»Ein erfolgreicher Einkauf«

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»Die Geschäfte hier sind einfach nur unfassbar«, schwärmte Jazz begeistert und betrachtete das rote Kleid in ihren Händen. »Das musst du unbedingt anprobieren, es wird dir wundervoll stehen!«

»Das ist nichts für mich«, meinte ich nur abwinkend und zog ein schlichtes Shirt von der Kleiderstange.

»Aber, aber! Du hast selbst gesagt, du möchtest mehr in Bezug auf dich selbst wagen. Ein Kleid ist dafür der perfekte Anfang. Mit Veränderungen beginnt man immer klein.«

»Eine neue Sara Johnson also?«, erwiderte ich nachdenklich.

»Genau. Zeig ihnen was wirklich in dir steckt.« Begeistert funkelten mich ihre grünen Augen an.

»Was meinst du wie sehr die Reue in Nick steigen wird, wenn er sieht, dass du dich nicht mehr versteckst, sondern dich in den Sachen präsentierst, die dir wirklich gefallen. Ich weiß, dass es schwer ist das Selbstbewusstsein dafür zu bekommen, aber in einem fremden Land bietet sich die beste Chance für einen Imagewechsel. Also warum nicht etwas neues ausprobieren?«, ermutigte sie mich und streckte mir das Kleid entgegen.

»Und du meinst nicht, dass es zu gewagt sein könnte? Ich möchte keine belustigten Blicke von Fremden abbekommen...«, zweifelte ich, während meine Fingerspitzen vorsichtig über den hochwertigen Stoff des Kleides fuhren.

»Gefällt es dir?« Fragend richteten sich die Augenbrauen meiner besten Freundin in die Höhe.

»Ja, aber...«, antwortete ich nachdenklich und wollte zu einem weiteren Satz ansetzen, doch die unterbrach mich bestimmt.

»Dann gibt es kein „aber", es sollte dich nicht kümmern, was andere von dir halten. Du selbst solltest immer hinter deinen eigenen Entscheidungen stehen und dein größter Fan sein, nicht andere. Wo würden wir nur hinkommen, wenn die Meinung anderer dich mehr interessiert, als deine eigenen Ansichten?« Entschieden griff sie zu einem glitzerndem Paar silberner Sandalen mit winzigen Absatz. »Und die kannst du perfekt dazu anziehen.«

»Du hast recht. Ich sollte nicht mehr so viel Wert auf die Gedanken anderer legen. Vermeiden lässt sich das bestimmt nur selten, aber mehr Selbstbewusstsein bedeutet auch, den eigenen Wert mehr zu sein. Einen Wert, der nicht zugelassen hätte, dass ich mich auf Nick einlasse. Er war als Womanizer bekannt, doch ich wollte es vorher nicht sehen und als es dann aufflog, war es schon zu spät.«

»Besser hätte ich es nicht sagen können«, entgegnete Jazz und schlüpfte mit den verschiedensten Oberteilen hinter den dicken Vorhang der Umkleide.

Lächelnd wagte auch ich den Schritt in das Ungewisse und ließ den Stoff hinter mir zu fallen. Wäre Jazz nicht immer an meiner Seite und würde mich aus meiner Düsternis in das Licht ziehen, hätte ich bestimmt schon oft genug aufgegeben. Für mich war Jazz genau der strahlende Stern im Himmel, den ich brauchte und kein Mann der Welt würde diesen zum Erlöschen bringen.

»Und schon in dein neues Lieblingskleid reingeschlüpft?«, drang die neugierige Stimme von Jazz zu mir durch, dicht gefolgt von dem Rascheln ihres Vorhangs.

»Einen Moment noch.« Vorsichtig zog ich den eingearbeiteten versteckten Reisverschluss von meiner Taille bis zur Brust nach oben und strich den Stoff behutsam zurecht. Aufgeregt wanderte mein Blick zu dem ausladenden Spiegel direkt vor mir. Staunend blickte ich mein eigenes Spiegelbild an. Kurven, die ich meistens nicht zur Show stellte, kamen zum Vorschein und eine kräftige Farbe ersetzte meine eher triste Kleidung. Das erste Kleid welches meinen Körper schmückte und weder schwarz noch weiß war. Ich hatte immer gedacht, dass das kleine schwarze zu dem Jahrestag von Nick und mir etwas besonderes war, doch ich hatte mich geirrt. Dieser rote feine Stoff schlug es um Längen und zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich wie eines der Mädchen, die die vergötternden Blicke fremder Männer auf sich zog und nicht in der Masse verschwand. Das in dem Kleid war nicht mehr das graue Mäuschen von früher. Ganz im Gegenteil, es war genau die Verwandlung, die ich brauchte und wollte. Auch wenn Nicks Verrat die widerlichsten und traurigsten Gefühle in mir wachgerüttelt hatte, sein Betrug löste auch etwas Gutes in mir aus, wofür ich ihm danken konnte. Endlich bekam ich den Mut, das zu zeigen, was wirklich in mir steckte.

»Du siehst unfassbar aus!« Begeistert linste Jazz durch die schmale Lücke zwischen dem Vorhang und der hölzernen Umkleide. »Das wird definitiv dein Outfit für den heutigen Abend und wehe du stehst wieder nur den ganzen Abend an der Bar!«

The Only OneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt