»Ein unerwarteter Zusammenprall«

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»Ein Iced Caramel Macchiato mit Sojamilch bitte«, bestellte ich mein favorisiertes Getränk bei Starbucks. Das grüne Symbol stach mir entgegen, als die Bedienung einen der Becher in die Hände nahm. Fragend blickte sie mich an.

»Dein Name?«, bracht sie gelangweilt über die Lippen und drückte den Stift auf das feine Plastik.

»Sara.« Neugierig verfolgte ich die niedergeschriebenen Buchstaben und realisierte wie üblich, dass mein Name falsch geschrieben wurde.

»Danke.« Lustlos stellte das junge Mädchen den Becher auf dem Tresen ab. »Du kannst dich dort hinten anstellen.«

»Da hatte aber wer richtig gute Laune«, flüsterte mir Jazz belustigt zu und rollte mit den Augen. »Die beflügelnde Motivation war ihr förmlich ins Gesicht geschrieben.«

»Und die Kundenfreundlichkeit auch«, erwiderte ich ebenfalls dämlich grinsend und blieb zusammen mit Jazz am anderen Ende des Tresen stehen.

»Wollen wir uns trotzdem gleich nach draußen setzen?«, richtete sich Jazz an mich und deutete auf einen kleinen freien Tisch auf dem gepflasterten Grund.

»Ja, du kannst ruhig schon gehen, dann nehme ich gleich die Getränke mit«, stimmte ich ihrer Idee.

»Alles klar.«

»Ich habe dir doch jetzt schon drei Mal gesagt, dass es wichtig ist, wie du die Belege aufbewahrst, Kitera!«, drang die genervte Stimme eines jungen Mannes in meine Richtung. Unauffällig ließ ich meinen Blick durch das Café wandern und entdeckte einen attraktiven jungen Mann in einem luxuriösen Anzug. Wütend hatte er seine eine Hand zu einer Faust geballt und meckerte die Person an seinem Telefon mit einem gereizten Gesichtsausdruck an.

»Ich bin es langsam leid, es kann doch nicht sein, dass du die immer verlegst! Für die Steuern des Unternehmens sind die wichtig oder möchtest du all die Kosten übernehmen?«, fuhr er mit gedämpfter Stimme fort und trat an den Tresen der gelangweilten Mitarbeiterin. »Einen schwarzen Kaffee, bitte.«

»Ohne Milch?«, hakte die Bedienung nach und beäugte ihn aus funkelnden Augen, doch er schenkte ihr keine Aufmerksamkeit.

»Schwarzer Kaffee trägt nicht umsonst diesen Namen, das sollten Sie als Barista eigentlich wissen...«, brachte er gereizt über die Lippen und hielt seine EC-Karte schon erwartungsvoll auf das Lesegerät.

Dieser Mann war mit Sicherheit ein Geschäftsmann und ein äußerst strenger noch dazu. Für ihn würde ich definitiv nicht arbeiten wollen. Kopfschüttelnd wendete ich meinen Blick von dem mies gelaunten Fremden ab und sah aus dem Augenwinkel, wie der Kaffee von Jazz über den Tresen glitt.

»Sara«, erklang die Stimme der anderen Barista und mein Macchiato gesellte sich zu Jazz' Cappuccino hinzu.

»Entschuldigung? Könnte ich noch einen Rührstab und Zucker dazubekommen?«, versuchte ich die Aufmerksamkeit der Frau auf mich zu lenken, während sie konzentriert den schwarzen Kaffee des Fremden zubereitete. Zielsicher griff sie nach dem Behälter und überreichte mir den Extrawunsch von Jazz.

»Super, danke.« Lächelnd nahm ich den Zucker und Rührstab entgegen, um sie kurz darauf in den warmen Cappuccino von Jazz zu tauchen. Es war mir wirklich ein Wunder, wie man bei diesem Wetter warmen Kaffee trinken konnte. Schnell mischte ich ihre heiße Plörre um und warf den Holzstab in die Tonne neben mir. Ich drehte mich nur eine Sekunde weg, als ein leiser Knall erklang und ich meinen Fuß erschrocken vor plötzlicher Hitze rettete.

»Was zur Hölle...«, nuschelte ich und drehte mich verwirrt zu dem Getränk von Jazz, welches nun den Boden zierte.

»Oh, entschuldigen Sie, das wollte ich nicht«, erklang die peinlich berührte Stimme der gelangweilten Barista, welche zuvor noch an der Kasse gestanden hatte. »Meine Kollegin macht ihnen sofort einen neuen.« Uninteressiert wanderte ihr Blick von mir zu dem wohlhabenden Geschäftsmann. Sie war so beschäftigt gewesen, ihn mit ihren Augen auszuziehen, dass sie mit ihrem Ellbogen glatt meinen Iced Caramel Macchiato abgeräumt hatte.

»Eine Frechheit«, murmelte ich verstimmt. Ich beschwerte mich wirklich selten, aber bisher war es mir auch noch nie passiert, dass mir jemand einen Kaffee halb über die Zehen geschüttet hatte und sich die besagte Person nicht darum kümmerte.

»Wie bitte?«, wendete sich das junge Mädchen vorlaut an mich und warf mir einen erbosten Blick.

»Du hast schon richtig gehört. Erst meinen Kaffee verschütten und es dann als Bedienung noch nicht mal weg machen, sondern einen jungen Mann anhimmeln.« Gereizt strich ich mir eine Strähne aus dem Gesicht und beugte mich zum Boden herab. »Könntest du mir wenigstens einen Lappen geben?«

»Pff!« Mit einem abschätzenden Blick und einem diabolischen Grinsen im Gesicht nahm sie den schwarzen Kaffee des Geschäftsmannes in die Hand und schubste ihn über die glatte Oberfläche des Tresens. Ich habe die heiße Plörre schon mein Gesicht verbrennen sehen und meinen markerschütternden Schrei wie einen lauten Hall im kleinen Café gehört, doch eine von sonnengeküsste Hand schob sich vor mein Blickfeld.

»Danke für den Kaffee, nächstes Mal wenn es geht ein wenig sanfter«, hörte ich die tiefe Stimme, welche nun weniger gereizt und nur noch verstimmt klang. Ein wenig verwirrt, wie er so schnell hierher gekommen war, richtete ich mich mit dem leeren Plastikbecher des ehemaligen Cappuccinos von Jazz auf und stellte ihn auf den trockengebliebenen Tresen.

»Dankeschön für die helfende Hand, sonst wäre Ihr Kaffee genauso leer wie dieser«, mischte ich mich ein und nahm mir eine Serviette aus der hölzernen Halterung. Erst jetzt bemerkte mich der fremde Mann und bedachte mich mit einem überraschten Ausdruck in den Augen.

»Kein Problem.« Seine braunen Augen strahlten mich förmlich an.

»Ihr neuer Cappuccino«, meldete sich die höfliche Mitarbeiterin zu Wort und schob mir einen neuen Becher zu. »Und es tut mir wirklich leid, wie sich meine Kollegin verhalten hat. Ich werde es auf jeden Fall unserem Chef melden.«

»Mir ist ja bis auf einen nassen Fuß zum Glück nichts passiert«, erwiderte ich nur erleichtert über die verhinderte Kaffeeattacke und sah, wie die unfreundliche Kollegin neben ihr, mich aus verstimmten Augen musterte.

»Na dann, danke nochmal und auf wiedersehen«, richtete ich mich erneut an den fremden, äußerst attraktiven Mann und griff nach den beiden Getränken. Ein wenig überfordert wirkend, nickte er nur und nahm einen Schluck von seinem schwarzen Kaffee.

»Komm wir gehen doch schon direkt zur Unterkunft, die Bedienung hier erscheint mir als zu angriffslustig, das wir hier sicher sitzen können«, begrüßte ich Jazz, welche es sich bereits in dem Stuhl bequem gemacht hatte.

»Wie siehst du denn aus?« Belustigt legte sich ihr Blick auf meine mit brauner Flüssigkeit bedeckten Zehen.

»Das erkläre ich dir auf dem Weg nach Hause.«

The Only OneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt