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Viktor hatte mir die letzten Tage nicht viel geschrieben. Er hatte Stress und wollte auch noch morgen seinen Zeichenblock holen.

Irgendwie vermisste ich es mit ihm zu schreiben, aber ich konnte weder etwas gegen das Gefühl tun, noch konnte ich etwas dagegen tun, dass er Medizin studiert und er deswegen viele Stunden lernen muss. Vielleicht bleiben wir ja länger befreundet und können uns wirklich treffen wenn er wieder länger frei hat. Wobei würde er dann nicht lieber mit seinen anderen Freunden abhängen als mit mir?

Ich seufzte und machte mich wieder an die Arbeit um meine Hausaufgaben fertig zu machen. Oder eher sie zumindest fast fertig zu machen.
Unser Deutschlehrer war krank und hatte uns einige Aufgaben für die Woche gegeben und warum hätte ich sie am Montag machen sollen, wenn ich sie am Freitag anfangen kann?
Ich hasse ihn so sehr.

Doch dann lief ein guter Song in meiner Playlist und ich drehte die Lautstärke höher. Ich hatte zwar immer noch keine Motivation um meine Hausaufgaben zu machen aber zumindest lief jetzt ein guter Song. Ich wippte mit meinem Kopf leicht auf und ab und sang den Lyrics in meinen Gedanken mit.

Das Lied war mindestens sieben Jahre alt, wenn nicht sogar noch älter. Aber ich erinnerte mich, dass es ein großer Hit war und es andauernd im Radio lief. Tagein und Tagaus, man hörte es auf jedem Sender und wenn es nicht lief hatte man einen grauenhaften Ohrwurm. Wie sehr ich doch zurück in diese Zeit reisen würde. Ich glaube zu dieser Zeit war Mama sogar noch hier.

Schon komisch, dass ich mir diese Zeit zurück wünsche, obwohl sich damals quasi keiner für mich interessiert hatte. Ich hatte einige Freunde, aber irgendwie passte ich nie in die Gruppe. Irgendwie passte es nie und ich konnte mich nicht integrieren. Ich wollte es wirklich, aber es ging nicht. Also hörte ich auf zu probieren, bis ich aus Zufall Ash traf. Verhielt ich mich überhaupt gerecht gegenüber ihm? Immerhin bin ich so oft ein Arschloch und er bleibt. Alexis ist schon weg und was wenn dasselbe mit Ian passiert? Wir streiten uns letztens öfter und er sieht mich mit diesem hasserfüllten Blick an, wiederum ist alles am nächsten Tag wieder gut.
Was wenn er auch geht?

Mit Alexis hatte ich kaum Kontakt seit er gesagt hat, dass er nicht mehr mit uns abhängen kann. Ich hatte ihm ein paar Mal geschrieben, aber es war komisch. Ich glaubte jedenfalls nicht, dass er noch mit mir Kontakt haben wollte.

Und Ash tat mir Leid. Ich wollte nicht, dass er in dieses Chaos mit reingezogen wird. Er hatte uns zusammengebracht und ich hatte ihn noch gewarnt. Ich hatte ihm gesagt, dass ich die Freundschaften von ihnen zerstören würde. Warum hatte er nur nicht auf mich gehört? Was wäre passiert, wenn er auf mich gehört hätte?
Wo wäre ich jetzt? Hätte ich andere Freunde? Wäre ich vielleicht wie Jax geworden?

Ich lehnte mich in meinen Stuhl zurück, sah an die Zimmerdecke und schloss daraufhin müde meine Augen. Und wieder ging mir nicht mehr durch den Kopf als, dass ich das Alles gar nicht verdiene.
Ich war bis jetzt kein guter Mensch gewesen, ich hatte nie wirklich etwas Gutes getan... Warum also passierte dies? Warum lernte ich Menschen kennen, die mit mir auskamen und die mich mochten? Aber warum verlierte ich andere Menschen wieder?
Unsere Wege werden sich sowieso nach dem Abi spalten- nur mit ganz viel Glück bleibt vielleicht Viktor noch bei mir. Da wäre ich mir aber auch nicht so sicher.

Auf einmal bemerkte ich wie sich meine Zimmertür mit einem leisen Klopfen öffnete. Sofort öffnete ich meine Augen und drehte mich zu meinem Vater um. Ich sah ihn etwas genervt an.

„Du hast Besucht!", sagte er fröhlich, doch mein Gesichtsausdruck änderte sich nicht.
„Ja klar.", murmelte ich leise während ich mich wieder umdrehte und nochmal leise flüsterte, „Und du hast noch eine Frau."
Zum Glück hatte er es nicht gehört, sonst wäre das Gespräch in eine ganz andere Richtung gegangen.

„Jetzt bin ich verletzt.", ertönte dann die belustigte Stimme von Viktor. Mein Kopf schoss nach hinten und ich sah wie Viktor seinen Kopf in mein Zimmer steckte und mich lächelnd ansah. "Hey!"

„Hey..."
Mein Herz fühlte sich plötzlich schwer an und gleichzeitig fühlte ich mich besser als davor. Warum zum Teufel ist Viktor hier? Hatte er nicht viel zu viel Stress?

„Darf ich rein kommen?"
„Klar, setzt dich."
Doch er setzte sich nicht, er kam direkt auf mich zu und sah über meine Schulter auf meine Hausaufgaben und meinen Schreibtisch voller gelber Klebezettel. Auf manchen stand teilweise nicht mehr als ‚Mach deine Hausaufgaben!' und ‚Vergiss nicht Mathe!' und nicht zu vergessen eine Liste von Songs, die ich aufgeschrieben hatte, weil sie gut klangen aber nie wieder gehört hatte.

„So sah es früher auch bei mir aus.", lachte er, „Komme ich ungelegen?"

Ich schlug das Deutschbuch zu und schob es zur Seite. „Ne, ich habe noch eine ganze Woche dafür Zeit, also keine Sorge.", log ich.
Alles nur damit ich dieses Ding nicht fertig machen muss.

„Dann ist ja gut!", Viktor setzte sich auf mein Bett und lehnte dich zurück, „Ich hab beschlossen bis morgen zu bleiben."

„Wirklich?", fragte ich während ich mich innerlich wirklich freute, „Was führt dich dann zu mir?"
„Ich wollte dich sehen."

Ich lachte leise auf. „Schon klar."
„Stop. Das war ein bisschen zu pessimistisch!", er legte seine Hand dramatisch auf die linke Seite seiner Brust, „Erst verletzt du mich und jetzt-"

„Tut mir ja leid!", entschuldigte ich mich, „Wird nicht mehr vorkommen."
Ich hatte meine Hände unschuldig vor mich gehoben und schüttelte leicht meinem Kopf.
Er grinste wieder.

„Hast du Lust ein bisschen raus zu gehen?", stellte mir Viktor dann grinsen seine Frage.
„Klar."

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