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Ich sah auf mein Handydisplay und weigerte mich auf den grünen Knopf zu drücken.
Viktor hatte heute Geburtstag und ich wollte ihn aus Prinzip anrufen, aber irgendetwas hielt mich davon ab. Und zwar meine eigenen Gedanken.
Ich schob es schon den ganzen Tag vor mich hin. Und es war Abend. Was habe ich also getan?
Zum Beispiel zu viel Mathe gelernt oder Englischvokabeln wiederholt.
Das Gute daran war, es war hilfreich.
Das Schlechte daran war, Viktor würde mir nicht glauben, wenn ich den ihm sagen würde, dass ihm nicht geschrieben habe, weil ich den ganzen Tag gelernt habe. Also blieb mir keine andere Wahl.

Es piepte für einige Sekunden und ich verdeckte mein Gesicht mit meiner Hand.
Für einen Moment hatte ich gehofft, dass er zu beschäftigt war um mit mir zu telefonieren. Dann nahm er aber doch ab.
„Hey!",,begrüßte ich ihn, „Alles Gute zum Geburtstag!"
Ich versuchte leicht zu lächeln.
„Aww! Danke!"
Kurz musterte ich ihn.
Er hatte sich schick gemacht und sah aus als würde er etwas vor haben. Viktor trug einen weißen Rollkragenpullover und eine blaue Jeans.
Er stützte sich mit seinem Ellenbogen auf seinem Schreibtisch ab und sah glücklich in die Kamera.

„Stör ich?"
„Nein! Ich bin froh das du angerufen hast!"
„Ja...",gab ich dann zu, „Ich dachte ich ruf dich erst abends an, weil du vielleicht zu viel zu tun hast."
Er lachte.
„Ja, heute hatte ich echt viel zu tun.. ha ha."

Es legte sich eine kurze, unangenehme Stille über uns und für einen Moment hatte ich überlegt einfach aufzulegen, mit der Ausrede, dass ich etwas vergessen hatte für die Schule zu tun.
Ich sollte echt aufhören so viel zu telefonieren.

,,Was hast du heute noch vor?",fragte ich dann schlussendlich.
,,Ich geh mit Sebastian in eine Bar... Wobei... habe ich dir schon von ihm erzählt?"
,,Nein."
,,Okay, also. Sebastian ist mein bester Freund, seit der achten Klasse und wir wohnen zusammen, weil er eine Ausbildung in der Nähe meiner Uni macht.",erzählte er freudig, ,,Und er hat eine Freundin, worauf ich vielleicht ein bisschen Eifersüchtig bin."
,,Jedenfalls!",murmelte er dann, „Wir wollen, in ich glaube einer Stunde, in eine Bar gehen und mit ein paar meiner Freunde abhängen."

„Schreib mir keine dummen Sachen, wenn du besoffen bist.",scherzte ich, „Und ruf mich bitte nicht um vier Uhr morgens an."
„So viel werde ich nicht trinken. Und wenn, dann vergesse ich dich für den Moment, versprochen."

[...]

„Psst! Elias!",zischte Ash leise, „Verstehst du was sie an die Tafel schreibt?"
„Nein, nur ein bisschen vielleicht..",flüsterte ich schnell zurück, ohne meinen Blick von der Tafel abzuwenden. Wir hatten gerade Mathe und ich schätzte mal, dass keiner in diesem Klassenraum verstand was Frau Andersson überhaupt erzählte.
„Wo sind wir überhaupt?"
Ich zuckte mit meinen Schultern.
Wenn ich das Thema verstehen würde, hätte ich kein Problem damit, dass keiner von uns ihr folgen konnte. Aber für mich machte nichts Sinn. Weder dass was sie sagte machte Sinn, noch dass was sie an die Tafel schrieb.

„Ah! Elias, Ash, seid ihr schon fertig mit der Aufgabe?",unterbrach uns die Mathelehrerin mit ihrer hohen, gespielt netten Stimme, „Wo wurde der Fehler gemacht und wie lautet der richtige Lösungsweg?"
Ich sah auf die Aufgabe in meinem Heft und verglich sie mit der im Buch während ich hörte wie Frau Andersson zur Tafel lief. Sie trug wieder diese schrecklich lauten Stiefel, die man nur aus alten Horrorfilmen kannte. Mit dem Unterschied, dass dies kein Horrorfilm war, sondern Schule, welche man auch als den Horror bezeichnen könnte.
Wenn es im ganzen Gebäude still wäre, würde man sie bis zu den Parkplätzen vor der Schule hören.
Wobei das auch ein bisschen übertrieben sein könnte.

