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Ich erinnerte mich noch daran, als mein Vater sich im Wohnzimmer mit mir unterhalten hatte.
Er hatte gefragt, ob ich meinen inneren Wolf unterdrückte und ob ich den Grund dafür kannte.
Ich hatte geantwortet, dass ich nicht wusste warum, obwohl dies gar nicht stimme.

„Warum brauchen wir nochmal Blumen?"

„Weil ich das Wochenende frei habe und wir zu wenig Zeit miteinander verbringen."

Und ich wusste nicht, ob es meinen Vater wirklich interessierte.

Ich drehte mich zu meinen Vater um, der mit einer Liste vor einem Blumenladen stand. Er wollte unseren Garten ‚verschönern', ein bisschen mehr ‚Leben' und Farbe einbringen und Vater-Sohn Zeit mit mir verbringen. Ich freute mich sogar ein bisschen. Vielleicht würde ich ihn dann besser verstehen oder er würde mich besser verstehen. Vielleicht würde es auch einfach nur in Stille enden.
Und das musste nicht schlecht sein. Ich mein, so konnten wir uns zumindest nicht streiten oder bemerken wie wenig wir voneinander wussten.

Ein Mitarbeiter musste uns helfen die passenden Blumensamen zu finden und innerhalb einer Stunde waren wir wieder zu Hause und brachten alles nach einander in den Garten. Es dauerte nicht lange, immer hin waren es nur ein paar Packungen Blumenerde und kleine Päckchen mit den Blumensamen. Es war wirklich nichts Besonderes.
Ich konnte mir die Namen nicht merken, aber ich wusste, dass sie die verschiedensten Farben hatten.

Ich zog mir ein paar alte Sachen von mir an, die ganz hinten ihm Schrank verstaut waren und die ich eigentlich nie wieder anziehen wollte und dazu ein paar dunkle Handschuhe an bevor ich wieder nach draußen ging.

Mein Vater hatte schon angefangen die Erde aufzulockern- also kniete ich mich neben ihn und half ihm dabei. Wir pflanzten die Blumensamen ein, gossen sie und machten weiter.
Es herrschte wirklich Stille, so wie ich gedacht hatte. Nur war sie unangenehm. Es war einfach viel zu still.

Es war nicht so als wollte ich nicht mit ihm sprechen oder keine normale Unterhaltung mit ihm führen. Aber es schien so, wie als würde es nicht gehen. Wir hatten quasi nichts über was wir sprechen konnten. Außer dieser Werwolf-Sache hatten wir nichts gemeinsam. Ich wusste nicht einmal wo er arbeitet oder warum er dort so viele Stunden verbringt.

„Wie lief's in der Arbeit... diese Woche?", fragte ich schlussendlich. Es war etwas komisch, aber es war ein Anfang.

„Gut.", antwortete er einfach, ohne näher darauf einzugehen, „Was hast du diese Woche gemacht?"

„Oh.", ich überlegte kurz, „Nicht viel, habe mich wieder mit Alexis vertragen."
„Ich wusste gar nicht, dass ich euch gestritten habt.", murmelte er während er sich Schweiß von der Stirn wischte. Die Sonne schien auf uns herab, es gab kaum Schatten in unserem Garten und es waren Weit und Breit keine Wolken in Sicht.
Uns war also warm. Sehr warm.

„Ja, das war letztes Jahr an Halloween. Ist aber nicht mehr wichtig.", winkte ich mit meiner Hand ab.

Und es war wieder Still.

Damals hatte er sich viele Sorgen deswegen gemacht. Aber es das Thema griff er nie wieder auf. Es geriet in den Hintergrund und ich selbst vergaß sogar, dass ich ein Werwolf war.
Bis Weihnachten, als meine Mutter zurück kam.
Ich hatte es gehasst, zumindest im Nachhinein. Ich bin schon lange kein kleines Kind mehr. Warum versuchten meine Mutter und mein Vater mir einzureden, dass sie noch zusammen und glücklich waren? War ich mit achtzehn Jahren nicht alt genug, um zu verstehen, was zwischen ihnen los war?
Dachten sie, dass ich nichts von meiner Umwelt wahrnehme?

„Pass auf..", murmelte mein Vater leise während er mir die Schaufel aus meiner Hand nahm.
„Sorry."

Ich konzentrierte mich wieder auf die Erde vor mir und dann sah ich, wahrscheinlich das erste mal heute, auf den Namen auf der Packung.

Vergissmeinnicht

Wofür stehen diese Blumen nochmal? Egal.
Ist sowieso nicht wichtig.

„Willst du eine Pause machen?", fragte ich, „Es ist ziemlich warm."
„Gerne, soll ich dir auch einen Kaffee machen?"

[...]

„Was hast du nächste Woche vor?"

„Nicht viel. Training ist aber wieder, also werde ich wahrscheinlich ein letztes Mal hingehen." Und versuche endlich Jax zu schlagen.

„Ist wieder dieser Wettkampf?"

„Ja, dieses Jahr hat es sich etwas gezogen."

„Und danach?"

Ich zuckte mit meinen Schultern.
„Wird sich schon ergeben."

Wir hatten doch eine längere Pause eingelegt als geplant. Die Temperaturen waren gestiegen und ohne eine kalte Brise draußen zu sitzen, war pure folter. Im Haus konnten wir zumindest den Ventilator anschalten, die Fenster zu machen und die Rollläden runterfahren.
Und wir mussten uns kaum bis gar nicht bewegen.

„Du musst anfangen, dein Leben besser zu strukturieren und durchzuplanen."

Ich schüttelte meinen Kopf.
„Ich weiß. Gerade muss ich aber sowieso nicht viel tun, dann kann ich auch einfach warten bis Sachen passieren."

Ich lehnte mich wieder zurück und nahm mein Handy in die Hand. Ich checkte ob ich neue Nachrichten bekommen hatte, doch das Display war leer. Keine neue Nachrichten.
Ich seufzte und legte es wieder hin.

„Manchmal musst du deine Sachen im deine eigene Hand nehmen.", erklärte er.

„Ich weiß."

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