|Chapter 14|

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Jemand räusperte sich. Mary sah mit der gleichen Wut hinter mich, die sie mir zuvor entgegengebracht hatte und schien die Person zu kennen. Seraphina und das Mädchen drehten ihre Köpfe ebenfalls zu der Person. Während die Kälte auf meiner Schulter verschwand und mit ihr die Hitze, die sich zurück in mein Inneres zog, so wusste ich in meinem Kopf bereits, wer dort stehen würde. Und dessen heißer Blick brannte sich in meinen Rücken, wie das Feuer in mir brodelte.

Für einen Moment herrschte Totenstille in dem Gang, einzig das Atmen der Beteiligten hörte ich, bevor auch ich meinen Kopf drehte und meinen Blick direkt in die grauen Augen Raphaels' traf. Der Silberschein in diesen war heller als üblich, womöglich, weil das Licht von draußen genau im richtigen Winkel auf sein Gesicht traf. Ein zurückhaltendes Lächeln lag auf seinen Lippen, doch was seine Augen wiederspiegelten war ein Glitzern, welches Anerkennung zeigte.

,,Diese Seite kannte ich von dir noch gar nicht.", sagte er und sein Lächeln formte sich zu einem Grinsen, welches sein ganzes Gesicht aufzuhellen schien. ,,Kein Wunder, wenn man verschwindet und auftaucht, als gehöre einem die Welt." Ein sarkastischer Unterton schmückte meine Worte und ebenso war das Lächeln, welches ich ihm zeigte.

,,Das hört sich ja beinahe so an, als würde dir etwas an mir liegen, Teufelchen." Da war es wieder, der Spitzname. Ich konnte seine Worte nicht leugnen. Mir lag etwas an ihm.

Ich mochten seine Gegenwart und ich mochte unsere Gespräche mehr als mir lieb war. Ich mochte die Rätsel in denen er sprach und mir gefiel der seltsame Akzent. Doch auch Seraphinas Worte und die Warnung hallten in meinem Kopf wieder und erinnerten mich wie Nadelstiche in meiner Haut daran, dass ich nicht von ihm wusste.

Vertraue ihm nicht.

Egal ob er damit gemeint war oder nicht, es fiel mir schwer ihm nicht einfach zu vertrauen. ,,Steh auf, Mary. Du hast mit Sicherheit schon schlimmeres erlebt." Verwirrt zog ich meine Augenbrauen zusammen und sah zwischen Mary und Raphael hin und her. Seine Stimme und Wortwahl zeigte, dass er etwas wusste. Sie schnaubte und stand auf. Ihren Blick auf Raphael fixierend stolzierte sie mit einer Hand unter ihrer Nase, die das Rinnsal an Blut aufhielt, an diesem vorbei und flüsterte diesem etwas zu, woraufhin sein Grinsen nur noch breiter zu werden schien. Schlimmeres?

,,Geh nach Hause.", sagte Seraphina zu dem Mädchen neben ihr, was diese ohne ein weiteres Wort auch tat. Vorher sah sie mich für einen kurzen Augenblick mit großen Augen zwischen ihren durcheinandergeratenen Haaren an, die mir mehr sagten, als es ihre Worte könnten. Sie war Dankbar.

Ich stand in dem Moment auf, als es schellte. Schüler traten von draußen in das Gebäude und bahnten sich wie Ameisen ihren Weg durch die Gänge zu ihren Räumen. Der Geräuschpegel wurde zunehmend lauter. Zwischen den Schülern hindurch blieb mein Blick weiterhin auf Raphael haften, der nun wieder zu mir sah.

Er lehnte an einem Spind und hatte die Arme locker vor der breiten Brust gekreuzt. Das Hemd, welches er trug spannte sich bei dieser Bewegung. Etwas in meiner Brust regte sich, aber in keinem Fall wusste ich ob es negativ oder positiv war. Jeder Atemzug schien aufgeladen in der Luft zu hängen. Als könne er meine Gedanken lesen, lächelte er.

Der Kaffee war ein ganzes Stück abgekühlt, als Seraphina und ich uns wieder auf unsere Plätze fallen ließen. Lauwarm und der letzte Schluck schmeckte leicht bitter. Schneeflocken flogen gegen die Fensterscheiben und schmolzen. In kleinen Rinnsalen flossen die Tropfen herunter, bündelten sich mit anderen Rinnsalen.

Ich stützte meinen Kopf auf meine Hand, während ich die Wege der kleinen Schneeflocken beobachtete. ,,Nyx! Rick geht es gut, er hat mir gerade geschrieben!" Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie sich ihre ganze Laune hob. Der Kopf gehoben und die Augen glänzend. Rick bedeutete ihr alles und in diesem Moment begann ich zu realisieren, was 'alles' war.

Mit lauten Schritten betrat der Lehrer den Raum und brachte ausnahmslos jeden Schüler mit dem Scheppern seiner Tasche auf dem Pult zum Schweigen. Der Lehrer sah wütend aus, zumindest konnte man sich das denken, wenn man sein Gesicht sah. Seine Augen sahen jeden Schüler an, bevor er seine Tasche öffnete. ,,Eine.", sagte er, zu meiner Überraschung in einer normalen Lautstärke. ,,Eine Eins. Zwei Zweien. Und eine Drei."

