Aleria ~ Liliths Kinder (1)

33 ~ In Flagranti

Obwohl es angenehm warm war im Zimmer, waren Alerias Hände eiskalt. Sie hatte die Arme um den Oberkörper geschlungen und sah über Luans Schulter. An diesem Abend würden sie hoffentlich nicht lang suchen müssen, bis sie ihre Verdächtigen fanden. Der Arbeitstag war fast beendet und Luan rechnete damit, dass die meisten Männer bereits in ihre Privaträume zurückgekehrt waren. Aleria konnte nur hoffen, dass er damit Recht hatte. Sie hatte in der vergangenen Nacht kaum ein Auge zugetan und war schon jetzt müde.

'Du könntest ihm doch von deinem Intermezzo gestern erzählen', stichelte eine bösartige Stimme in ihrem Kopf. Aleria ignorierte sie – ebenso wie die Tatsache, dass sie sich am liebsten an den warmen Körper des Priesters lehnen würde.

„Der erste für heute wäre Padre Puddu. Dieser Mann funktioniert wie ein Uhrwerk und wenn ich es richtig in Erinnerung habe, befindet er sich bereits in seinem Zimmer." Luan sah sie von der Seite an und obwohl er eine nichts sagende Miene zog, konnte Aleria erahnen, dass er wegen dem Ausgang ihrer letzten Begegnung auf Abstand bleiben würde.

'Würde er wie vor einer giftigen Schlange zurückschrecken, wenn ich ihn anfasse?' Bei diesem Gedanken schlich sich ein freudloses Lächeln auf ihr Gesicht.

„Gut, dann mal los." Aleria streifte das Hemd ab und bekam eine Gänsehaut. Obwohl sie eine Seele besaß, fühlte sie sich dennoch innerlich hohl und leer. Ohne sie zu berühren, nahm Luan ihr sein Kleidungsstück aus der Hand, hielt den Blick eisern auf ihr Gesicht geheftet.

'Er schafft es noch, dass ich mich in meinem eigenen Körper schlecht fühle', dachte sie bitter. Um die Situation nicht weiter zu verschlimmern, befreite sie die dämonischen Kräfte in ihrem Inneren und verschwand. Das letzte, was sie sah, waren Luans dunkelblaue Augen.

~

Ein frustrierter Schrei wollte sich so vehement aus Luans Kehle lösen, dass er glaubte, daran ersticken zu müssen. Rastlos setzte er seine Wanderung durch sein Zimmer fort. Ihm war noch nie aufgefallen, wie klein dieser Raum eigentlich war und wie eingesperrt er sich darin vorkam. Er wollte es zwar nicht zugeben, aber er wäre lieber mit Aleria gemeinsam auf Jagd gegangen, statt tatenlos auf ihre Rückkehr zu warten.

„Wenn sie doch nur zurückkommen würde", brummte er und sah zum wiederholten Male auf die Uhr. Seit sie das letzte Mal verschwunden war, waren über eineinhalb Stunden vergangen. Draußen war es mittlerweile dunkel und Luan hatte einige Kerzen entzündet. Aber selbst diese heimelige Atmosphäre konnte ihn nicht beruhigen.

Bösartige Gedanken quälten ihn und machten ihn noch nervöser.

'Man hat sie sicher erwischt.'

'Irgendetwas muss schief gelaufen sein.'

'Sie spioniert uns aus.' Den letzten Satz strich er schleunigst wieder. Aleria De Santoro, oder wie sie sich noch nannte, war eine vielseitige und undurchschaubare Frau, aber Luan würde seine Hand darauf verwetten, dass sie es nicht nötig hatte, die Kirche auszuspionieren. Wenn sie es tatsächlich vorgehabt hatte, dann würde sie es sicher nicht so offensichtlich tun.

'Nein', sagte er sich nochmals. 'Es stimmt etwas nicht, sonst wäre sie längst wieder da.'

Mit all seiner Selbstbeherrschung zwang sich Luan, sich auf einen Stuhl zu setzten. Das letzte Mal hatte er sich derart Sorgen gemacht, als er das Haus seiner Familie betreten hatte, kurz bevor er sie gefunden hatte. Dieses hässliche, nagende Gefühl würde er in seinem ganzen Leben nicht vergessen, war aber der Meinung gewesen, es auch nie wieder zu spüren. Dass er es jetzt empfand, machte ihm sehr zu schaffen.

'Du bindest dich emotional an diese unsterbliche Kreatur', warnte ihn sein Unterbewusstsein.

Seufzend strich er sich über das Gesicht und schloss kurz die Augen. Sein kompletter Körper war angespannt und Luan ließ langsam den Nacken kreisen. Er würde Aleria den Hals umdrehen, wenn sie nicht wirklich in Schwierigkeiten gesteckt hatte. Dass er sie dazu anfassen musste, ließ er vorerst außer Acht. Luan reagierte so sensibel auf ihre Anwesenheit, dass er ihre unmittelbare Nähe bereits wie eine körperliche Berührung wahrnahm.