|Chapter 15|

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In dem Moment, als ich mich zu ihm drehte und ihn erkannte, verschwand die Sonne hinter einer dichten Wolkenbank. Binnen Sekunden begann es erneut zu schneien, in denen wir uns einfach gegenüberstanden. Zusätzlich zu der Hitze, die stärker und glühender als jemals zuvor in meinem Körper pulsierte, durchzog mich ein Gefühl der Wärme und der Ruhe.

Alles um mich herum verschwamm, alles außer ihm mit seinen Augen. Das eine leuchtete wie poliertes Silber, das andere glitzerte wie ein tiefroter Rubellit. Nur einen Moment später passierte etwas anderes. Das Gefühl der Wärme wurde wie eine Blume aus dem Boden herausgerissen und durch stechendes Misstrauen und kalte Distanz ersetzt. Das Gefühl schmerzte, ich ballte meine Hände zu Fäusten.

Die Hitze in meinem Körper zog sich zu meiner Rechten in den Nacken und bis zu meinem Kinn entlang, zu meiner Linken verlieb es bis zu meinem Oberarm. Aber dort, wo sie war schmerzte sie unerschütterlich. Trotz dessen verbot ich es mir, mich zu krümmen und dem Schmerz nachzugeben. Meine Augen bohrte ich in die seinen, für Halt und für Antworten.

Er betrachtete mein Gesicht, nachdenklich und trotz seines Auftretens in keiner Weise abwertend. Millimeter um Millimeter. ,,Wer bist du?", fragte ich, bemüht den Schmerz zu verbergen, den die Hitze mit sich trug.

,,Wer seinen Gefühlen Flügel verleiht, sollte auch an einen Absturz denken." Die Stimme meines Gegenübers war klar und tief, aber sanft wie ein Blütenblatt im freien Fall. ,,Klaus Ender.", nannte ich den Autoren. Ich verstand nicht, worauf er hinaus wollte.

So nachdenklich wie seine Augen glühten, so nachdenklich war auch das Lächeln auf seinen Lippen, als er seinen Kopf senkte und ein kleines Blatt Papier aus seiner Manteltasche hervorzog. Ohne den Zettel zu entfalten nahm ich ihn entgegen und hielt ihn in meiner Hand. Ich kannte das Stück Papier.

Mehrere Strähnen seiner haselnussbraunen Haare waren ihm in sein Gesicht gefallen und mit einer seiner Hände fuhr er sich durch diese und strich sie zurück. ,,Ich verstehe nicht-", setzte ich an. Ich hatte nicht bemerkt, dass die Hitze meine Jacke erreicht hatte, aber es zischte leise, als der Schnee auf dieser schmolz.

,,Noch nicht.", unterbrach er mich. ,,Wir werden uns bald wiedersehen. Bis dahin, gib auf dich acht." Sein Akzent war weicher als der von Raphael. Mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand zwischen den Leuten. Ich schloss so schnell ich konnte den Kofferraum, setzte mich ans Steuer und schloss von Innen das Auto ab.

Einmal atmete ich tief ein und aus, als meine Sicht für wenige Sekunden vollkommen verschwamm. Erneut tauchte das Bild von mehreren Personen vor meinen Augen auf, mit den weißen Silhouetten hinter ihnen. Wieder verschwand es. Der Weg nach Hause kam mir endlos vor, bis ich das Auto in der Garage parkte, die Tür aufschloss und direkt in die Küche lief, um mir etwas zu essen zu machen.

Der Kugelschreiber kratzte leicht auf dem Papier, als ich schrieb. Der Geruch von heißer Schokolade erfüllte mein Zimmer und neben dem Mülleimer lag meine angefackelte Kleidung. Ich saß auf der Fensterbank, eingehüllt in eine Decke und meine Haare in einem provisorischen Knoten.

Die Bibel umfasst mehr Seiten als ich zählen möchte von mehr Leuten als ich gedacht hätte, die sich dafür interessieren. Aber ich frage mich, wie viel sie ausgelassen haben. Wie viele Seiten fehlen? Wie viele Worte wurden nicht aufgeschrieben und wie viele Taten werden verschwiegen? Wieso glauben wir fest an etwas, was wir selber nicht erlebt, gehört oder gesehen haben? Macht uns dieser Glaube stark oder gibt er uns nur das Gefühl der Sicherheit zu wissen was war? (Die Manipulation der Engel, Kapitel 2)

Ich verstand noch immer nicht, wieso ich dieses Buch lesen und zusammenfassen sollte, aber es lenkte mich ab. Und das war etwas, was ich sehr begrüßte. Mein Handy klingelte. Ich legte den Collegeblock auf den Boden und nahm den Anruf an.

,,Cunningham.", meldete ich mich. ,,Moore. Nach dieser herzlichen Vorstellung einander- Lust auf einen Kaffee?" Ich lächelte und räusperte mich. ,,Entschuldigen Sie bitte, Miss Moore, aber ich muss erst in Erfahrung bringen, ob mein Terminkalender dieses Unterfangen zulässt." Kurz herrschte Stille, bevor wir beide lachen mussten. ,,Ich bin in 20 Minuten da."

,,Also ich möchte dich nicht zur Feindin haben, Nyx.", sagte Rick und trank einen Schluck seines Kaffees. Ich zog eine Augenbraue hoch. ,,Sag deiner Freundin das nächste Mal Bescheid, wenn du eine Männergrippe hast und alles ist in Ordnung." Rick verdrehte die Augen. Michael, der sich zu uns setzte, wann immer er niemanden bedienen musste, sah mich fragend an. ,,Männergrippe?"

Seraphina übernahm es, ihn aufzuklären. ,,Wenn wir eine Grippe haben, dann ist das so." Sie deutete auf sich selbst und mich. ,,Habt ihr aber eine Grippe, seid ihr 'empfindlicher'." Sie setzte das letzte Wort in Anführungszeichen. Weitere Kunden betraten das Café und Michael stand auf, um sie zu bedienen. ,,Ich glaube euch kein Wort.", meinte er feixend, bevor er sich dem Paar zuwendete. Seraphina und ich schmunzelten und Rick trank bloß einen weiteren Schluck.

,,Wie läuft es bei euch mit dem Cheerleading?" Rick lehnte sich an die Stuhllehne. ,,So wie ihr auch, haben wir momentan Saisonpause.", erklärte ich. Der Latte Macchiato schmeckte süß und hatte einen leicht kräftigen Nachgeschmack. ,,Dein Gehirn ist wohl noch etwas Matsche, dass du so etwas vergisst." Seraphina warf ihn mit einer Serviette ab.

Mein Blick glitt durch die großen Fensterscheiben neben uns auf die verschneiten Straßen. Wer war der Fremde? Und wieso schien ihm das Glühen und der Schmerz nicht aufgefallen zu sein? Kannte ich ihn von irgendwo?

Meine Hand glitt in die Mateltasche und zog unbewusst den Zettel hervor, den mir der attraktive Fremde gegeben hat. Ich entfaltete ihn mit einem Seitenblick zu Seraphina und Rick, die sich etwas auf Ricks Handy ansahen. Die filigrane Schrift und das Papier waren unverwechselbar die gleichen, wie aus meinem Traum.

,,Was hast du da?" Ich faltete den Zettel wieder sogfältig und sah hoch, in die grauen Augen mit den silbernen Streifen von Michael. Er hatte sich neben mich gesetzte und sah mich fragend an. ,,Da stehen Sachen drauf, um dich ich mich noch kümmern muss. Weihnachten und so." Schnell steckte ich den Zettel wieder in meine Tasche. ,,Hast du denn jetzt alles, was du brauchst?" Ich nickte. ,,Leider standst du nicht auf meiner Liste." Dass das nicht der Wahrheit entsprach, musste er ja noch nicht wissen.

Er zuckte mit den Schultern. ,,Macht nichts." Er lächelte, was seine Augen zum Strahlen und mich ebenfalls zum Lächeln brachte. ,,Verdammt, Nyx!", rief Seraphina aus und verwirrt sahen wir sie an. Sie war aufgesprungen und sah mich entrüstet an. ,,Weihnachten, ich hab's vergessen!"

Sie zog sich in aller Eile ihren Mantel an und griff nach ihrem Portemonnaie. ,,Ich mach schon, Sera.", sagte ich und schneller als man gucken konnte, nahm sie Ricks Hand und zerrte ihn hinter sich her und aus dem Café. ,,Rick tut mir jetzt schon in gewisser Art und Weise leid.", sagte Michael.

,,Er wird es schon überleben."

Devilish SaintsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt