Verräter und Vertrauter; Freund und Feind. Wir können entschieden so viel mehr als das zu sein und am Ende? Ja, am Ende sind wir drei dieser Dinge und bilden den Schluss damit, dass wir selbst diejenigen sind, die sich verraten. (Die Manipulation der Engel, Kapitel 6)
„Kannst- oder willst du es nicht verstehen, Sera?" Vielleicht mit etwas zu wenig Sympathie gegenüber meinem Spind, so schloss ich diesen. Laut schepperte es, als die Metalltür in das Schloss einrastete. Doch ich ließ mich davon nicht beeindrucken. Mein Blick galt der Schwarzhaarigen neben mir, die desinteressiert an ihrem Spind neben mir lehnte.
„Ich kann es verstehen, Nyx. Aber es ist mir egal." Sie verstärkte ihre Worte mit einem milden Lächeln und verschränkten Armen vor der Brust. „Offenbar verstehst du es nicht. Du bist in Gefahr, weil du es weißt. Ich bin in Gefahr, weil mich ein Erzengel umbringen möchte. Demnach werde ich nicht auf irgendwelche Partys gehen."
Für mich war dieses Gespräch beendet, weshalb ich mit der Sporttasche, die über meiner Schulter hing, an Seraphina vorbeilief. Ich konnte und wollte nichts riskieren, obwohl seit drei Wochen absolute Stille herrschte. Raphael war offenbar abgetaucht, zumindest hat ihn niemand bisher gesehen. Das Gleiche galt für Mary, wenngleich Poster mit Vermisstenanzeigen gelegentlich an Türen und Fenstern klebten.
Nur allzu gerne würde ich mich auf einen Tisch stellen und allen verkünden, dass es der Cheerleaderin gut ging und sich keiner mehr als sonst Sorgen machen musste, abends das Haus zu verlassen. Doch wie sollte ich ihnen das erklären? ,Übrigens, Mary geht es gut. Sie lebt in dem Palast eines Erzengels, der mich umbringen möchte, weil ich den zweiten Teil von Luzifers Seele in mir habe'? Vorerst möchte ich nicht in einer Psychiatrie enden.
Drei Tage waren vergangen und es war Freitag. Der Schnee schmolz weiter, wenngleich die Luft noch immer schneidend kalt war. Die Feiertagslaune legte sich und die Leute kehrten in ihren Alltag zurück. Ich schlief schlecht, meine eigenen Gedanken hielten mich wach und tief in meinem Innern keimte die Hoffnung, dass Luzifer vor mir stehen und mir Rede und Antwort stehen würde. Doch wie Raphael, so blieb auch Luzifer verschwunden.
Ich lief über den Schulhof, erhobenen Hauptes und mit erstem Blick. Ich hatte kein Interesse an einer Party. „Nyx." Ich ignorierte Seraphina und behielt den Eingang der Sporthalle in meinem Blick. „Nyx." Mit Nachdruck wiederholte sie meinen Namen und weiterhin ignorierte ich sie. „Nyx Cunningham."
Diese tiefe Stimme gehörte nicht der aufgebrachten Schwarzhaarigen, so viel war sicher. Ich blieb stehen in dem Glauben mich verhört zu haben. „Hast du mich vermisst, Teufelchen?" Ein kalter Schauer fuhr bei seiner Wortwahl über meinen Rücken. Die Schritte von Raphael verstummten, als er von der Seite in unser Sichtfeld trat und uns so zum Stehen bleiben zwang.
Seraphina war angespannt. Dennoch ließ sie sich ihren Hass gegenüber dem Erzengel nicht mehr als üblich anmerken. Zumindest darüber musste ich mir keine Sorgen machen. ,,Nein, um ehrlich zu sein nicht wirklich.", wank ich ab, ohne meinen Blick von seinen silbernen Augen abzuwenden.
Es wäre gelogen zu behaupten, dass das der Wahrheit entsprach. Seine Augen, die Entschlossenheit und das Selbstbewusstsein lösten etwas in mir aus – ganz zu schweigen von seiner indirekten Liebeserklärung noch bevor er mich von dem Himmel stieß. Gott, ich sollte meine Prioritäten klären. Und noch dazu war es kein Würgereiz, den er in mir auslöste mit seinem Auftauchen.
,,Haben dir deine Eltern denn nicht beigebracht, dass man nicht Lügen soll?", tadelte er mich. ,,Haben dir deine Eltern denn nicht beigebracht, andere nicht zu belästigen?" Seraphina ahmte beim Sprechen seinen Ton nach und traf diesen erstaunlich gut. Nun wandte Raphael doch seinen Blick von mir ab, um Seraphina anzusehen.
,,Hast du es ihr nicht gesagt, Teufelchen?". Fragte er mich und grinste dabei selbstsicher. Ich war ebenso verwirrt wie Seraphina. Vollkommen entspannt und mit den Händen in den Jackentaschen lief er die wenigen Schritte auf uns zu und beugte sich ein Stück zu der Schwarzhaarigen neben mir herunter.
Ich spannte mich ab, bereit, ihm sofort einen durchaus unschönen rechten Haken zu versetzen, sollte er sie anfassen. Solange Rick nicht hier war, war das meine Aufgabe und ich würde diese mit Vergnügen ausführen, wenn es nötig war. Seraphina starrte ihn an, die Wut in ihren Augen unübersehbar.
,,Teufelchen mag mich, Seraphina. Und du kannst nicht das Geringste daran ändern." Seine Stimme war wie warmer Honig, doch seine Worte glichen einem Messer in meinem Magen. Mir wurde heiß und kalt zugleich. Woher- und wie? Diese beiden Fragen kreisten in meinem Kopf, während ich versuchte, mir nicht anmerken zu lassen.
Natürlich hatte ich ihr nichts davon gesagt. Besonders nicht nachdem, was er mir erst vor wenigen Tagen angetan hat. Doch meine beste Freundin bloßzustellen, ging mir zu weit. Meine Hand schnellte nach vorne, direkt auf Raphael zu.
Meine Finger berührten seine Haut und umschlossen sein Kinn und ich drehte ihn ruckartig zu mir. Kälte und Wärme trafen mit einer einzigen Berührung aufeinander, was mir einen Schauer über den Rücken jagte und einen Stromschlag durch meinen Kopf sandte. ,,Lass' dir gesagt sein, dass ich mich zu Arroganz keinesfalls hingezogen fühle.", stellte ich mit scharfer Stimme klar.
Wenige Sekunden lang sah mich der Erzengel schlichtweg an. Sein Blick studierte mein Gesicht wie eine Mathematikaufgabe, bevor mir auffiel, dass meine Hand noch immer sein Gesicht berührte und wir uns näher waren, als mir in diesem Moment lieb sein sollte. Raphael öffnete seinen Mund, doch wurde sogleich unterbrochen.
,,Raphael, du solltest schon längst auf dem Feld sein. Das gibt drei Extra-Runden für dich." Coach Gabriel klang angespannt – und genervt. Der Erzengel vor mir drehte sich zu dem anderen um, der von der Sporthalle auf uns zu kam. ,,Natürlich, Coach.", antwortete Raphael locker.
Er ließ es sich nicht nehmen, sich noch einmal zu Seraphina und mir umzudrehen und mir zu zuzwinkern, bevor er an Coach Gabriel vorbeilief. Verdammtes Arschloch. ,,Ihr solltet auch schon längst im Unterricht sein.", wandte er sich nun an uns. ,,Seraphina, bitte kümmere dich darum, dass wieder ein richtiges Cheerleader-Team zusammengestellt wird. Ihr braucht einen Ersatz für Mary."
Indirekt wollte Coach Gabriel also mit mir allein sprechen. Ein Gespräch mit dem nächsten Erzengel. Das Highlight meines Tages. Seraphina schien zu verstehen und ich nickte ihr kurz zu, als sie mich aus dem Augenwinkel heraus ansah. Ist okay, du kannst gehen.
Als Seraphina gegangen war, blieb es für einen Moment still. „Gehen wir zum anderen Eingang." Ein längerer Weg, der um die Sporthalle herum führte.
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Devilish Saints
FantasyNyx Cunningham ist seit ihrer Geburt in Gefahr. Doch sie ahnt es nicht, bis die Gefahr nach 17 Jahren gleich in zweifacher Form vor ihr steht. All Rights reserved to me ©