10 ~ Das Geheimnis der Dämonin

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„Ich finde diese Geschichte immer noch seltsam."

„Ach, das ist doch witzig."

„Ich sage, wir lassen ihn verschwinden."

„Martha!" Drei Augenpaare richteten sich schockiert auf die blonde Lilim. 

Diese hob nur eine Augenbraue und fragte: „Was denn?"

Sara fand ihre Sprache als erste wieder. „Du weißt doch genau, dass wir Menschen nicht töten können."

Bedacht langsam rührte sie in ihrer Tasse und leckte den Löffel ab. „Dazu haben wir ja Elena und ihre Überredungskunst."

„Ich glaub du bist nicht mehr ganz bei Trost", meldete sich die Furie zu Wort.

Martha zuckte nur mit den Schultern. „Wer sagt uns denn, dass dieser Verrückte nicht schnurstracks zur Inquisition gerannt ist? Vielleicht hängen überall in der Stadt schon Fahndungsplakate von Aleria."

„Ganz sicher nicht", sagte diese frostig.

'Ich hätte Elena einfach bitten sollen, es für sich zu behalten', dachte sie und unterdrückte ein Seufzen.

Sie hatte nicht einmal einen Fuß über die Schwelle gesetzt, da waren Martha und Sara schon wie Aasgeier über sie hergefallen. Elena hingegen hatte nur am Treppenabsatz gestanden und sie mitleidig angesehen. Aleria konnte nur hoffen, dass dieses Begrüßungskomitee nicht zur Gewohnheit wurde, denn sonst müsste sie wieder aus Rom abreisen. Auf Dauer könnte sie solche Kreuzverhöre sicher nicht ertragen.

In ihre Gedanken versunken hatte sie nicht mitbekommen, dass ihre Halbschwestern wieder angefangen hatten, lebhaft miteinander zu diskutieren. Da sie den Drang nicht mehr bekämpfen konnte, rieb sich Aleria über den Nacken. Die Brandnarbe, die eigentlich kaum zu sehen war, kribbelte wieder verräterisch. Sie war die ständige Erinnerung daran, wie knapp Aleria dem Tod von der Schippe gesprungen war.

„Jetzt ist aber Schluss", fuhr sie zwischen die Furien. Drei dunkelgrüne Augenpaare sahen sie erwartungsvoll an. „Ich werde ihn morgen finden, in Ordnung? Wenn er mich wieder mit seinen lächerlichen Reliquien bewirft, bringe ich ihn nach Hause und ihr könnt euch mit ihm vergnügen."

Martha verzog angewidert das Gesicht. „Igitt, nein danke. Diese Kleriker sind mir zu knochig und vor allem zu unerfahren." Aleria wollte schon widersprechen, doch sie schaffte es im letzten Moment, die Worte zurückzuhalten. Irgendwie erschien es ihr ratsam, nichts über das Aussehen des Priesters zu verraten.

„Seinen Namen kennst du nicht zufällig?", fragte Sara.

„Nein meine Liebe, er hat sich nicht die Mühe gemacht sich vorzustellen, ehe er mich angegriffen hat." Die andern beiden Schwestern glucksten hinter vorgehaltenen Händen.

Missmutig brummte die brünette Lilim: „Hätte ja sein können, dann hätte Martha ihn für dich finden können."

„Danke für die Hilfestellung Sara, aber das schaffe ich schon allein", antwortete Aleria und lächelte liebenswürdig.

Mit einem immer noch fröhlichen Gesichtsausdruck lehnte sie sich auf dem Sofa zurück.

'Ach, wie hat mir das gefehlt...' Aleria war keine von denen, die die Menschen als niedere Würmer betrachtete, aber dennoch genoss sie die Gesellschaft ihrer eigenen Artgenossen ungemein. Menschen waren wie Blumen, die nach einem Sommer verblühten und starben. Lilim hingegen... sie waren so beständig wie die Welt selbst. Sie veränderten sich, aber sie blieben dennoch dieselben.

'Aber nun hat eine Blume das wahre Gesicht der Welt erkannt', ging es ihr durch den Kopf. Sie würde sich tatsächlich auf die Suche nach diesem Priester machen. Obwohl sie nicht wusste, wo sie anfangen sollte, war sie dennoch zuversichtlich. Schließlich war Rom ihre Stadt, sie hatte sie vom ersten Stein bis heute begleitet, sie wachsen, gedeihen, untergehen und wieder erblühen sehen.

Aleria  ~ Liliths Kinder (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt