Pläne schmieden

365 17 2
                                    

Ich sah hektisch auf, als die S-Bahn anhielt, schnappte mir meine Umhängetasche und sprang gerade noch so aus der Bahn, bevor diese wieder los fuhr. Ich zog meine Kopfhörer aus den Ohren und stopfte sie in die Tasche zu den Unterlagen, während ich mich auf den Weg zu Nico machte. Zehn Minuten später stand ich vor der Haustür und klingelte. Der Summer ertönte und ich sprang die Stufen des Altbaus hoch bis in den dritten Stock, wo Nico schon in der Tür wartete. „Hey Jenny, komm doch rein. Gut hergefunden?" Ich lachte, kickte meine Schuhe von den Füßen und folgte ihm ins Wohnzimmer. „Mit geschlossenen Augen." Ich hatte schließlich bis vor drei Wochen auch hier gewohnt. Ich legte meine Tasche auf die Couch und setzte mich daneben. Es war schon irgendwie krass, dass ich jemand so Bekanntes zu meinen Freunden zählen durfte und ihm sogar bei der Arbeit helfen durfte. Hätte man mir, dass vor einem Jahr gesagt, hätte ich vermutlich nur laut gelacht. „Ich hab mir ein paar von deinen Talenten schon mal angesehen", meine ich und zog meine dicke Mappe und mein Tablet aus der Tasche. „Uh, das ist super. Und was hältst du von ihnen?", fragte Nico, während er mir eine Tasse Kaffee auf den Couchtisch stellte und sich dann neben mich setzte. „Nun, meine Vermutung von vorgestern hat sich bestätigt. Die sind nicht nur persönlich mega, sondern auch gesanglich einzigartig. Ich bin gespannt, welche Kombis du in die Battles schickst." „Glaub mir, das wird der totale Hammer." Nico zog einen Zettel hervor und erzählte mir seine Kombinationen und Songvorschläge. Die Auftritte seiner Talents, die ich noch nicht kannte, schaute ich mir an und gab dann meistens meine Zustimmung zu seinen Vorschlägen. Ich hatte als Nicos Assistentin die Einspielvideos und Auftritte seines Teams schon im Voraus in der fertigen Sendeversion bekommen. So konnte ich mir gleich noch ein besseres Bild von den einzelnen Persönlichkeiten machen. „Maël und Jonas gegen Mohammed mit dem Song ‚Aïcha' von Khaled", las Nico vor. Ich nickte und suchte nach dem Video von Mohammed. Es stellte sich heraus, dass er aus Syrien geflohen war und jetzt hier in Deutschland bei der Agentur für Arbeit arbeitete. Ich bekam sehr großen Respekt vor ihm. Ich konnte nicht nachempfinden, was er in seinem Leben alles gesehen und gefühlt haben musste und seine positive Einstellung beeindruckte mich dadurch umso mehr. In den Blinds hatte er ein Lied aus seinem Heimatland gesungen. Es war etwas anderes als ein deutscher oder englischer Song. Die Stimmung war eine ganz andere, aber trotzdem nahm mich das Lied mit. Ich kaute auf meiner Unterlippe rum, während ich darüber nachdachte, wie wohl sein weiterer Weg in der Show aussehen könnte. Klar, war er einzigartig, aber passte er mit seiner Art Musik hier rein oder war das doch zu speziell? Ich bemerkte, dass mich Nico von der Seite ansah, ging jedoch nicht darauf ein. Stattdessen suchte ich nach dem Video des Duos und startete es. Zuerst wurde Jonas vorgestellt. Er war 19, kam aus Koblenz und machte gerade sein Abitur. Sein Kumpel Maël kam ebenfalls aus Koblenz, war 24 und studierte. Außerdem hatte er eine kleine Tochter. Die beiden Freunde kannten sich seit sieben Jahren und machten wohl auch schon eine ganze Weile Musik miteinander. Bei der Szene in ihrem Proberaum runzelte ich die Stirn und drehte den Ton lauter. „Hör mal", sagte ich zu Nico. Die beiden spielten einen Song, den ich noch nie gehört hatte, der mir aber wahnsinnig gut gefiel. „Kennst du den Song?" Nico schüttelte den Kopf und meinte: „Vielleicht selbst geschrieben?" „Mag sein", murmelte ich und sah dann wieder auf den Bildschirm. Maël und Jonas wirkten wie die totalen Gegensätze, aber trotzdem spürte man einen positiven Vibe von ihnen ausgehen. Ihre Blind Audition waren der absolute Wahnsinn. Ich hatte den Auftritt und die Reaktion des Publikums schon einmal mitbekommen und auch jetzt bekam ich gute Laune von den beiden. Es war eine schöne Abwechslung, wenn in diesen Zeiten nicht nur traurige Lieder gesungen wurden. Das Video endete und ich legte mein Tablet zur Seite. „Ich verstehe, warum du die drei gegeneinander antreten lässt. Sie alle bringen einen positiven Vibe mit. Aber bist du dir bei dem Song sicher? Wäre es nicht besser, ihnen einen fröhlicheren Song zu geben?", fragte ich und stützte mein Kinn auf die Faust. Nico kratzte sich den Bart. „Ja, du hast schon recht, aber ich möchte gerne wissen, was sie aus so einem Song machen können." Ich nickte langsam. Ja, das könnte wirklich interessant werden. Ich ertappte mich dabei, dass ich an meinen Fingernägel kaute, während ich darüber nachdachte, wie weit die Reise für Maël und Jonas wohl gehen könnte. Meiner Meinung nach waren die Sing-Offs definitiv drin, wenn die beiden den Song hinkriegen würden. „Na, wo bist du denn gerade gewesen?", fragte mich Nico und grinste dabei. Ich kratzte mich am Hinterkopf und meinte dann: „Schon in den Battles. Komm, lass uns weiter machen. Sag mal, hast du eigentlich Hunger?"

Don't leave me, Johnny || Maël und Jonas FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt