»Erste Blicke«

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»Ist das nicht verrückt?«, meinte Jazz und fing leise an zu lachen. »Ihnen allen dabei zuzugucken, wie sie ihm verstohlene Blicke zuwerfen und zu wissen, dass man genau das was sie wollen, schon gehabt hat?« Ihr Grinsen erlosch augenblicklich, als sie meinen empörten Gesichtsausdruck erblickte.

»Jazz!« Aufgebracht schlug ich ihr spielerisch gegen die Schulter. »Wir sollten darüber besser nicht in einem Café voller Studenten reden. Seine Anwesenheit ist mir schon unangenehm genug. Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll.« Zögerlich wanderte mein Blick durch den Raum und blieb eine Sekunde zu lang an seinen markanten Gesichtszügen hängen. »Er...das sollte einfach nicht sein. Das hätte niemals passieren dürfen!«

»Und doch kannst du es nicht ungeschehen machen.« Nachdenklich sah sie mich an. »Und wenn ich es mir so recht überlege, willst du das auch gar nicht, habe ich recht?«

»Auf die Frage gebe ich dir eindeutig keine Antwort!«

»Ich glaube ihn würde das brennend interessieren«, meinte sie nur schulterzuckend und stockte auf einmal in ihrer Bewegung. »Nein, ich weiß es sogar. So wie er in unsere Richtung blickt.«

»Was?!« Überrascht wanderte meine Stimme ein paar Oktaven zu hoch und reflexartig drehte ich mich fassungslos um. Sofort fing er meinen Blick auf und schien ihn auch gar nicht von mir lösen zu wollen. Unumgänglich begannen sich meine Wangen in ein vollkommenes rot zu färben. Wütend drehte ich mich um.

»Er ist mein Dozent. Das geht nicht und das will ich auch nicht. Ich weiß nicht, warum er mich so aus der Reserve locken will. Bestimmt macht es ihm Spaß mich zu ärgern und mir dabei zuzusehen, wie ich mich blamiere...«, redete ich wie ein Wasserfall, während mich Jazz grinsend anstarrte. »Ich fasse es einfach nicht! Warum muss das ausgerechnet mir passieren. Einmal Sex in einem fremden Land und dann steht der Typ plötzlich wieder direkt vor mir. Das ist unfair.«

Plötzlich wurde ich von schallendem Lachen unterbrochen. Ertappt erkannte ich das wissende Funkeln in den Augen von Jazz.

»Um dich steht es ja noch viel schlimmer als ich dachte!« Überzeugt zeigte sie mit ihrem Finger auf mich. »Dir widerstrebt es nicht nur, dass er hier ist, sondern dir gefällt es vor allem nicht, dass du was für ihn übrig hast. So redest du immer nur, wenn dich deine Gefühle durcheinander bringen.«

»Das stimmt nicht.«

»Oh doch. Ich kenne dich mittlerweile lange genug, um das zu wissen.«

»Ach, ist dem so?«

»Definitiv. Und wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sogar behaupten, dass da jemand einen Mann, der das Liebesspiel beherrscht wie die wenigsten, in ihr Herz gelassen hat, welches sie so gut vor diesen Wesen der Welt beschützen wollte. Ich würde behaupten, dass dieser Plan kläglich - « Bevor sie weiterreden konnte unterbrach ich sie entschlossen.

»Wenn wir schon dabei sind. Wie gehts eigentlich Kyle?«

Nun war ich diejenige, die einen bösen Blick einheimste inklusive einem fiesen Stinkefinger.

»Du hast gewonnen. Ich höre ja schon auf. Ich bin einfach nur froh, dass der sich nicht in Amerika befindet.«

»Perfekt, dann sind wir nun quitt!«, verkündete ich feierlich und nahm meinen Kakao stolz in die Hand. »Wollen wir darauf nicht anstoßen?«

»Nur zu gerne.« Schmunzelnd nahm sie ihre Tasse in die Hand und zwinkerte mir zu. Mit einem breiten Grinsen stießen wir an, doch als sie ihren Kakao gerade an ihren Mund führen wollte, rutschte ihr Lächeln plötzlich ab und ihr Blick glich auf einmal einer vollkommenen Leere. Fassungslos lösten sich ihre Hände von dem Hänkel ihre Tasse, die daraufhin scheppernd zu Boden fiel.

»Was ist? Was hast du?«, fragte ich sie, doch bekam keine Antwort. Immer noch starrte sie auf einen Punkt hinter mir, schien in einer Welt zu sein, die sich nicht in dieser befand. Irritiert drehe ich mich um und erkannte ihren Schock. Direkt vor uns. Nur zwei Tische weiter. Enzo saß nicht mehr alleine an seinem Tisch. Er hatte Begleitung. Einen Freund, den wir hier nicht erwartet hatten. Ein Mann, der Jazz fasziniert anblickte und sich doch konzentrierte nicht allzu sehr aufzufallen.

»Nun, also jetzt sind wir denke wirklich quitt«, versuchte ich die Stimmung wieder aufzulockern.

»Jetzt reicht's mir und zwar endgültig! Also das darf ja nun wirklich nicht wahr sein.!

»Was du nicht sagst...« entgegnete ich nur grinsend.

»Ha ha ha«, schnappte sie genervt zurück.

»Auf einmal doch nicht mehr so lustig, was?«, erwiderte ich ironisch.

»Na doch, eigentlich schon. Denn immerhin ist er nicht mein Dozent.«

»Du!«

»Ich?«

»Vergiss es! Du bist ne blöde Pute. Punkt. Aus. Ende.«

»Und genau deswegen liebst du mich ja auch so sehr.« Schmunzelnd blickte sie auf die Scherben hinab. »Wollen wir gehen?«

»Das wollte ich noch nie so schnell wie in diesem Moment. Aber Glasiara hat schon genug zu tun, ich mache das gerade noch weg.«

»Soll ich schon vorgehen?«, fragte Jazz nachdenklich und wollte gerade nach ihrer Tasche greifen, als ich ihr einen belustigten Blick zuwarf.

»Willst du das wirklich? Ich denke Kyle würde dir dort draußen nur zu gerne Gesellschaft leisten und seiner Herzensdame die Wärme schenken, dir der kalte Winter ihr entzieht.«

»Hör auf zu fantasieren«, entgegnete sie augenrollend und doch blieb sie sitzen.

Lächelnd und entschlossen nur den direkten Weg vor mir anzuschauen, drehte ich mich um und warf keinen einzigen verstohlenen Blick auf Enzo. So wie er aus meinem Herzen verschwinden musste, musste er auch aus der Realität verbannt werden.

»Schätzchen, was machst du denn hinter der Theke. Du hast doch heute frei«, begrüßte mich Glasiara vorwurfsvoll und strich sich eine lose Strähne aus der Stirn. Hektisch und elegant zugleich platzierte sie eines ihrer Kuchenstücke auf dem Teller eines Gastes und schob diesen über die Ablage.

»Uns ist hinten ein kleines Missgeschick passiert. Du hast genug zu tun, ich kann das beseitigen.«

»Ist alles gut mit dir? Du siehst ganz durcheinander aus...« Besorgt nahm sie mich unter ihren prüfenden Blick und schien den Raum nach der Quelle dieser Verunsicherung abzusuchen.

»Nein, alles gut. Das ist nur der Lernstress. Momentan sind viele Abgaben.«

»Ich verstehe.« Nachdenklich betrachtete sie mich, doch verlor kein Wort mehr. Entschuldigend lächelnd griff ich nach dem Kehrblech und einem Lappen.

»Bis morgen«, verabschiedete ich mich schon mal von ihr.

Mit schnellen Schritten brachte ich die wenigen Meter von der Theke bis zu unserem Tisch hinter mich und kam erleichtert wieder bei Jasmine an. Mir war schon übel genug von dieser herzpochenden Begegnung und ich wusste nicht, wie ich mich fühlen oder reagieren würde, wenn Enzo es tatsächlich wagte, mich anzusprechen. Denn diesem Fall wollte ich so gut wie es geht aus dem Weg gehen. Und wenn dann nur in Kauf nehmen, wenn ich damit rechnete. Überraschungen wie diese brauchte ich nicht.

»Na dann, so schnell wie weg aus der Höhle der Löwen«, sagte Jazz entschlossen, als ich das Kehrblech wieder an Glasiara übergab.

»Wie bitte?«, entgegnete diese irritiert.

»Na, wegen dir nehmen wir alle noch zu«, redete sich Jazz schnell raus und zwinkerte Glasiara grinsend zu.

»Und das schadet euch definitiv nicht.«

The Only OneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt