32 ~ Spiel mit dem Feuer

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Viereinhalb Stunden und drei Verdächtige später materialisierte sich Aleria wieder in Luans Zimmer. Sobald sie ihren Körper wieder hatte, sank sie keuchend auf die Knie und schloss erschöpft die Augen. Ein Luftzug hinter ihr verriet, das Luan von seinem Platz am Schreibtisch aufgestanden war und zu ihr herübereilte.

„Ist alles in Ordnung?" Sie mochte es sich nur einbilden, aber hörte sie da echte Besorgung in seiner Stimme? Wie ein nasser Hund schüttelte sie den Kopf und schimpfte sich eine Närrin. Sie fühlte den weichen Leinenstoff des Hemds auf ihrem Rücken und grinste matt.

„Essen", brachte sie schließlich heraus. Behutsam griff Luan ihr unter die Arme und half ihr auf. Am liebsten hätte sie sich gegen ihn sinken lassen.

Er setzte sie auf sein Bett und reichte ihr ein kleines Tablett. Aleria hatte nicht einmal mehr die Kraft, sich über die wirklich kargen Speisen zu beschweren. Ihr Körper gierte derart nach Nahrung, dass sie nur zitternd einen Bissen nach dem anderen in ihren Mund schieben und verschlingen konnte. Dass sie sich nicht verschluckte, grenzte an ein Wunder.

„Ich weiß, warum ich das so lange nicht mehr gemacht habe", sagte sie, nachdem sie alles aufgegessen hatte. Erst als sie jetzt aufsah, bemerkte sie Luans gefurchte Stirn. Er schien tatsächlich besorgt um sie zu sein. Ihr Atem stockte und sie legte sich unauffällig eine Hand auf ihr Brustbein.

'Himmel, das wird ja immer schlimmer', klagte sie stumm. Das Ziehen in ihrer Brust hatte sich in einem monotonen Schmerz verwandelt. Es tat nicht wirklich weh, aber Aleria wusste nicht, was dagegen helfen sollte.

Luan reichte ihr einen Becher mit Wasser. „Vielleicht waren es zu viele", sagte er und klang betrübt.

„Passen Sie auf Padre, sonst könnte ich anfangen zu denken, dass Sie sich Sorgen um eine bösartige Dämonin machen."

„Du bist nicht bösartig, das weißt du selbst", entgegnete er ihr hitzig. Überrascht blinzelte Aleria und auch der Priester war über seine Worte sichtlich verwundert.

Die Ruhe dehnte sich zu einem unangenehmen Schweigen aus. Aleria trank den Becher leer und ließ sich anschließend rückwärts auf die Matratze fallen. Missbilligend verzog sie das Gesicht. „Meine Güte, da könnte man ja gleich auf dem Boden schlafen. Sind alle Betten bei euch so hart?"

„Ja", antwortete Luan und trat um das Bett herum, um ihr wieder in die Augen sehen zu können. Draußen setzte bereits die Dämmerung ein und er hob sich wie ein schwarzer Riese von den hellen Fenstern in seinem Rücken ab.

„Kein Wunder, dass ihr Geistlichen alle keinen Spaß versteht. Wenn ich jede nach auf so einer Pritsche schlafen müsste, würde mir auch jeglicher Sinn für Humor verloren gehen." Luan zuckte mit den Schultern und verschränkte die Arme vor der Brust. Aleria kam nicht umhin, auf die Muskeln seiner Unterarme zu starren.

'Er könnte mich sicherlich ohne Probleme hochheben', dachte sie und grinste innerlich.

„Wie sollten wir denn deiner Meinung nach die Nacht verbringen? Zwischen Seidenlaken?"

„Warum nicht?", neckte sie und lächelte ihn an. Statt ihr Kontra zu geben, weiteten sich seine Augen und er wandte den Blick ab.

'Was? Bringt ihn der Gedanke an Seide aus dem Konzept?'

'Pass auf Aleria, dein Interesse an diesem Priester nimmt immer größere Dimensionen an', schalt ihre Vernunft stumm. Aber Aleria schob den Gedanken beiseite und beobachtete Luan weiter.

Doch bei seiner nächsten Frage war sie es, die aus dem Konzept geriet. „Mit was lagen dir deine Halbschwestern nun in den Ohren?"

Ihr Lächeln verblasste und sie setzte sich wieder auf. Im Schneidersitz saß sie mitten auf seinem Bett und – obwohl es ziemlich hart war – fühlte sie sich, als gehöre sie genau hier her. „Bist du sicher, dass du das wissen willst?"

Aleria  ~ Liliths Kinder (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt