01

143 8 9
                                    

"Wieso genau tue ich mir das immer an?", seufze ich verzweifelt und puste die verlaufene Strähne aus meinem Gesicht, bis sie schließlich von der Stylisten nach hinten gestrichen wird. 

"Wenigstens wird es doch Alkohol und gutaussehende Jungs geben", erklärt mir Harper, zuckt mit ihren Schultern und greift grinsend nach dem Sektglas, das auf dem Tisch steht. 

"Wenn das bloß reichen würde", murmle ich und ignoriere das Ziehen meiner Haare gekonnt, da ich mit diesem Schmerz quasi aufgewachsen bin. 

Automatisch legt sich ein perfektes Lächeln, das ich schon gut beherrsche, auf meine Lippen, als die Zimmertür aufgeht und meine Mutter den Raum betritt. 

Ohne mich eines Blickes zu würdigen, setzt sie sich auf den leeren Stuhl neben Harper und bespricht mit ihr die Frisur und das Make-up. Wirklich zu hören tue ich nicht, da es mich nicht wirklich interessiert. Auch, als sie sich zu Harper dreht und mit ihr anfängt zu reden. 

Manchmal habe ich das Gefühl, dass sie Harper mehr als ihre Tochter sieht als mich. Einerseits verstehe ich es auch, denn Harper ist nicht nur die beste beste Freundin, noch dazu wunderschön und klug. 

Mit ihren lange schwarzen Haaren und tiefblauen Augen schafft sie es jeden für sich zu gewinnen. Kein Wunder das sie unter Vertrag bei meinem Vater ist. 

Zudem ist sie der freundlichste Mensch, den ich kenne. Sie weiß, wie ich zu meinen Eltern stehe und ich auch nicht ihr größter Fan, aber trotzdem bleibt sie professionell und freundlich ihnen gegenüber. 

Zwar werde ich es nie zugeben, aber ein leichter stechender Schmerz zieht durch mein Herz, als meine Mutter plötzlich lacht. Wann hat sie das letzte Mal meinetwegen oder mit mir gelacht? 

Keine Sekunde später greife ich nach meinem Handy, das ich wirklich nur im Notfall benutze, oder wenn ich Harper schreibe. Ich vermeide mein Handy eigentlich, was eigentlich untypisch für die Gruppe Menschen ist, in die ich reingeboren wurde. 

Gelangweilt scrolle ich meinen Instagramfeed runter und like jedes einzelne Bild, ohne wirklich zu schauen, was es für Bilder sind. Meine Benachrichtigungen schaue ich mir erst gar nicht an, vor allem, weil ich gestern ein Bild hochladen musste. 

Die Kommentare lese ich mir nie wirklich durch, da ich weder meine Posts, noch die Leute mag, denen ich folge und die mir folgen. Ab und zu weigere ich mich den Anweisungen meiner Eltern zu folgen und poste vereinzelt etwas was mir auch wirklich gefällt. 

"Hast du schon das Bild mit Miles gepostet?", fragt mich auf einmal meine Mutter wie aus dem nichts.

Überrascht, dass ich sie überhaupt mit mir redet, schaue ich zu ihr und nickte schließlich. Mit einem Nicken ihrerseits endet so unser Gespräch für heute. 

Harper wirft mir einen gequälten Blick, als meine Mutter wieder zu einem Gespräch ansetzen möchte. Das ist wohl mein Einsatz.

"Harper wie geht es eigentlich James?", frage ich, das was mir als Erstes in den Sinn gekommen ist. Wie ich jetzt auf ihren Bruder gekommen bin, weiß ich selbst nicht, aber ich erleichterte Blick verrät mir, dass es die richtige Frage war. 

"Er wird ab Montag wieder zur Schule gehen, muss aber das Jahr nachholen", erklärt sie mir und wendet sich mir auch zu. 

"Kein Wunder, wenn man auch sowas rücksichtsloses tut", murmelt meine Mutter. Ich versuche meinen Kommentar herunterzuschlucken und verdrehe nur meine Augen. Es hat eh keinen Sinn. 

"Hauptsache ihm geht es gut. Jeder geht mit Trauer anders um", antwortet ihr Harper ehrlich, aber ich sehe, dass der Kommentar meiner Mutter nicht ohne bei ihr vorbeigegangen ist. 

Just hold me tight and don't leave meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt