Aussprache - Teil 1

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Auf dem Flur war keine Menschenseele. Ich sah einmal nach links und rechts und entdeckte Jonas, wie er zum Ende des Ganges lief. „Johnny, warte", rief ich. Er schaute kurz über seine Schulter, lief jedoch weiter. Ich fing an zu rennen, soweit das mit meinen hohen Stiefeletten eben ging, und kam schließlich schlitternd vor ihm zum Stehen. „Kannst du dir vorstellen, dass du die letzte Person bist, mit der ich gerade reden will? Was bitte willst du denn eigentlich von mir?" Er war sauer und das merkte man. „Genau deshalb will ich mit dir reden." Ich hörte Stimmen hinter ihm, sah über seine Schulter hinweg Leute aus dem Studio kommen und zog ihn mit mir um die nächste Ecke, wo ich ihn leicht gegen die Wand drückte. Er sah mich sichtlich verdutzt an und ich begann schnell zu sprechen: „Pass auf, wir haben nicht viel Zeit zum Reden, also werde ich so viele Infos in meinen Monolog packen wie geht, okay?" Er nickte und ich ließ ihn los. „Gut, erstens euer Auftritt war der absolute Wahnsinn und dein Gitarrensolo hat mich total umgehauen. Zweitens muss ich dich fragen, bist du sauer auf mich?" Er seufzte und verdrehte die Augen. „Ich weiß nicht, was ich bin, Jenny. Erst gibst du mir vor den Sing Offs einen der schlimmsten Laufpässe, den man sich vorstellen kann, dann forderst du mich bei der After Show-Party zum Tanzen auf, als wäre nix, dann tust du so, als wäre ich dir vollkommen Schnuppe und heute sehe ich, dass ein Bild von mir auf deinem Sperrbildschirm ist. Was soll ich da bitte denken?" Ich nickte und legte dann los: „Okay, was das angeht, du warst mir nie egal und was den Korb betrifft, mir blieb keine andere Wahl." „Was soll das denn heißen?" „Das heißt im Klartext, dass in meinem Arbeitsvertrag drin steht, dass ich nichts mit einem Talent aus dem Team Nico Santos anfangen darf, es sei denn das Talent ist ausgeschieden oder steht alleine im Finale." Er hob die Augenbrauen und fragte ungläubig: „Das steht da drin?" „Naja, zumindest ungefähr. Tut aber nichts zur Sache. Johnny, ich musste deine Einladung ablehnen, weil ich nicht mehr Zeit mit dir verbringen durfte. Das hätte den Eindruck erweckt, dass du und Maël bevorzugt werdet und dieser Eindruck hätte mich dann den Job gekostet, was fatal für mein Studium und meinen Kontostand gewesen wäre. Du gehst mir schon seit den Battles nicht mehr aus dem Kopf und es tat mir so furchtbar leid, dass ich dich vor den Kopf stoßen musste. Es war wirklich nichts gegen dich. Und ja, ich war sehr ruppig zu dir, weil ich gesehen hatte, dass ich auf deinem Sperrbildschirm bin, als du mir das Video von ‚Safe' gezeigt hast. Ich wusste in dem Moment nicht, was ich tun sollte. Und vorhin das mit meinem Handy war volle Absicht von mir, weil ich wollte, dass du noch vor dem Halbfinale weißt, dass du mir mehr als nur ein bisschen was bedeutest. Die Wahrheit ist, dass ich total verknallt in dich bin und den Korb am liebsten zurücknehmen will, weil ich Angst habe, dadurch meine Chance bei dir verspielt zu haben." Ich holte Luft, schnelles Reden war nicht gut für die Atmung. Jonas sah mich immer noch an und schüttelte leicht lächelnd den Kopf. „Bist du jetzt fertig?" Ich nickte. „Gut, dann sage ich dir jetzt, dass wir nach der Show da noch mal in Ruhe drüber reden." „Hab ich bei dir verschissen?" Ich hatte Angst, dass er ja sagen würde, doch er schüttelte nur den Kopf. „Nein, es ist alles gut. Darf ich dich jetzt trotz Corona endlich mal umarmen?" Als Antwort schlang ich meine Arme um seinen Hals und ließ zu, dass er mich fest an sich drückte. „Ich war immer so eifersüchtig auf Max, weil er das schon die ganze Zeit machen durfte." Ich kicherte. „Max ist nur ein Freund", sagte ich leise, „kein Grund, eifersüchtig auf ihn zu sein." In diesem Moment hörte ich, wie sich die Studiotür öffnete und jemand rief: „Cordula, bist du hier? Wir machen in drei Minuten weiter." „Komme sofort, Michael", rief ich zurück und löste mich von Jonas. Der sah mich mit einem riesigen Fragezeichen im Gesicht an. „Cordula?" „Lange Geschichte. Erzähle ich dir später mal. Komm, die Pflicht ruft", meinte ich lachend. Ich wollte schon um die Ecke biegen, da fragte Jonas: „Hast du zufällig noch ein Haargummi dabei?" Ich runzelte die Stirn. „Wofür brauchst du das denn jetzt?" „Jetzt nicht, aber nach der Show", erwiderte er schulterzuckend. Ich lachte und gab ihm das braune Haargummi, das ich am Handgelenk hatte. „Du hast ja wirklich alles dabei", meinte er lachend. Auch ich musste grinsen und erwiderte: „Ich bin halt gerne vorbereitet." Dann lief ich im Eiltempo zurück ins Studio, Jonas folgte mir. „Na, da bist du ja endlich. Und Johnny hast du auch gleich gefunden. Sieh zu, dass du wieder in deinen Stuhl kommst", sagte Nico zu dem frisch gebackenen Finalisten. „Du aber auch", konterte dieser, zwinkerte mir noch einmal zu und verschwand dann wieder auf die Bühne. „Und hat geklappt?", fragte Nico mich leise, kaum dass Jonas weg war. „Aber sowas von", flüsterte ich breit grinsend zurück.

Don't leave me, Johnny || Maël und Jonas FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt