Anstelle mir zu antworten, löste er seine Hand von meinem Rücken und ließ mich in einer weichen Bewegung ausdrehen. Ich gebe zu, dass ich im ersten Moment gedacht habe, er würde sich einfach umdrehen und weggehen. Welchen Grund hätte er auch zum Bleiben gehabt?
Stattdessen zog er mich wieder zu sich und ließ uns für die nächsten Minuten über die Tanzfläche schweben. Ich verstand ohne Worte, dass er nicht weiter darüber reden wollte. Und ich fragte nicht nach. Die Lichterketten spendeten gerade genug Licht, dass ich für einen Moment Seraphina an einer der Säulen erkannte, die in unsere Richtung sah, bevor Luzifer uns in die andere Richtung drehte.
,,Sie ist eine gute Freundin von dir- nicht wahr?", fragte er über die Musik hinweg. Ich nickte mit einem nachdenklichen Lächeln. ,,Eine Freundin und eine Schwester." Das Lied endete und beinahe automatisch gingen wir jeweils einen Schritt zurück und verbeugten uns voreinander. Seine Augen beobachteten jede meiner Bewegungen ganz genau und ich tat es ihm gleich. So entdeckte ich auch eine silberne Kette um seinen Hals, mit einem kleinen Kreuz als Anhänger.
Gemeinsam liefen wir ohne etwas zu sagen auf Seraphina zu. Jetzt wo ich sie im Blick hatte sah ich, dass sie neben Rick stand, der sich mit Roy unterhielt. Beide lachten und bemerkten uns erst, als Luzifer und ich uns zu ihnen stellten.
Ich glaube nicht, dass ich mich so schnell an den Namen gewöhnen konnte. Bisher war er für mich nur 'der Fremde' gewesen und obwohl ich ihm glaubte, fühlte es sich seltsam an, ihn anders zu bezeichnen. Zudem ich nicht glaubte, dass er so böse war, wie der Name es vermuten ließ.
Alle drei musterten erst mich und anschließend Luzifer neben mir, der Rick die Hand schüttelte und danach Roy. ,,Es freut mich, eure Bekanntschaft zu machen." Er wirkte dabei selbstsicher, als kenne er die beiden Freunde vor ihm schon lange. Dennoch nannte er seinen Namen nicht und ich konnte auch nicht sagen, ob es Absicht war oder nicht.
,,Rick. Das ist Roy.", sagte Rick und zeigte danach auf Roy. Luzifer drehte sich zu Seraphina neben Rick, die ihn offen mit Misstrauen entgegenblickte. ,,Und du musst Seraphina sein. Deine Freundin hat schon viel von dir erzählt- nur Gutes natürlich." Auch ihr reichte er die Hand, die sie kurz schüttelte. ,,Dann hat sie aber die Hälfte ausgelassen."
,,Das ist durchaus möglich.", erwiderte Luzifer nach einem amüsierten Blick. Sein Blick glitt hinter Seraphina und verdunkelte sich augenblicklich. Raphael strotzte vor Selbstbewusstsein, als er auf uns zu kam. Wie Luzifer auch, so trug er einen schwarzen Anzug mit roter Krawatte, die Ausnahme zum Aussehen Luzifers' war sein Hemd, welches so schwarz wie der Anzug selbst war.
Mit erhobenem Kopf nickte er uns zu. Noch im Begriff, diese Geste zu erwidern wie der Rest von uns, griff er nach meinem Handgelenk und zog mich mit sich. ,,Entschuldige bitte?", empörte ich mich und hörte Seraphina hinter mir das Gleiche sagen. Er reagierte nicht darauf, weshalb ich Wiederwillen mit ihm ging, bis er seinen Zielort erreicht hatte.
In einer einzigen Bewegung seiner fand ich mich nur Sekunden später auf der Tanzfläche wieder, diesmal mit Raphael. ,,Darf ich fragen, was das werden soll?" Seine Augenbrauen waren ärgerlich zusammengezogen, er antwortete nicht. Ich spürte den brennenden Blick von Luzifer auf meinem Rücken und fühlte mich in meinem Inneren mit einem Mal in zwei gerissen. Was war das? Luzifer war der Einzige, der mir Fragen beantwortete, von denen Raphael nicht einmal eine Ahnung hatte.
Ich erschrak, als Raphael seinen Kopf zu meinem Ohr herunterbeugte und mich näher zu ihm zog, sah jedoch geradeaus, um es mir nicht anmerken zu lassen. Die Kälte vermischte sich mit Wärme und ich wusste nicht, wer von uns mehr ausstrahlte. ,,Muss ich wirklich um deine Aufmerksamkeit und um deine Zuneigung kämpfen, Teufelchen?" Sein warmer Atem prallte auf meine Schulter und seine Haare kitzelten mich an der Wange.
Raphaels Stimme war tief und rau zusammen mit seinem starken Akzent. Wie eine unheilvolle Prophezeiung, die mit einem Fingerschnipsen ihren Lauf nehmen würde. Mein Herz klopfte gegen meine Rippen und ich schluckte schwer, bevor ich ihm antwortete. ,,Ist für Erzengel der Kampf denn immer eine Option?" Meine Augen waren fest auf die Säule am Ende des Raumes gerichtet, als ich spürte, wie sich seine Muskeln anspannten. Einer musste es aussprechen.
,,Ich weiß, dass nichts was hier passiert ein Zufall ist. Und ich weiß, wer ihr seid.", sagte ich. Im gleichen Moment zog Raphael seinen Kopf wieder zurück und sah mich unverwandt aus silbernen Augen an. ,,Und weißt du auch, welche Rolle du hier spielst, Teufelchen?" Wie zuvor Luzifer ließ er mich ausdrehen und wieder eindrehen. Meine Haare flossen wie Honig über meine Schultern, sobald wir weiter tanzten.
,,Die Hauptrolle, Raphael.", antwortete ich ohne zu zögern. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und lächelte dabei. Langsam löste er sich von mir und drückte seine Lippen erneut gegen meine Wange, die gleiche Stelle mit mehr Intensität. Ich hatte keine Ahnung wie ich darauf reagieren sollte, also tat ich nichts, als ihn anzusehen und zu versuchen das Gewirr aus Kälte und Wärme zu verstehen.
Als er einen Schritt zurück trat, deutete er eine Verbeugung an. ,,Wir sehen uns in der Schule, Teufelchen." Mit Schwung drehte er sich um und verließ den Saal, wie er ihn betreten hatte. Aufrecht und Selbstbewusst. Die Leute machten ihm Platz, sodass ich, während ich die Tanzfläche verließ aus dem Augenwinkel sah, wie er hinter der Tür verschwand.
Mit meinen Händen, die um die Tasse vor mir gelegt waren, stieß mir der Geruch des fruchtigen Tees in die Nase. Meine Fingerspitzen kribbelten durch die plötzliche Wärme der Tasse. Luzifer war weg gewesen, als ich wieder zu Seraphina kam und ihr vielsagender Blick hob meine Laune kein Stück. Kurz darauf habe ich mich von Roy und Rick verabschiedet und bin gegangen.
Wusste Raphael von dem Feuer? Meine Hand berührte wie automatisch die Stelle, wo er meine Wange geküsst hatte. Trotz seiner Kälte waren seine Lippen warm gewesen. Zumindest konnte ich mir nun endlich den Akzent erklären, den er- und vermutlich auch die anderen hatten. Ich hob die Tasse an, um einen Schluck zu trinken und verbrannte mir prompt meine Zunge. ,,Scheiße!", fluchte ich und riss mich selbst aus meinen Gedanken.
Die rote Flüssigkeit brodelte leicht und ich entfernte meine Hände von der Tasse und seufzte. Ich hatte den Tee zum kochen gebracht, ohne es zu merken. Geduldig wartete ich, bis der Tee wieder eine Temperatur erreicht hatte, in der ich ihn trinken konnte.
Der fruchtige und leicht bittere Geschmack ließ mich wach bleiben, doch als ich keine halbe Stunde später in der Dunkelheit in meinem Bett lag, dauerte es nicht lange, bis ich müde und mit den gespaltenen Gedanken kämpfend einschlief.
Ein gestochen scharfes Bild setzte sich zusammen. Fünf junge Männer mit strahlend weißen Flügeln, die in der Sonne wie Seide glänzten und riesig waren standen beieinander. Michael, Raphael, Uriel, Gabriel und Luzifer. Ich hatte mich also geirrt, es waren keine Vier. Eine strahlend helle Aura ging von jedem einzelnen von ihnen aus.
Obwohl mich Raphaels glückliches Gesicht zum Lächeln brachte, sah ich mir Luzifers genauer an. Beide Augen waren Silber und strahlten zusammen mit denen der Anderen, was mich aus einem unerklärlichem Grund zum Lächeln brachte. Was also hatte zu dem roten Auge geführt? Unwillkürlich trübte ein Gedanke mein Lächeln.
War das, was in der Bibel stand und uns seit Kindertagen beigebracht wurde wirklich das, was wirklich geschehen ist? Mein Blick glitt zurück zu Raphael. Bisher hatte ich ihn zwar schon Lächeln oder Lachen sehen, aber es war nichts gegen dieses aufrichtige Lachen.
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Devilish Saints
FantasyNyx Cunningham ist seit ihrer Geburt in Gefahr. Doch sie ahnt es nicht, bis die Gefahr nach 17 Jahren gleich in zweifacher Form vor ihr steht. All Rights reserved to me ©