,,Eine Runde noch!", rief Coach Gabriel durch die Sporthalle. Genervtes Stöhnen war die Antwort der Schüler darauf und auch ich ließ meine Schultern sinken. Die Halle war trotz der Eiseskälte draußen stickig und eigentlich hatte ich keine Lust mehr. Trotzdem rannte ich die letzten Meter der neunten Runde weiter und lief wieder zum Anfang. Die letzte Nacht hatte mich sämtliche Nerven gekostet und jetzt musste ich zehn Runden von diesen Sportparcours mitmachen, obwohl ich mich lieber schlafen legen würde.
Es herrschte Stille, alles um mich herum war pechschwarz. Ich konnte weder mich selbst, noch irgendetwas anderes um mich herum ausmachen, also wartete ich. Konzentriert hatte ich so leise wie nur möglich geatmet um jedes kleinste Geräusch ausmachen zu können. Aus der Ferne erklangen schließlich Kampfgeräusche, die immer näher zu kommen schienen. Schreie hallten wie ein Echo aus der Ferne zu mir und ich konnte mir leicht vorstellen, welche Schmerzen diese Schreie bargen. Ein kalter Schauer jagte meinen Rücken hinunter. Ich erinnerte mich nicht, geblinzelt zu haben, doch plötzlich stand ich selber inmitten des Schlachtfeldes.
Schwerter klirrten, wenn sie aufeinanderschlugen. Schreie erklangen von verschiedenen Personen, wenn sie ihre Geliebten tot auf dem staubigen Boden auffanden. Und ich spürte jede einzelne Träne, die auf den Boden fiel wie einen Nadelstich in meinem Brustkorb. Ich konnte mich nicht bewegen und musste mit ansehen, wie sie sich gegenseitig abschlachteten, ohne Reue und ohne jegliches Mitgefühl.
Mit einem Satz sprang ich auf die umgedrehte Bank und balancierte hinüber. An sich keine allzu fordernde Aufgabe. Mit den neun Runden, die ich allerdings schon hinter mir hatte, schon. Die Muskeln in meinen Beinen zitterten und so musste ich mit meinen Armen irgendwie Balance halten, bis ich am Ende der Bank hinuntersprang. ,,Olivia, zurück zum Anfang.", rief Coach Gabriel durch die Halle und Olivia hinter mir seufzte genervt und drehte wieder um.
Das nächste Hindernis waren Kästen. Ich sprang auf den einen, um dann auf den nächsten zu springen, der etwas versetzt worden war. So ging das vier Mal, bis ich etwas Kraft zusammennahm und auf das Sprungbrett sprang, was dazu führte, dass ich über den dahinterstehenden Rechteckigen Kasten setzte. Etwas ungelenk landete ich schließlich auf der weichen Matte dahinter. ,,Seraphina, noch einmal von vorne." Mein Blick glitt zu Seraphina, die ihre Augen verdrehte und von einem der Kästen stieg, um wieder zum Anfang zu laufen.
Von der Matte runter stellte ich mich in die Startposition des Sprint-Startblocks. Es kostete mich einiges an Kraft loszulaufen und über die drei Hindernisse zu springen, die in etwa der gleichen Entfernung zueinander standen und die Hälfte der Hallenseite einnahmen. Ich keuchte schwer, als ich etwas langsamer wurde und der Coach mir einen Fußball zupasste. Coach Gabriel zeigte heute wirklich eine dunkle Seite von sich. Unwillkürlich fragte ich mich, ob ich auch so angestrengt wäre, würde sich die Hitze in meinem Körper ausbreiten, verwarf diesen Gedanken jedoch schnellstmöglich. Es reicht, dass ich mich wie ein Freak fühlte.
Strähnen von meinen Haaren, die sich aus meinem Zopf gelöst hatten, klebten an meiner schweißnassen Stirn und kitzelten mich, während ich den Ball zwischen kleinen, orangefarbenen Hütchen hindurchdribbelte und in das Tor kurz dahinter beförderte. ,,Matthias, zurück zum Anfang." Angesprochener hatte versehentlich eines der Hütchen getroffen. ,,Das kann doch echt nicht wahr sein."
Ich drehte mich um und rannte die Strecke an der Wand entlang zurück. Mein ganzer Körper fühlte sich angespannt und durch das Training aufgeheizt an. Schuhe quietschten auf dem Boden. Mein Atem kam stoßweise und je tiefer ich einatmete um Luft zu holen, desto weniger Luft konnte mein Körper verarbeiten, sondern ich atmete die gleiche Luft sofort wieder aus. Mein Mund fühlte sich trocken an. Ich nahm weiter an Tempo auf und rannte weiter, bis ich plötzlich einen Schritt zu kurz nahm. ,,Scheiße", fluchte ich leise und versuchte mich wieder aufzurichten. Dem Boden gefährlich nahe zog ich mein anderes Bein an und schaffte es so, mich gerade so wieder aufzurichten. Die letzten Meter rannte ich wie mechanisch betrieben weiter und blieb dann vor Coach Gabriel stehen.
,,Gut gemacht, Nyx.", lobte er mich. Ich nickte keuchend und mit den Armen auf meine Knie gestützt. ,,Danke." Schweiß rann weiter meine Stirn hinunter. ,,Hey Nyx!" Ich sah auf, als einer der Jungs mir meine Wasserflasche zuwarf und anschließend neben mir zum Stehen kam. ,,Danke." Das kalte Nass war für meinen Hals wie Honig. In Mengen floss immer mehr davon durch meinen Hals, bis ich wieder Luft holen musste.
Ich hängte meine Sporttasche in meinen Spind und nahm dafür das Religionsbuch heraus, bevor ich den Spind wieder abschloss. Seraphina neben mir bürstete ihre schwarzen, schulterlangen Haare, die in unter den Lampen des Ganges wie flüssiges Obsidian schimmerten. Nachdem uns Coach Gabriel entlassen hatte, sind ausnahmslos alle Schüler duschen gegangen. Und da Seraphina und ich uns keine Mühe gemacht hatten, so schnell wie möglich an einer der drei Einzelduschen zu kommen, waren wir die Letzten und standen jetzt in einem leeren Schulflur.
Meine langen Haare hatte ich mir, nachdem ich sie mit dem Handtuch halbwegs trocken bekommen hatte, zu einem lockeren Dutt gebunden. Mir war es in dem Moment einfach zu lästig gewesen, mir meine Haare zu kämmen ,,Ich hasse es.", sagte Seraphina mit einem Blick in den Spiegel in ihrer Spindtür. Durch den Spiegel hindurch sah sie mich an. ,,Und dich hasse ich manchmal auch."
Ich zog schmunzelnd eine Augenbraue hoch. ,,Bist nicht die Einzige." Seraphina grummelte und schmiss ihre Bürste achtlos in den Spind. ,,Wieso sehen seine Haare wie ein perfekt gestylter Messy-Bun aus und ich muss mich abmühen, meine in den Griff zu kriegen?" Gerade wollte ich etwas erwidern, als das eine Person hinter mir übernahm.
,,Die einen können es, die anderen eben nicht." Der starke Akzent und die tiefe Stimme reichte für mich, um zu wissen wer es war und um mir ungewollt ein Lächeln zu verkneifen. ,,Du hast mir gerade noch gefehlt.", giftete Seraphina Raphael an und schlug den Spind zu. Ich drehte mich leicht zur Seite. ,,Raphael." Warnend sah ich ihn an. Wieso mussten die Beiden jedes Mal so etwas anzetteln? Er seufzte und verdrehte die Augen. ,,Entschuldigung, Seraphina. War nicht so gemeint."
,,Schön für dich." Ich schlug mir die flache Hand gegen die Stirn. ,,Ich bin wirklich im Kindergarten gelandet." Raphael lachte leise auf. ,,Komm jetzt Seraphina. Wir sind so oder so schon zu spät und du mit Sicherheit auch, Raphael." Mit diesen Worten Zog ich Seraphina mit mir und ließ Raphael ohne ein weiteres Wort stehen. ,,Man sieht sich, Teufelchen."
Ich verbat es mir, mich zu Raphael umzudrehen und Seraphina neben mir anzusehen, sondern lief einfach weiter, bis wir an der geschlossenen Tür ankamen und ich klopfte. Eine Bemerkung zu ihr konnte ich mir aber dennoch nicht verkneifen. ,,Ich dachte es heißt, dass der Klügere nachgibt?"
Wir hörten Schritte und Seraphina sah mich aus dem Augenwinkel an. ,,Und irgendwann regieren nur noch die Dummen die Welt." Ich lächelte, als die Tür geöffnet wurde. ,,Setzt euch auf eure Plätze.", sagte Mr. Uriel schlicht und schloss hinter uns erneut die Tür. Wir setzten uns und packten unsere Sachen aus.
,,Heute möchte ich eine offene Diskussionsrunde in dieser Klasse haben." Ausnahmsweise gab es keinen, der sich beschwerte. Mr. Uriel nahm sich ein Stück Kreide und schrieb etwas an die Tafel. Das Wort 'Engel' brachte die Klasse zum Tuscheln. Doch nur einer traute sich, unter dem strengen Blick von Mr. Uriel, etwas zu sagen. Ich sah zu ihm. Es war Nikolas, einer der sehr sturen, jedoch klugen Schachspieler. ,,Worüber sollen wir da bitte diskutieren? Die Heiligen sind die Heiligen und die Verstoßenen bleiben die Verstoßenen."
Mehrere stimmten dem Blonden zu, andere blieben still. ,,Der glaubt auch das Feuer eigentlich Regen ist, wenn ihm jemand das einredet.", murmelte ich und wandte meinen Blick wieder nach vorne. Jedoch hatte ich nicht bemerkt, wie Mr. Uriel durch die Reihen gelaufen war und zu meinem Pech nun neben mir stand.
,,Das ist eine sehr interessante Meinung über deinen Mitschüler, Nyx. Möchtest du vielleicht seine Meinung infrage stellen?" Die anderen Schüler waren still und warteten auf meine Antwort. Nur mit einem Biss auf die Innenseite meiner Wange konnte ich mir eine giftige Bemerkung verkneifen und blickte stattdessen dem Lehrer mit den silbergrauen Augendirekt an. ,,Ja, das möchte ich. Wenn schließlich der Klügere immer nachgibt-",setzte ich an und zwinkerte Seraphina zu. ,,-dann würden am Ende nur die Dummen die Welt regieren."
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Devilish Saints
FantasyNyx Cunningham ist seit ihrer Geburt in Gefahr. Doch sie ahnt es nicht, bis die Gefahr nach 17 Jahren gleich in zweifacher Form vor ihr steht. All Rights reserved to me ©