Schüler blickten sich gegenseitig an, grinsten oder sogen zischend die Luft ein. Wer hatte die besten Noten und wer nicht. Ich zog einen Mundwinkel nach oben und verdrehte meine Augen. Das Schülerdasein konnte schon amüsant sein.

,,Seraphina Moore und Nyx Cunningham." Erwartungsvoll sahen wir den Lehrer an, der auf uns zukam und uns die Klausur auf den Tisch legte. Nach einem Blick auf die Klausur sahen Seraphina und ich uns an- und lachten.

Die restlichen Stunden vergingen vergleichsweise schnell. Unterricht, Pause, zum Spint gehen und die Bücher wechseln und wieder zum Unterricht. Während der letzten beiden Stunden rissen die Wolken auf und ließen strahlenden Sonnenschein auf den Boden. Es fühlte sich so an, als würden für einen Moment alle Sorgen und Gedanken verschwinden.

Ich lief durch den knarzenden Schnee und setzte mich auf einen freien Platz im Bus. Trotz des Geräuschpegels sah ich ruhig dabei zu, wie die Landschaft an mir vorbeizog und die Sonne die schneebedeckten Felder frostig glänzen ließ.

Ich dachte kurz an Raphael, als der Bus an einer Kreuzung abbog und mir die Sonne direkt in die Augen schien. Die nächste Zeit könnte wirklich sehr interessant werden. Wo er wohl gewesen war?

Als ich ausstieg, lief ich von der warmen Sonne angestrahlt und gewärmt den Anstieg hinauf. Es dauerte keine zehn Minuten, bis die dichten Nadeln der Tannen die Sonne abschirmten und ich leicht fröstelte, bis ich die Tür erreichte und aufschloss. Den Schlüssel legte ich auf die Kommode, bevor ich meine Jacke auszog und meine Schuhe abstreifte.

Mein Blick glitt währenddessen auf den Kalender über der Kommode. ,,Shit." Wie in alles um der Welt konnte ich vergessen, dass in nicht einmal einer Woche Weihnachten war? Erneut zog ich meine Jacke an, nahm den Schlüssel des Hauses und zusätzlich den meines Autos und zog meine Schuhe wieder an.

Der tiefrote Lack des Urus glänzte durch das Sonnenlicht, welches durch die schmalen Fenster hereinfiel und ließ den dunklen, angerauten Betonboden wie flüssigen Rauch schimmern, als ich in mein Auto einstieg. Bevor ich losfuhr griff ich in dem Handschuhfach nach einem Zettel und Stift und schrieb die Namen der Personen auf, für die ich Geschenke organisieren musste. Eltern, etwas Persönliches, was ihnen hoffentlich gefallen würde. Seraphina, sie hatte schon lange von einer Fotolampe gesprochen. Rick, er hatte mal von einem Football erzählt, der ihn interessiert hatte. Ich startete das Auto und genoss die Fahrt ins Zentrum, bei der die Musik mir Ruhe gab.

,,Also Übermorgen um 15.30 Uhr. Vielen Dank." Mit einem Lächeln auf den Lippen verließ ich den Fotoladen und trug eine große Tasche in der einen Hand. Ich hatte alles geschafft. Die Geschenke für Rick und meine Eltern waren in der Tasche und die Fotolampe für Seraphina würde ich übermorgen abholen können.

Familien, Paare, Freunde. Alle schienen durch die Sonne auf einmal glücklicher zu werden. Strahlende Gesichter, Lachen und Späße. Mein Blick blieb auf einem Mädchen haften, die ein paar Meter vor mir die Verkäuferin fragte, was sie einem Freund schenken könne.

Ich hatte eine Person vergessen. Mein Blick glitt durch die Einkaufsmeile, verhältnismäßig groß für ein Dorf und blieb an einem Schmuckladen hängen. Das könnte funktionieren.

Etwa zwanzig Minuten später bei meinem Auto war ich zufrieden mit mir. Ich verstaute die Einkäufe gerade im Kofferraum, als ich spürte und sah, wie die Adern in meinen Händen zu glühen begannen. Leise pulsierend und sich immer weiter in meinen Armen ausbreitend spürte ich zudem einen Blick auf mir.

Bitte nicht jetzt und bitte nicht hier. Ein Schauer nach dem anderen jagte über meinen Rücken und ich traute mich kaum, mich umzudrehen. Was ist, wenn mich eine fremde Person so sieht? Oder noch schlimmer, jemanden den ich kenne?

Ich hörte Schritte hinter mir und spürte noch immer den Blick. Diesmal vertrauter und dennoch lag eine Distanz in der Luft, die ich nicht beschreiben konnte. Ich zog die Ärmel meiner Jacke zitternd über meine Hände und drehte mich schwungvoll um.

,,Du."

Devilish SaintsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt