Die Ladenglocke kündigte mich an, als ich das Season's betrat. Hinter mir fiel die Tür wieder ins Schloss und ich warf einen Blick durch den Laden. Obwohl es Vormittag war, war er gut besucht. Pärchen aus der Schule, Erwachsene verschiedener Altersgruppen und weitere saßen verteilt an den Tischen.
Nach den ersten Unterrichtsstunden hielt ich es nicht mehr in der Schule aus. Während Seraphina und die anderen in die Cafeteria gingen, verließ ich das Schulgelände, um hierher zu kommen. Ich erwartete zwar nicht, Raphael in der Schule zu begegnen, blieb jedoch lieber auf der sicheren Seite. Und zum anderen fühlte sich mein Hals noch immer wie eine Wüste an. Ich entdeckte Michael, der zwischen den Tischen konzentriert hin und her lief und die Kunden bediente.
Ich fragte mich unwillkürlich, wie viel er wusste. Wie Raphael und Luzifer auch, so musste auch er aus einem bestimmten Grund hier sein. Schließlich taucht man nicht plötzlich in einem kleinen Dorf mitten im Nirgendwo ohne Grund auf. Auch er war in diese Geschichte verwickelt, da war ich mir sicher. „Guten Morgen, Nyx!" Maylin wank mich zu sich an die Bar, wo sie Gläser wusch und abtrocknete.
An Kunden vorbei schlängelte ich mich zu der Bar und setzte mich auf einen freien Hocker. „Guten Morgen, Maylin.", erwiderte ich. Meine Stimme war noch immer etwas kratzig in meinem Hals und ich räusperte mich. „Würdest du mir einen Drachenfruchttee mit einem Schuss Zitrone machen?" Etwas Überrascht nickte sie und stellte das Glas, welches sie abtrocknete zur Seite.
„Du hörst dich etwas krank an, Liebes.", sagte sie laut genug, dass ich es über die Gespräche in dem Café hinweg hören konnte. Ich wank ab. Weißt du, Maylin, ich habe mir nur all' den Schmerz und meine Wut aus dem Leib geschrien, weil ich von einem Balkon etwa tausend Kilometer über der Erde heruntergestoßen wurde. „Die Nacht war etwas unruhig.", sagte ich und schloss dankend meine Hände um die heiße Tasse, die Maylin mir gab.
„Ist das der Grund, weshalb du die letzten beiden Stunden Unterricht schwänzt?" Ich ließ resigniert meinen Kopf sinken, als sich jemand neben mich setzte. „Ja, Michael." Langsam hob ich meinen Kopf wieder und sah den Erzengel neben mir an. Seine silbernen Augen musterten mich kritisch. „Man könnte beinahe sagen, dass mich der Teufel in meinen Träumen besucht hat."
Ich beobachtete genau, wie der Muskel an seinem Kiefer kurz zuckte während ich lächelte, als hätte ich einen Witz gerissen. Maylin hob lächelnd eine Augenbraue und wandte sich an einen Kunden, der sich am anderen Ende der Bar bemerkbar machte. Kurz, nicht länger als für den Bruchteil einer Sekunde entblößte ich Michael die Blutergüsse an meinen Handgelenken, die von den Ketten kamen.
Er sah erschrocken von diesen hoch in mein Gesicht. Das warme Licht der Lampen an der Decke spiegelte sich in dem Silber seiner Augen. Er öffnete seinen Mund um etwas zu sagen, doch ich kam ihm zuvor. „Ich habe nur eine Frage, Michael. Auf welcher Seite stehst du?"
Ich nahm einen Schluck aus der Tasse und wandte meinen Blick nicht von ihm ab. Der Tee floss in meinen Hals und das kratzende Gefühl verschwand, zumindest für den Moment. „Auf deiner, Nyx." Er schien betroffen, dass ich ihn derart infrage stellte. Ich fühlte mich jedoch in keinem Fall schlecht. Jedes Recht der Welt hatte ich, ihm gegenüber misstrauisch zu sein.
Sein Akzent trat bei seinen nächsten Worten stärker hervor, als er sich leicht nach vorne beugte. „Ich bin nicht dein Feind." Unverwandt sah ich ihn an. „Mit deinem plötzlichen Auftauchen hier hast du allerdings auch nicht dazu beigetragen, dass ich dich als Verbündeten ansehe.", erwiderte ich.
„Was ist mit Coach Gabriel und Mr. Uriel?", fragte ich nach kurzer Stille, als ich mich wieder zurücklehnte. Michael lehnte sich ebenfalls zurück und zog die Augenbrauen zusammen. „Keiner von uns möchte dir etwas Böses, Nyx." Etwas lauter als nötig stellte ich die Tasse in meiner Hand auf die Theke. Besaß er wirklich die Dreistigkeit, das zu sagen?
„Nun, Raphael hat mich entführt und in einen Kerker gekettet, nicht zu vergessen, dass er mich tausend Meter von einem Balkon gestoßen hat. Ich habe Kräfte in mir, die ich weder einschätzen, noch richtig kontrollieren kann und Flügel, die so schnell da waren, wie sie verschwunden sind.", zischte ich eindringlich und machte eine kurze Atempause. „Also erzähl mir nicht, dass mir keiner etwas Böses will."
Michael wich zurück. Mein kleiner Wutausbruch hatte die Gespräche um uns herum nicht beeinträchtigt, weiterhin wurde munter gesprochen und Kaffee getrunken. Ich atmete durch die Nase aus und drehte mich zur Bar. Die Hitze, die sich unbemerkt in mir ausgebreitet hatte verschwand nun langsam wieder. Mein Handy klingelte in meiner Hosentasche und ich nahm den Anruf an.
„Cunningham." Kurz herrschte Stille am anderen Ende der Leitung. „Moore. Und wie ich höre, bist du gerade im Season's." Seraphina klang alles andere als begeistert. Im Augenwinkel sah ich, wie Michael aufstand um weitere Kunden zu bedienen. „Gleich nicht mehr. Ich bin müde." Es war nicht fair von mir, meinen Frust an Seraphina auszulassen. „Hör zu, Nyx. Ich muss noch immer mit dir reden und ich hoffe für dich, dass der Ersatzschlüssel noch immer da liegt, wo ich weiß, dass er lag."
Dieses Mädchen würde eines Tages dafür sorgen, dass ich untergehe. Da war ich mir ziemlich sicher. Und das schlimmste an der Sache war, dass es mir nichts ausmachte. Seraphina legte auf, noch bevor ich etwas sagen konnte. Also steckte ich mein Handy wieder weg und trank den Tee in wenigen Zügen aus, bezahlte und verließ das Season's. Auf meinem Rücken spürte ich den Blick von Michael, drehte mich nicht um.
Ich stieg in den Urus und fädelte das Auto in den dichten Verkehr. Die Häuser und Menschen zogen an mir vorbei und obwohl ich an jeder Ampel halten musste, erreichte ich recht schnell die protzige Villa. Ich sparte es mir, das Auto in die Garage zu stellen und schloss es auf dem Vorhof ab, bevor ich die Haustür aufschloss.
Wenngleich mein Blick einmal um mich herum huschte wusste ich, dass Seraphina vermutlich bequem auf meinem Bett lag und durch ihr Handy scrollte. Also lief ich die Treppe hoch und fand sie sitzend auf meinem Bett, wo sie durch ihr Handy scrollte. Große Überraschung.
„Hey, Sera." Sie hob ihren Kopf und musterte mich von oben bis unten, als ich meine Jacke auszog und meine Schuhe neben den Schrank stellte. „Nyx. Wir müssen reden." Sie wollte bereits mit mir sprechen, noch bevor ich in dem Kerker gelandet war, daran erinnerte ich mich. Ich ließ mich dennoch neben ihr auf den Rücken fallen und genoss sie wenigen Sonnenstrahlen, die durch das Fenster mein Profil wärmten.
,,Wenn du mit mir Schluss machen willst, dann mache es bitte kurz und schmerzlos." Theatralisch legte ich eine Hand auf meine Brust und bekam dafür ein Kissen in mein Gesicht. Ich grinste und auch Seraphina wurde etwas lockerer. ,,Idiot."
Wir wurden Beide wieder ernst. ,,Also, was ist los?"
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Devilish Saints
FantasyNyx Cunningham ist seit ihrer Geburt in Gefahr. Doch sie ahnt es nicht, bis die Gefahr nach 17 Jahren gleich in zweifacher Form vor ihr steht. All Rights reserved to me ©