„Ey!", ich zog meinen Teller schnell näher zu mir, „Hol dir noch einen Kuchen wenn du noch einen willst!"
Viktor versuchte schon seit einigen Minuten ein Stück meines Käsekuchens zu essen. Es war lustig, er hatte nämlich einen Schokoladenkuchen gegessen und versuchte mir jetzt zu erklären, dass er noch ein kleines Stück essen will, aber er kein ganzen Stück schafft.
„Nur ein kleines Stück!", bat er mich ein weiteres Mal.
„Nein!"Viktor trank einen Schluck seines schwarzen Tees und sah gespielt beleidigt weg. Manchmal überdramatisierte er wirklich, aber das erhielt die Stimmung. Ich war ihm dankbar deswegen- nicht nur weil ich kein Gespräch aufrecht erhalten konnte.
Es war für einige Sekunden still.
Ich lachte leise und gab ihm dann doch ein kleines Stück meines Käsekuchens. Was wäre ich für ein Freund wenn ich ihm keines geben würde?Er grinste mich an.
„Danke!", er sah zufrieden aus, „Wo wir schon bei Käsekuchen sind. Du solltest den meiner Mutter probieren."
„Ist der wirklich so gut?"
Viktor nickte deutlich.
„Wenn ich das nächste Mal wieder herkomme, werde ich sie bitten einen zu machen.", er überlegte für einige Sekunden. „Meine Oma war Konditorin, das Rezept ist von ihr."
Ich nickte.
„Dann freue ich mich den Kuchen zu probieren."„Sag mal.", fing er dann nach einen Sekunden an, „Hast du dich endlich entschieden was du werden willst?"
Ich zuckte mit meinen Schultern.
„Ich dachte ich geh einfach zur Bundeswehr."Es war nicht so als hätte ich das nie gewollt, im Gegenteil. Bevor mein Vater vorgeschlagen hatte, dass er mich in einem Boxkurs anmelden könnte (das war irgendwann in der sechsten Klasse), hatte ich angefangen mich über das Militär und das Training zu informieren. Um es dann aber selbst auszuprobieren, war ich zu faul. Dann kam ich in die Pubertät und die Idee geriet in den Hintergrund, aber im Nachhinein ist sie gar nicht so schlecht. Ein mehr oder weniger kleines Abenteuer hat noch nie jemanden geschadet.
„Hm.", er strich sich nachdenklich über sein Kinn, „Passt irgendwie zu dir."
Wieder zuckte ich mit meinen Schultern.„Warum wolltest du eigentlich Arzt werden?", hinterfragte ich dann.
Er trank einen dramatischen, lauten Schluck seines schwarzen Tees.
„Mein Vater hatte einen Autounfall als ich circa zehn war und er war damals einige Zeit im Koma.", erklärte er kurz, „Es hat mich aufgeregt, dass ich nicht wusste was passiert oder was passieren würde und ja. Er ist zum Glück nur schwerhörig auf einem Ohr."Ich nickte.
Soll ich mein Mitleid zeigen indem ich ihm sagte wie leid es mir tut? Was macht man in so einer Situation?„Es gab einen positiven Aspekt dabei. Er hörte mich öfters nicht wenn ich irgendwelche scheiße redete.", er lachte auf, „Ich will gar nicht wissen was passierte wäre, wenn er es gehört hätte."
„Du warst doch niemals rebellisch als du jünger warst."
Er wischte sich einige Lachtränen aus dem Gesicht.„Oh doch."
„Glaub ich dir nicht."„Mit fünfzehn haben Sebastian und ich uns rausgeschlichen, weil er Geburtstag hatte und wir dachten uns ‚Hey! Wäre es nicht voll cool mitten in der Nacht draußen, im Wald einen Kuchen zu essen?'", er machte eine kurze Pause und holte tief Luft, „Am nächsten Morgen war ich zumindest ziemlich übermüdet. Sebastian hatte ausgeschlafen, ich mein, es war Samstag und sein Geburtstag! Warum sollte er um sieben von seinen Eltern geweckt werden?" Viktor schüttelte seinen Kopf. „Mein Vater hat mich skeptisch angesehen und mich gefragt warum ich müde bin. Ich hab geantwortet, dass ich nicht schlafen konnte weil ich zu viel Kuchen gegessen hatte. Zu meinem Glück hat er sich nach ‚schlafen' umgedreht und hat den Rest nicht gehört."
„Wäre es schlimm gewesen?"
Er kniff seine Augen zusammen. „Ein bisschen."
Ich nickte verständnisvoll.„Er hat uns einmal erwischt. Da war ich siebzehn. Zwei Wochen vor meinem achtzehnten Geburtstag.", er versteckte sein Gesicht in seinen Händen, „Sebastian und ich wollten zusammen bei einem Online-Event mitmachen und das war nunmal um drei Uhr morgens. Und da seine Eltern nicht da waren, war das die perfekte Möglichkeit!"
„Aber?", hinterfragte ich leise.
„Mein Vater hat mich abgefangen bevor ich auch nur einen Schritt aus meinen Zimmer gehen konnte."„Mein Vater hat mich nie geschnappt.", gab ich dann etwas stolz zu.
„Nie?", fragte er ungläubig.
„Nie.", ich lehnte mich in meinen Stuhl zurück, „Er hat einen sehr tiefen Schlaf und er kommt immer müde von seiner Arbeit zurück, das heißt, er kann nicht anders als tief und fest zu schlafen."„Hast du dich deswegen oft rausgeschlichen?"
„Nein. Nur ein oder zwei Mal.", antwortete ich, „Er konnte mich also nie wirklich erwischen."„Du warst doch niemals rebellisch als du jünger warst!", ahmte er mich nach.
Ich deutete auf meine blauen Haare.
„Muss ich mehr sagen?", ich seufzte, „Ich hab mich nur rausgeschlichen um spazieren zu gehen, weil ich nicht schlafen konnte."
„Langweiler."Ich rollte genervt meine Augen.
„Langweiler.", machte ich mich über ihn lustig, „Wer von uns studiert Medizin?"
„Hey! Zumindest wusste ich was ich werden will bevor ich mein Abi hatte!"
„Ich hab mein Abi noch nicht, also theoretisch...",murmelte ich.Viktor schüttelte geschlagen seinen Kopf und lachte wieder ein bisschen.
„Ist auch wieder egal."
DU LIEST GERADE
Running
Teen FictionIn einem einfachen Café, in einer einfachen Stadt, an einem einfachen Tag, trafen sie aufeinander. Er war sehr introvertiert, es war schon ein Wunder gewesen, als er alleine in einem überfüllten Café saß und einem sehr extrovertiert, zudem noch frem...