„Wo sind wir nochmal?",fragte dann zum Glück jemand aus der Klasse.
„Nummer drei b."
Ich sah wieder ins Buch und verglich die Aufgabe mit der an der Tafel.
Die Zahlen stimmten nicht überein und ich schaffte es sie zweimal zu überprüfen, obwohl ich mir nach dem ersten Mal schon sicher war.

„Also, Ash? Wie lautet die Lösung?"
Doch bevor er auch nur versuchen konnte zu antworten oder sich etwas zusammenzureimen konnte, unterbrach ich ihn schnell.
„Sie haben die Antwort schon angeschrieben.",sagte ich dann schnell, in der Hoffnung wir müssten dazu nicht mehr sagen.
Ich hoffte die Sache wäre damit geklärt.
Frau Andersson drehte sich verwundert zu der grünen Tafel um und sah auf den gelben Zettel der auf auf ihrem Mathebuch klebte.
„Tatsächlich...",murmelte sie dann leise, „Mein Fehler. Elias, kannst du uns trotzdem erklären wo der Fehler war?"

Mein Herz setzte einen Schlag aus und ich sah schnell zu meinem besten Freund. Genau das hätte nicht passieren dürfen, obwohl es ja so offensichtlich war. So lief es doch immer. Man dachte man sei sicher, doch dann machte immer ein Lehrer einem einen Strich durch die Rechnung.
Es war wie in der neunten Klasse in Geschichte.
Unsere Lehrerin war unausstehlich und aufdringlich und das Thema, welches leider nicht der zweite Weltkrieg war, interessierte so gut wie keinen.
Wir hatten uns das ganze Jahr auf das Thema rund um den zweiten Weltkrieg gefreut, da es wirklich das einzige war, dass etwas Interesse weckte.
Das Thema war vielleicht schrecklich, doch so war die Welt nunmal. Schrecklich.

Aber darum ging es nicht. Unsere alte Geschichtslehrerin bevorzugte es, Tests und Hausaufgaben erst am Ende der Stunde zu schreiben, beziehungsweise einzusammeln.
Was bedeutete, wenn ich meine Hausaufgaben nicht hatte und dachte, dass sie diese nicht mehr einsammeln konnte, weil die Stunde nur noch fünf Minuten dauerte, würde sie es trotzdem schaffen sie einzusammeln.
Und ich hasste diese Lehrerin so sehr dafür.

Ich blieb still und sah nach vorne und wieder auf mein Heft. Ich verstand die Aufgabe nicht.
Zwar wusste ich welche Zahlen verändert wurden, aber ich verstand nicht warum.
„Nein."
Sie nickte einfach nur und fragte in die Klasse ob jemand anderes den Fehler erkannte.
„Heute seit ihr echt zäh. Wenn ihr diese Aufgabe nicht bis zur Ende der Stunde löst, bekommt ihr sie auch noch als Hausaufgabe auf, welche ich morgen einfach einsammeln werde.",erklärte sie dann.
Ich seufzte, wie mehrere andere, genervt auf.
Jason meldete sich das erste Mal diese Stunde zu Wort und ich konnte mir nur zu gut vorstellen was er sagen wollte.

„Aber es ist nicht unsere Schuld, wenn sie eine schlechte Lehrerin sind."
Frech und vorlaut.
Warum? Jetzt wird die ganze Klasse deswegen leiden müssen! Wir bekommen jetzt bestimmt noch mehr Aufgaben auf.
„Jason, noch ein Wort und du bekommst eine Zusatzaufgabe, die ich benoten werde."
Er lachte auf und setzte zum Sprechen an, doch zum Schluss ließ er sich in seinen Stuhl sinken. Aber er verlor das Grinsen nicht, denn er wusste er hatte einen guten Punkt gebracht.
Ich hätte aber schon gern gewusst was er gesagt hätte, andererseits verstand ich warum er die Klappe hielt. Noch eine Strafarbeit für den nächsten Tag wollte er wohl nicht.

RunningWo Geschichten leben. Entdecke jetzt