1 ~ Von Lastern & Heiligkeit

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Aleria genoss es, die Kontrolle zu haben.

Dieses berauschende Gefühl ließ sie die anderen Empfindungen fast vergessen, die wie ein gewaltiges Sommergewitter durch ihre Adern strömten. Im Schein der Kerzen schimmerte die gebräunte Haut des Mannes unter ihr wie polierter Marmor. Dünne rote Striemen zogen sich über seine muskulöse Brust. Bei jedem seiner hektischen Atemzüge bewegten sich die harten Muskeln, so dass Aleria jeden einzelnen genau spüren konnte.

Der Mann murmelte erstickte Worte, während er seine rauen Hände in ihre Hüften grub und immer tiefer in sie eindrang. Sein steifes Glied reizte ihre Nerven und ließ sie vor Wonne stöhnen. Ihr langes Haar klebte bereits an ihrem Rücken, der durchdringende Geruch zweier Liebender erfüllte den Raum. Ein tiefes, kehliges Lachen drang aus Alerias Brust und spornte ihren Liebhaber weiter an.

Seine Augen waren halb geschlossen, er hatte die Unterlippe zwischen die Zähne gezogen und konzentrierte sich voll darauf, sich an ihr zu befriedigen. Aber das störte Aleria keineswegs, denn schließlich ging sie dabei nicht leer aus. Unerbittlich drang er immer wieder tief in sie ein, stimulierte sie, bis sie schließlich die ersten Wellen des Orgasmus heranrollen fühlte.

Muskeln in ihrem Inneren, die sie willentlich nicht erreichen konnte, zogen sich zusammen, ließen ihr Fleisch um seinen Schaft pulsieren. Keine Sekunde später stieß der Mann einen heißeren Schrei aus – und gab Aleria endlich, nach was sie verlangte. Sie hatte es schon während ihres Höhepunkts von ihm bekommen, doch sein Orgasmus besiegelte den dunklen Pakt, den er unwissend mit ihr eingegangen war.

Tatsächlich war Aleria nicht an seinem Körper interessiert, nicht an dem kurzen leidenschaftlichen Akt mit ihm. Nein, sie sehnte sich nach etwas, das nun wie ein kleiner Schmetterling direkt aus seinem Innersten zu ihr herüberflog. Für menschliche Augen unsichtbar war es ein feiner Nebelfetzen, in schillernde Farben getaucht.

Noch einmal stöhnte Aleria auf, ehe sie von dem Schoss ihres erschöpften Liebhabers herunter glitt. Seine Augen flatterten lediglich, als sie ihm einen flüchtigen Kuss auf die Stirn hauchte und er war schon längst eingeschlafen, während sie sich ankleidete. Sicher hatte er sie bereits vergessen, als sie das kleine Haus verließ und die Straße hinunterging.

'Gut so', dachte sie und lächelte vor sich hin. Sie war schon längst keine Frau mehr, die einen Mann für sich allein beanspruchte. Beide hatten heute Nacht gewusst, dass es bei diesem einen kleinen Intermezzo bleiben würde. Das Lächeln wollte gar nicht mehr aus Alerias Gesicht weichen, denn sie fühlte die zärtliche Berührung des Nachtwinds auf ihrem Gesicht. Weich, warm und sanft streichelte er sie wie ein Seidenschal, trug den Duft von Blüten zu ihr herüber. Eine Woche, dann wäre es wieder vorbei.

~

Die Straßen waren wie leergefegt und über der Ewigen Stadt lag eine seltsame Stille. Es war ein gespanntes Warten, die berühmte Ruhe vor dem Sturm. Keine Menschenseele begegnete ihr, während sie durch die Gassen lief. Das leise Klacken ihrer Schuhe hallte von den Häusern wider und war das einzige Geräusch, das die warme Sommerluft erfüllte.

Ein Windhauch begrüßte Aleria, als sie um eine Ecke bog, und trug gedämpftes Murmeln an ihr Ohr. Die Brücke über den Tiber hatte sie schon hinter sich gelassen und befand sich nun auf direktem Weg zu dem Ort, an den es diesen Morgen die ganze Stadt gezogen hatte. Sie war absichtlich spät dran, doch das Wichtigste hatte sie noch nicht verpasst. Noch hatten die Glocken nicht geläutet und die Jubelrufe der Bürger waren nicht erklungen.

Nach der nächsten Biegung eröffnete sich vor Aleria der Platz, der an diesem Tag nicht nur ihr Ziel gewesen war. Eine wogende Masse aus schlanken und fülligen, großen und kleinen Leibern drängte sich auf dem weiten Platz. Es sah aus wie ein Meer aus lebendigen Blumen, so farbenfroh waren die Gewänder der Stadtbewohner. Ihr verhaltenes Murmeln klang in Alerias Ohren wie ein Bienenschwarm.

Aleria  ~ Liliths Kinder (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt