»Das erste Mal im Glasiara Coffee House«

1.9K 102 18
                                    


»Ich lasse dich dann jetzt ein wenig alleine«, erklang die Stimme meiner neuen Chefin. Ihre ergrauten Haare rückten aus meinem Sichtfeld und ihr blumiger Duft verschwand zusammen mit ihr. Seit dem frühen Morgen befand ich mich in dem schnuckeligen Café von Glasiara Verde und gab die verschiedensten Gerichte in die Kasse ein. Die Studenten tummelten sich selbst an einem Wochenende wie diesem anscheinend lieber in dem modern eingerichteten vintage Café, als in den hippen Restaurants im Zentrum von New York. Die herbstliche Sonne durchflutete die ausladende Fensterfront und die kühle Mittagsluft besaß in dem herzerwärmenden »Glasiara Coffee House« keinen Platz.

»So sieht man sich wieder«, holte mich eine weibliche Stimme aus den Gedanken und ich erblickte das strahlende Grinsen von Jazz. »Ich habe dir ja gesagt, die nehmen dich mit Sicherheit.« Jasmines Blick wanderte suchend nach Glasiara durch das Café.

»Wie kann ich dir behilflich sein?«, entgegnete ich grinsend und deutete auf die prall gefüllte Vitrine voller zukünftigen Begierden von Naschkatzen wie Jazz.

»Erstmal auf jeden Fall einen Pumpkin Spice Latte«, meinte sie entschieden. »Josy meinte, der soll verdammt lecker sein, auch wenn ich nicht unbedingt so der Kürbisfan bin.« Nachdenklich legte sich ihr Blick auf die Ausstellung voller anbetungswürdigen Leckereien. »Dieser Anblick macht es mir wirklich nicht einfach«, murmelte sie, bevor sich ihre Augen auf mich richteten. »Was würdest du denn empfehlen?«

»Wie wäre es mit einen warmen Apfelkuchen? Der ist eben erst aus dem Ofen gekommen und dazu kannst du dir auch Vanilleeis und Soße nehmen. Kostet einen Euro mehr«, schlug ich ihr meine Lieblingsspeise der letzten Tage vor. Alleine bei dem Gedanken an den Kuchen spürte ich schon, wie mein Magen sich vor Hunger zusammenzog.

»Wenn das die Empfehlung der Meisterverkäuferin ist, dann folge ich dieser besser.« Mit einem Funkeln in den Augen bildete sich ein freches Grinsen auf ihrem Gesicht. »Aber da ich lieber teile, als alleine zu essen, möchte ich noch einen Iced Caramel Macchiato und einen zweiten Apfelkuchen dazu.«

»Jazz.« Verstimmt betonte ich ihren Namen. »Ich kann nicht einfach so eine Pause machen. Das muss ich vorher mit Glasiara abklären.«

»Wer sagt etwas von Pause?«, erklang urplötzlich die Stimme meiner Chefin. Feine Linien zierten ihr vor Freude strahlendes Gesicht. »Du hast heute genug gearbeitet. Für die erste Woche hast du dich wirklich gut geschlagen. Außerdem kann man zu unseren Köstlichkeiten doch gar nicht nein sagen, nicht wahr?« Ihr Ausdruck in den Augen wirkte schon beinahe belustigt. »Setzt euch, eben gerade ist ein Platz hinten in der kuscheligen Ecke des Cafés frei geworden.«

»Moment!« Der Finger von Jazz reckte sich in die Luft, während die andere in ihrer überdimensional großen Tasche verschwand. »Wie viel macht das dann?« Schnell tippte ich den letzten Rest der Bestellung ein.

»Einundzwanzig Euro und vierzig Cent«, antwortete ich zügig, als ich sah wie der nächste Gast hinter Jasmine trat.

»Ach was, das geht aufs Haus. Komm schon, ich mache hier weiter. Du hattest ohnehin noch keine Pause und deine Freunde sind auch meine. Zumindest solche wie Jasmine, die sich jeden Tag in meinem Café blicken lässt.« Entschieden schob mich die zierliche Glasiara zur Seite. »Jetzt guck nicht so schuldig. Das passt schon, ich weiß, dass ich mir das erlauben kann. Außerdem bist du normalerweise die Letzte, die nach Bevorzugungen fragen würde. Diese Woche hast du jedenfalls immer die blödesten Schichten übernommen.« Glasiara bedeutete mir die Schürze abzulegen. »Nele bringt euch gleich eure Bestellung, sie müsste hier jeden Moment erscheinen.«

Dankend lächelte ich sie an und konnte nicht fassen, was für ein großzügiger Mensch meine Chefin war. Sie strahlte nicht nur diese unfassbare Herzenswärme aus, sondern besaß sie auch tatsächlich in den Tiefsten Ecken ihres Herzens.

The Only OneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt