|Chapter 24|

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,,Vielen Dank." Die Flugbegleiterin stellte eine Limonade neben meinen Skizzenblock, den ich bei meiner letzten Reise unter dem Sitz deponiert hatte. Mit meinen Händen verdeckte ich so lässig wie möglich die Skizze und wartete mit freundlichem Lächeln darauf, dass die Schwarzhaarige wieder ging.

Erst dann ließ ich mich wieder in den weichen Ledersitz zurückfallen. Ich hätte den Block auch einfach umdrehen können. Kurz warf ich einen Blick aus dem Fenster neben mir. Noch immer war es Nacht und stockfinster, nur drei Stunden waren vergangen, seitdem ich in den Jet gestiegen und Luzifer gegangen war.

Ich fragte mich, wer ihn angerufen hat und weshalb er zurückgehen musste. Gab es die Hölle denn überhaupt wirklich oder war sie nur ein weiteres Produkt menschlicher Fantasie? Wer gibt uns eine Garantie dafür, dass die Dinge so sind, wie es jemand vor tausend Jahren behauptet hat?

Vielleicht ist die Hölle der Himmel auf Erden und wir sitzen hier und haben unsere Ansicht, wie etwas zu sein hat, von dem wir eigentlich keine Ahnung haben. Ein seufzen glitt über meine Lippen, als mein Blick wieder zu der Skizze glitt. Ich hatte versucht, die Flügel von Luzifer zu zeichnen. Dass sie mehr aussahen wie die von Raphael, war jedoch nicht der Plan gewesen.

Mein Kopf war voll von Gedanken, die mich in der Luft zerreißen könnten, würde ich ihnen nachgeben. Wie ein ständiger Kampf, den ich gegen mich selbst zu verlieren wagte. Dabei war es egal, dass ich von dem Erzengel und Luzifer meilenweit getrennt war und die Entfernung immer größer wurde.

Ich griff nach dem Stift und schrieb mit Druck etwas neben die Skizze. Danach tippte ich mit dem Ende des Stiftes zweimal auf dem Block, bevor ich meinen Kopf schüttelte und ihn wieder unter den Sitz schob. Die kalte Limonade kühlte mein Gemüt ab und leerte meinen Kopf wie einen Papierkorb. Was jetzt zählte war es, einen guten Eindruck zu vermitteln und brav zu Lächeln während ich sündhaft teure Getränke trinke und neben meinen Erzeugern stehe.

Als ich die Treppen des Jets hinabstieg, wartete ein Fahrer bereits neben einer schwarzen Limousine. Die Sonne erhob sich hinter zwei Gebäudekratern und die Luft war zwar frisch, aber warm. Tief atmete ich ein und nickte dem Fahrer zu, der mir die Tür öffnete, bevor er meinen Koffer in den Kofferraum lud und wir kurz darauf auf dem Weg zum Hotel waren.

Während die Umgebung an mir vorbei zog, griff ich nach meinem Handy. Zwölf verpasste Anrufe von Seraphina und Unmengen an Textnachrichten. Ich rief sie an, anstatt ihr zu schreiben. ,,Nyx Cunningham. Wie kannst du es wagen, dich einfach aus dem Staub zu machen?"

Für einen Moment verzog ich mein Gesicht und hielt mein Handy ein Stück entfernt zu meinem Ohr, bevor ich ihr antwortete. ,,Guten Morgen, Seraphina. Frohe Weihnachten. Auch Rick und deiner Familie." Ein schnauben war die Antwort. ,,Dir auch."

,,Mein Vater hat gestern Abend angerufen, wichtige Gala.", erklärte ich. Dass ich gerade dabei war, mit Luzifer spazieren zu gehen und mich darüber wie ein kleines Kind gefreut hatte, ließ ich dabei aus. Bisher schien sie nicht die beste Meinung über ihn zu haben, noch weniger über Raphael.

,,Dann wirst du dein Geschenk wohl erst sehen, wenn du wieder hier bist.", riss sie mich aus meinen Gedanken. ,,Du deins ebenfalls." Kurz herrschte Stille und lediglich das Brummen des Motors war zu hören. Das war ein seltsames Gespräch, welches wir hier führten. Dieser Small-Talk war gar nicht das, was ich von uns gewohnt war. ,,Nyx?"

Seraphina sprach meinen Namen aus, als würde sie ihn zum letzten Mal sagen können. Das beunruhigte mich. ,,Was ist los?", fragte ich daher. ,,Bitte pass auf dich auf. Ich habe dir etwas verschwiegen, als du mich nach Raphael gefragt hast." Nun wurde ich hellhörig. Was könnte sie mir bitte verschwiegen haben, dass sie sich solche Sorgen machte? ,,Ich wollte, dass du selber siehst was los ist, aber das tust du nicht. Und ich weiß nicht wieso."

Ich erkannte das Hotel, in dem ich wohl oder übel die Nacht verbringen würde. ,,Seraphina. Was auch immer es ist, du hörst dich an, als wäre es ernst. Aber ich bin über tausend Kilometer entfernt von dir und dem Dorf. Er wird mir wohl kaum hinterherfliegen. Sobald ich hier fertig bin, komme ich direkt zu dir, in Ordnung?" Laut seufzte sie.

,,In Ordnung.", sagte sie schließlich. Ich wollte so nicht auflegen. Aber die Limousine blieb vor dem Hotel stehen und ich wollte mich auch nicht mit Taten und Worten herumschlagen. ,,Kaffee im Season's?", fragte ich leise. ,,Kaffee im Season's."

Ich wollte zurück und mit Seraphina reden. Ich wollte hier nicht sein und eine Dekoration sein. Selten habe ich sie so verzweifelt gehört, dass die kleinen Alarmglocken in meinem Hinterkopf schrillen wie ein lauter Schrei. Mein Herz klopfte mir gegen die Rippen.

Die Tür wurde geöffnet und der Fahrer reichte mir milde lächelnd meinen Koffer, den ich nahm und auf das Hotel zu ging. Ich erinnerte mich an das, was ich auf den Block im Jet geschrieben hatte, als ich durch den Eingang lief und auf die Rezeption zu. Etwas ist falsch an der ganzen Sache. Wer hat gute und wer hat schlechte Absichten?

Der Mann hinter der Rezeption gab mir meinen Schlüssel und ich stieg in den Aufzug. Meine Augen huschten umher, als sich die Türen schlossen und ich nach oben fuhr. Ich übersah etwas, ein Detail, immer und immer wieder. Etwas Wichtiges. Schwer schluckte ich.

Die Erzengel, Luzifer.

Die Träume, Visionen.

Die Adern, Kraft.

Sechs Dinge, die zusammenpassten, wie ein Puzzle. Was taten sie hier? Ich lehnte mich an den Spiegel gegenüber der Tastauswahl für die Etagen. Die 46. war gedrückt und leuchtete in mildem rot auf. In dem Moment, in dem ich für ein paar Sekunden die Augen schloss, hörte ich etwas.

,,Du weißt es.", hörte ich eine Stimme sagen. Ich erinnerte mich an diese Worte. Jetzt würde der Person widersprochen werden, von einer kalten, schneidenden Stimme. Und sie kam mir bekannt vor. ,,Und du weißt, dass ich sie liebe!" Die andere Stimme erinnerte mich an etwas, an jemanden und jetzt konnte ich auch sagen an wen. Die zweite Person klang verzweifelt und aufgebracht. Ein Seufzen, das vermutlich von der ersten Person ausging. ,,Solltest du in ihre Nähe kommen, werde ich dafür sorgen, dass sie verbannt wird, Bruder."

Ich schlug meine Augen auf. Ein Schauer lief über meinen Rücken. Ich kannte die Personen, die sich dort gestritten haben. Es waren Raphael und Luzifer. Die ganze Zeit ging es schon um den Erzengel und ihn, in jeder einzelnen Vision. Aber mir fehlten noch immer Teile, um zu verstehen um wen und was es eigentlich ging. Wer war die Geliebte von Raphael? Was hatte Luzifer gegen sie? Und antworten würde ich von den Beiden selbst nicht bekommen.

Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, bis der Aufzug endlich im richtigen Stockwerk hielt und ich zu meinem Zimmer gehen konnte. Ich beachtete meine Umgebung nicht und schloss so schnell wie möglich die Tür auf, um alleine zu sein.

Genau drei Schritte in das extravagante Zimmer- und ich wusste, dass ich sehr tief im Dreck saß. ,,Scheiße.", sagte ich mit geweiteten Augen. Die große, sportliche Gestalt mit den breiten Schultern drehte sich zu mir um.

Das Silber seiner Augen glühte verheißungsvoll wie die tödliche Klinge eines Schwertes. ,,Hallo, Teufelchen." Er blieb wo er war. Selbst ohne sein Zutun verengte sich mein Blickfeld und ich spürte die Hitze gleichermaßen wie die Kälte in dem Zimmer an mir beißen.

,,Es wird Zeit, dass wir uns unterhalten, findest du nicht?"

Devilish SaintsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt