich, was jedoch nur ein verschmitztes Grinsen bei ihm hervorzauberte. Natürlich hatte er Hunger. Er hatte viel zu viele Muskeln, die Energie verbrannten, als das er nicht hungrig sein könnte. Bei mir sah das inzwischen etwas anders aus. Ich hatte lediglich für mich allein weiter Sport betrieben, allerdings längst nicht in dem Ausmaß wie zuvor. Ich hatte mehrere Kilos an Muskelmasse vermutlich verloren.

 "Komm, lass uns etwas zu essen holen", meinte ich daher nur und zog ihn an seiner Hand zum Buffet, damit er sich nicht dazu angehalten fühlte nichts zu essen, weil ich noch keinen Hunger hatte.

Wir nahmen uns beide einen Teller und füllten uns etwas auf. Er etwas mehr und ich etwas weniger. Dann begaben wir uns zu einem Tisch, an dem bereits die anderen saßen und sich über ihre Errungenschaften vom Buffet hermachten.

"Ihr müsst nachher in den Soundcheck, richtig?", fragte ich, nachdem ich meinen Teller leergegessen hatte und in die Runde sah.

"Ja, du kannst aber gerne mitkommen und es dir angucken, aber vermutlich nicht aus dem Zuschauerbereich. Da dann schon Fans da sein werden, müssen wir gucken aus welcher Perspektive das möglich ist", erklärte Tae und lächelte mich an. Ich nickte nur als Antwort, bevor sie sich weiter ihrem Essen widmeten und ich verträumt an die Wand sah. Meine Emotionen und Gedanken waren verwirrend und ich versuchte diesen Moment zu nutzen, um etwas Ordnung in sie zu bekommen.

"Miga?", wurde mein Name gerufen und sofort sah ich mich nach der Person um, die es gewesen war. Mein großer Bruder sah mich keck lächelnd an, bevor er fortfuhr.

"Kann ich dich kurz sprechen?", fragte er, weshalb wir aufstanden und gemeinsam in einen anderen Raum gingen. Kaum waren wir dort angelangt, zog er mich in eine feste Umarmung und drehte uns dabei leicht. Ich schmunzelte und genoss es einfach mal wieder bei meinem großen Bruder zu sein. Meine Familie und vor allem mein großer Bruder waren mir immer wichtig gewesen und deshalb war es schön diesen Moment mal nur mit ihm allein zu haben.

"Wie geht es dir?", fragte er und ich sah ihn lange an, bevor ich leise murmelte:

"Es geht, aber es wird mir nicht besser gehen, dadurch das ihr ständig fragt"

Ich sah ihn an und merkte, dass das viel zu schroff war, als es eigentlich mal angedacht war. Ich wusste, dass er sich Sorgen machte, dass meine Eltern sich Sorgen machten, dass Jungkook sich Sorgen machte und alle anderen, denen ich etwas bedeutete, aber ich fühlte mich so komisch, dass ich keine Antwort geben konnte, die nicht besorgniserregend war und dabei doch all den Schmerz, die Verwirrung und die Angst beinhaltete, die ich so tief in mir vergraben hatte.

"Tut mir leid. Ich bin froh, dass ich jetzt hier sein kann", antwortete ich deshalb schnell und sah ihm dabei in die Augen, auch wenn mein Schamgefühl mich dazu zwingen wollte es nicht zu tun.

"Ich weiß, es ist alles gut. Es ist im Moment alles etwas viel, aber ich wollte dir nur sagen, dass ich für dich da bin. Es tut mir so leid, dass ich bisher nicht in dem Ausmaß sein konnte, wie ich es gewollt hatte, aber wir alle sind für dich da", meinte er und zog mich danach wieder in eine Umarmung.

"Danke. Ich bin auch für dich da und will bei allen Verhandlungstagen in deinem Fall da sein", entgegnete ich, worüber ich in den vergangenen Tagen gegrübelt hatte. Es hatte neben meinem Verfahren ebenfalls eines gegeben, dass sich um die Verleumdung und die Rufschädigung von Taehyung und BTS drehte. Einige Verhandlungstage davon hatten bereits stattgefunden, aber ich hatte mich bisher noch nicht dazu durchringen können dorthin zu gehen, obwohl mich meine Schuld daran noch immer nicht losließ. Daher würde ich von nun an zu den letzten Verhandlungstagen vor der Urteilsverkündung gehen. Das hieß, dass ich an diesen Tagen ebenfalls Hwang Jiho wiedersehen würde und der Gedanke daran jagte mir noch immer etwas Angst ein. Aber ich hatte noch so viele Fragen, die unbeantwortet geblieben waren, die mich noch immer beschäftigten. Ebenso wie seine finale Aussage nach meinem Prozess.

I'm Fine - BTS FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt