Genau zweimal erklang der Freizeichenton, bevor Seraphina abnahm. Ich öffnete meinen Mund um etwas zu sagen, kam jedoch gar nicht erst dazu. ,,Wo zur Hölle noch einmal bist du gewesen?" Sie konnte sich also nicht daran erinnern, mit mir in der Zelle gesprochen zu haben. Scheint so, als hätte mir mein Kopf einen gewaltigen Streich gespielt. Aber mit ,Hölle' lag sie gar nicht mal so falsch. Hat sich zumindest so angefühlt.
Ach, weißt du, Raphael hat mich entführt und in einem Kerker festgehalten, Mary war auch dabei. Ich habe so krasse Feuerkräfte, die meine Klamotten anbrennen. Dann bist du aufgetaucht und hast mit mir geredet, bevor mich Raphael dann von dem Balkon gestoßen hat, nachdem ich aus dem Kerker ausgebrochen bin und dort alles in Schutt zerstört habe.
,,Kompliziert.", war eindeutig eine bessere Antwort. ,,Kompliziert ist auch die Entscheidung, ob ich dir gleich eine Ohrfeige verpasse oder nicht. Wir treffen uns in der Schule." Seraphina legte auf. Ich strich mir ein paar Haarsträhnen hinter mein Ohr und stutzte. Warte, Schule? Welcher Tag war heute? Auf dem Handy hatte ich es noch nicht eingestellt. Ich trank den Tee in einem Zug aus und nahm immer zwei Stufen die Treppe hoch. 7. Januar stand auf meinem Wecker.
Rache gehört zu den Dingen im Leben, die sich durch und durch verboten anfühlen. Dabei löst ein gut durchdachter Racheplan nichts weiter als ein befriedigendes Gefühl im Körper aus. Sieht man die Person, die einen zu schaden hat kommen lassen, verzweifeln an den Steinen die man ihr in den Weg gelegt hat, verfliegt die aufgestaute Wut und hinterlässt nichts weiter als ein Lächeln im Gesicht. (Die Manipulation der Engel, Kapitel 5)
Ich ließ den Collegeblock samt Kugelschreiber wieder in den Rucksack neben mir gleiten und schulterte diesen, bevor ich die Fahrertür öffnete und hinter mir wieder schloss. Während ich unter den Blicken aller den Parkplatz verließ, schloss ich den Urus per Fernbedienung ab und sah geradeaus. Primitiv, als wäre ich eine Attraktion.
Meine Schuhe hinterließen keine Spuren auf dem Boden, denn durch die warmen Strahlen der Sonne war jeglicher Schnee geschmolzen. Alles schien aufzutauen und zu erwachen. Immer weitergehen, nicht zurücksehen. Mit jedem Schritt den ich nach vorne tat, prallten mehr und mehr Blicke einfach an mir ab. Es interessierte mich schlichtweg nicht mehr. Verdammt, ich wurde in einem Kerker von einem Erzengel festgehalten und bin ausgebrochen. Etwas Rückgrat sollte ich aufbringen können.
Seraphina stand am Absatz der Treppe, die zum Eingang führte. Ihre Augenbrauen waren zusammengezogen und ich konnte ihr die Sorge und Wut auf dem Gesicht ablesen, als sie mich entdeckte. Ihre Augen scannten meinen Körper von unten bis oben nach Verletzungen ab, bis ich vor ihr stand. ,,Hey." Es tat gut, sie zu sehen.
Wie ein Stück Heimat, zu dem man immer wieder zurückkehrt, egal was es kostet. Ich atmete tief ein und aus und fand mich in der nächsten Sekunde in einer festen Umarmung wieder. Erleichtert schloss ich meine Augen für einen Moment und genoss die Wärme die sie ausstrahlte, bevor sie sich wieder von mir löste. Und dann holte sie wirklich aus, um mir eine saftige Ohrfeige zu verpassen.
Im gleichen Moment umarmte Rick sie von hinten und hob sie hoch, um sie ein Stück weiter hinten wieder loszulassen, bevor sie mich schlagen konnte. ,,Lass mich los, Rick! Ich habe mir so verdammte Sorgen um Nyx gemacht und sie hat nichts besseres zu tun, als ,Hey' zu sagen." Roy stellte sich vor mich und legte seine Hände auf meine Schultern. Seine Augen sahen über mein Gesicht und ich war mir sicher, dass er die dunklen Schatten darunter sehen konnte. ,,Du siehst erschöpft aus. Ich bin froh, dass du wieder da bist." Ich lächelte ihn an und nickte.
Rick beruhigte noch immer Seraphina, die ihm etwas zu zischte. ,,Was machst du überhaupt hier?", fragte ich Roy, der seine Hände sinken ließ und in seiner Jackentasche vergrub. Der Blick, mit dem er mich ansah war alles andere als erleichtert. ,,Du bist nicht die einzige, die verschwunden ist. Mary-" Ohne zu zögern unterbrach ich ihn.
,,Mach dir keine Sorgen um Mary. Ihr geht es gut, glaub mir." Kurz tauchte ein Bild vor meinen Augen auf. Mary, wie sie mit den zwei Wachen sprach. Auch, wenn ich nur ihre Stimme gehört hatte konnte ich sagen, dass sie nicht selbstbewusster sein konnte. Sie war dort voll und ganz aufgeblüht. Und eines Tages würde mir das zum Verhängnis werden können.
,,Ich erkläre es euch ein anderes Mal.", sagte ich zu Roy und wank ab. Eine der Cheerleaderinnen trat zu uns, Olivia. Kurz beobachtete sie mit uns das Spektakel, welches aus Seraphinas Fluchtkünsten und Ricks amüsiertem Blick bestand, bevor sie sich an Roy und mich wandte.
Ihre braunen Haare waren zu einem wunderschönen Fischgrätenzopf geflochten und sie selbst steckte in einem sündhaft teuren Outfit. ,,Hey.", grüßte sie mich und lächelte Roy zurückhaltend an. Daher weht also der Wind. Ich verkniff mir einen wissenden Blick den beiden gegenüber.
Wir warteten bis Rick Seraphina beruhigen konnte und liefen dann gemeinsam lachend in das Gebäude. Doch schon in dem Moment, in dem die Tür hinter uns wieder in das Schloss fiel, blieben wir stehen und sahen wortlos auf den Gang. Jedem verflog das Grinsen, besonders Olivia.
Blake Sullivan. Ich erkannte ihn wieder, er war Olivia's Date auf dem Ball von Seraphina und Rick gewesen. Soweit ich wusste, waren sie ein Paar. Blake jedoch schien das nicht so zu sehen. Lieber steckte er einem anderen Mädchen seine Zunge in den Hals. Und das vor der gesamten Schule. Einfach widerlich.
,,Blake?" Die Stimme von Olivia war nicht mehr als ein Flüstern, was meine Wut steigen ließ. Angesprochener löste sich von dem Mädchen, was zu ihrem Glück mit dem Rücken zu uns stand, sodass wir ihr Gesicht nicht sehen mussten. ,,Ach Olivia.", seufzte er, offensichtlich gespielt traurig.
,,Dachtest du wirklich, dass ich dich liebe? Es war ein Spiel, nichts weiter." Roy war der erste, der sich regte. Er legte grinsend einen Arm um Olivia und gab ihr einen Kuss auf die Schläfe. ,,Zum Glück seid ihr nicht mehr zusammen. Darf ich dich also jetzt offiziell um ein Date bitten?" Sein Blick bohrte sich drohend in den von Blake, der plötzlich nicht mehr so mutig und selbstbewusst aussah.
Für einen Moment herrschte völlige Stille, bevor Olivia fest nickte. Schnapp ihn dir, Schwester. ,,Natürlich." Ein zufriedenes Lächeln lag auf ihrem Gesicht. ,,Denkst du wirklich noch, dass ich auf deine Tricks hereinfalle, Blake?" Erstauntes Raunen wie im Kino ging durch den Gang. ,,Komm, Schatz." Die beiden gingen vor und ohne, dass sie etwas sagen mussten, folgten Rick, Seraphina und ich ihnen mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck.
Als wir an Blake und dem Mädchen vorbeiliefen konnten Seraphina und ich es uns nicht nehmen lassen, so dicht an ihnen vorbeizulaufen, dass wir sie anrempelten und sie noch immer verwirrt ein paar Schritte nach hinten stolperten. Dass Blake wegen einer Hitzewelle zurückschreckte, die plötzlich durch seinen Körper glitt, ließ ich unkommentiert. Ups.
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Devilish Saints
FantasyNyx Cunningham ist seit ihrer Geburt in Gefahr. Doch sie ahnt es nicht, bis die Gefahr nach 17 Jahren gleich in zweifacher Form vor ihr steht. All Rights reserved to me ©