Johnnys Überraschung

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Es wurde Freitag und die Nervosität der Finalisten stieg langsam aber sicher. Ich saß während meiner Pause im Papplikum und sah bei Alessandros Proben zu. „Jenny?" Ich sah hoch zu Paula, die neben mich getreten war. „Hey Paula. Wie geht es dir?", fragte ich lächelnd. „Sehr gut. Könntest du mal bitte mitkommen? Es gibt da jemanden, der eine Überraschung für dich hat." Ich legte den Kopf schief und zog meine Maske wieder über. „Eine Überraschung? Für mich? Wieso das denn?" Sie sagte nichts, sondern lächelte nur. Ich stand auf. „Okay, dann folge ich dir mal." „Leider darfst du auch nicht wissen, wo es hingeht", erwiderte Paula entschuldigend und reichte mir einen Schal. Ich nahm ihn, seufzte und verband mit mir selbst die Augen. Ich liebte Überraschungen und machte deshalb solche Aktionen gerne mit. An dem Schal hing ein Geruch, der mir sehr bekannt vorkam. „Johnny", murmelte ich leise und schüttelte lächelnd den Kopf. Was hatte er jetzt schon wieder vor? Paula nahm meine Hand und führte mich durch das Studiogebäude. Zwischendurch kamen wir immer wieder an Leuten vorbei, denen ich auch Hallo sagte, aber wer das genau war, konnte ich meistens nicht sagen. Irgendwann hatte ich auch den letzten Rest der Orientierung verloren. Paula führte mich scheinbar über mehrere Umwege, doch das machte mir nichts aus. Wir redeten die meiste Zeit, wie wir es auch sonst immer machten, wenn wir Zeit zusammen verbringen konnten. Irgendwann änderte sich die Geräuschkulisse. Es wurde leiser um uns herum und ich konnte deutlich unsere Schritte widerhallen hören. Ich fühlte einen leichten Luftzug an den Ohren. „Hey, sind wir im Propellerraum?", fragte ich Paula. Der Propellerraum war ein Raum, in dem die Kulisse für die Einspieler der Liveshows aufgebaut war. Ich war hier schon öfters gewesen. Die Kulisse bestand aus Leuchtröhren, vielen Scheinwerfern und eben auch drei großen Belüftungsventilatoren, die sich zur Deko langsam drehten. Ich liebte es hier. Paula nahm mir den Schal ab und sagte: „Lass die Augen noch zu, bis ich weg bin." Ich nickte und ließ die Augen zusammengekniffen. Als ich hörte, wie ihre Schritte in der Ferne verklangen, öffnete ich sie. Wie gut, dass ich gerade heute meine Kontaktlinsen drin hatte. Trotzdem mussten sich meine Augen erst an die vielen Lichter gewöhnen. Ich grinste, als ich Johnny mitten in der Kulisse stehen sah. Er trug die blau-weiße Collegejacke aus dem Halbfinale, darunter ein dunkles Hemd mit viel Muster, schwarze Jeans und seine weißen Chucks. Seine Haare waren heute mal offen und er hatte sich seine grün-schwarz schimmernde E-Gitarre umgehängt. Aber am schönsten war sein von Herzen kommendes Lächeln. „Hmmm, was soll ich wohl jetzt für dich tun?", begrüßte ich ihn schmunzelnd. Er runzelte die Stirn. „Wie kommst du darauf?" Ich ging zu ihm. „Keine Ahnung. Kann auch sein, dass ich einfach gerade ein Déjà Vu vom Halbfinale erlebe. Oder dass es ein reiner Zufall ist, dass du hier gerade im gleichen Look wie letzte Woche stehst, wo ich dir doch vorgestern beim Drehen hier erst erzählt habe, dass du mich damit nochmal rumgekriegt hast." Ich blieb vor ihm stehen und sah ihm in die blauen Augen. „Oh, und dann noch die Tatsache, dass hier absolut gar keiner ist. Jap, definitiv nur ein Zufall." Er lachte und ließ seine Gitarre über den Gurt auf seinen Rücken rutschen. „Willst du jetzt auch noch den richtigen Grund haben?", fragte er und ich nickte. „Du hast gesagt, dass du es aus jetziger Sicht schade findest, dass wir letzte Woche hier kein Foto zusammen gemacht haben, weil du das gerne als Erinnerung gehabt hättest. Also hab ich mir gedacht, dass man das noch nachholen kann, hab ein bisschen unauffällig rumgefragt und so rausgefunden, dass hier von zehn bis zwölf keiner ist. Dann habe ich Paula gefragt, ob sie dich hierher bringen kann. Allerdings musste ich ihr dafür erzählen, warum." „Lass mich raten, sie hat dir mir zur Liebe gerne den Gefallen getan." „Jap. Der springende Punkt ist jetzt aber, dass wir bestimmt eine Dreiviertelstunde Zeit haben, so viele Fotos zu machen, wie du willst, ohne dass uns einer stört", endete er. Ich musste immer noch grinsen. Das war echt wahnsinnig süß von ihm. „Ist dir das nicht zu kitschig?", wollte ich wissen. Eigentlich war er nicht so der romantische Typ. Zumindest behauptete er das. Ich sah das allerdings ein bisschen anders. Er wiegte den Kopf von einer Seite zur anderen und erwiderte: „Ein wenig, aber das ist mir gerade mal egal." Die Idee stellte sich als genau das Richtige, um den Stress der Show zu entfliehen, heraus. Jonas war schon immer eine Person, der manchmal ein bisschen zu albern für das ernste Showbusiness war, aber heute tat mir das einfach nur gut. Wir blödelten herum und schossen Fotos und irgendwann fand ich mich in seinen Armen wieder. Ich lachte, während ich immer noch ein bisschen aus der Puste war. „Danke, dass du das möglich gemacht hast." Meine Hände lagen auf seinem Hemd und ich fühlte, wie sein Herz darunter wie wild pochte. Meinem ging es vermutlich ähnlich. Er zog mich noch ein wenig näher an sich und küsste mich. Ich verschränkte meine Arme in seinem Nacken und ließ mich in den Kuss fallen. „Manchmal frage ich mich echt, womit ich dich verdient habe", murmelte er leise. Ich strich ihm liebevoll eine Haarsträhne aus dem Gesicht, während er fortfuhr: „Ich meine, du bist so intelligent und warmherzig und hilfsbereit und talentiert und dazu noch unfassbar hübsch. Da weiß ich manchmal gar nicht, wieso du dich ausgerechnet in mich verliebt hast." „Danke für das Kompliment. Weißt du, aber eigentlich ist die Antwort darauf ganz einfach." „Aber sind nicht Frauen wie du eher mit Typen zusammen, die halt nicht so wie ich sind?" Ich verdrehte die Augen. „Jonas, dieses Gespräch führen wir nur dieses eine Mal. Weil nochmal beantworte ich dir so eine hirnrissige Frage nicht." Er sah mich erschrocken an. „Jen, sorry, ich..." „Nenene, jetzt bin ich dran. Ich fand Typen, die nur sich selbst toll finden, immer schon scheiße, auch wenn ich das eine Zeit lang nicht eingesehen habe. Die sind alle irgendwie gleich, gehen jeden Tag ins Gym, saufen die Wochenenden durch und brüsten sich dann damit, wie toll sie in diesem und jenem sind. Du hingegen bist einfach nur du. Du überzeugst die Leute, ohne dass du es willst. Du weißt, dass du gut bist in dem, was du tust, aber lässt das nicht raushängen. Du schätzt, was du hast und du arbeitest hart für deinen Erfolg. Du bringst so eine Lockerheit und Freude mit, die total ansteckend ist. Johnny, ich brauch niemanden, der fake und so nullachtfünfzehn ist, ich brauche jemanden, der echt ist und jemanden, der mich so akzeptiert, wie ich bin und nicht nur aus Statusgründen mit mir zusammen ist. Ich habe früher so oft blöde Machosprüche von eben solchen Typen gehört und die kotzen mich immer nur an. Aber du bist überhaupt nicht so, sondern genau die Person, die mich glücklich macht. Und bevor du jetzt mit dem drei Jahren Altersunterschied weitermachst, der ist mir vollkommen egal. Es gibt nicht viele 19-jährige, die schon so weit sind wie du. So, ist das Thema jetzt erledigt?" Er nickte. „Nochmal sorry, das war dumm von mir." „Jap, das war es." „Kann ich das wieder gut machen? Date Night heute Abend? Ich bring einen Film und Pizza mit." Ich musste wieder lächeln, zog ihn wieder zu mir und küsste ihn noch einmal. „Abgemacht." Manchmal war er echt ein Idiot. Aber ein Idiot, denn ich liebte und das reichte mir.

Don't leave me, Johnny || Maël und Jonas FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt