18 ~ Kunst und Täuschung

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Annibale Albani war ein Mann mit großem Einfluss, sei es nun in der weltlichen Gesellschaft oder in der Kirche. Luan hatte nicht lang gebraucht, um das herauszufinden. Er hatte schon in seiner Zeit als Kaufmann immer einen Blick dafür gehabt, bei wem man einen Stein im Brett haben musste und wer unwichtig war. Sein Gespür verriet ihm hier ganz deutlich: Kardinal Albani war ein äußerst wichtiger Mann – auch ohne seine verwandtschaftlichen Beziehungen.

Ende vierzig hatte er schon vieles erreicht, hatte in mehr als einem Konklave teilgenommen und hatte Päpste kommen und gehen sehen. Er strahlte eine verlässliche Ruhe aus und Luan konnte verstehen, warum Kardinal Giudicaro mit ihm sprechen wollte. Das Treffen war kurz, aber sehr erfolgreich verlaufen. Alles in allem hatte der Kardinal ihrem Vorhaben zugestimmt. Nun erhoben sich die Herren wieder und strebten zur Tür – der Geistliche erwartete noch anderen Besuch.

„Ich bin froh, dass die Finanzen unserer Kirche wieder in vertrauensvolle Hände gefallen sind", sagte er und schüttelte betrübt den Kopf. „Keiner hatte wirklich wahrhaben wollen, was Niccolò angerichtet hat."

„Er wird seine Strafe erhalten", erwiderte Giudicaro mit ernster Miene. Signor Albani nickte und bedeutete seinem Assistenten, Luan und Kardinal Giudicaro hinaus zu begleiten.

„Wir wünschen Ihnen eine angenehme Heimreise", sagte Luan und gab dem Kardinal die Hand.

„Vielen Dank."

Seine dunkelbraunen Augen lächelten ihn an, bis sein Blick plötzlich an ihm vorbei den Gang hinunter abschweifte. Erst jetzt bemerkte Luan das seltsame Kribbeln in seinem Nacken und konnte sich nur mühsam dazu zwingen, dem Kardinal nicht die Hand zu zerquetschen. Langsam, denn er wusste, was oder besser wer sich hinter ihm befand, drehte er sich um. Augenblicklich fand sein Blick die azurblauen Augen der Dämonin. Die vollen Lippen waren zu einem Lächeln verzogen, das so haarscharf an der Grenze zur Unsittlichkeit vorbeischrammte, dass Luan gleichzeitig heiß und kalt wurde.

„Ah, wie schön", sagte Kardinal Albani und ließ Luan und Kardinal Giudicaro stehen. Ein kleiner, niederträchtiger Teil in Luan wollte dem braunhaarigen Geistlichen jeden Knochen im Leib brechen, denn ihm war nicht entgangen, mit welch anerkennendem Blick Annibale die Frau gemustert hatte. Den Körper in schimmernde Seide gehüllt, stellte der Stoff mehr zur Schau, als er verbarg. Die Haut gefärbt wie Honig lud sie dazu ein, sie zu kosten und Stunde um Stunde mit Händen und Zunge darüber zu streichen.

Der Klang ihrer Stimme schien in jeder Zelle seines Körpers zu vibrieren und sein Blut in Bahnen zu lenken, die eigentlich ungenutzt bleiben sollten.

'Mach dich nicht zum Narren', wies er sich zurecht und wandte den Blick ab. Was er empfand, war keine Eifersucht, das konnte nicht sein. Aber als er neben sich blickte, ließ dieses rasende Gefühl nicht nach, denn Michele sah ebenso fasziniert zu der in schimmerndes Blau gehüllten Sünde wie sein Kollege zuvor.

„Eure Eminenz", sprach Luan ihn an und zog seine Aufmerksamkeit auf sich.

„Oh... Entschuldige mein Sohn." Kardinal Giudicaro schüttelte kurz den Kopf, als wolle er ungehörige Gedanken daraus vertreiben.

'Wenigstens bin ich nicht der einzige, den diese Hexe in ihren Bann zieht.' Dieser Gedanke beruhige Luan so weit, dass er wieder klar wurde – und einen Plan fassen konnte. Während Signor Albani, die unsägliche Frau und ein weiterer Edelmann in das Büro des Kardinals traten, schritten er und sein Mentor den Gang hinunter.

„Ich werde noch einige Besuche tätigen, ehe ich an meine Arbeit zurückkehre."

„Sie haben freie Hand Luan, das wissen Sie. Sie müssen mich nicht über jeden Ihrer Schritte informieren." Kardinal Giudicaro lächelte gütig und nichts erinnerte mehr an seine annähernd lüsternen Blicke.

Aleria  ~ Liliths Kinder (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt