15 ~ Die Beichte

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Unruhig trommelte Aleria mit den Fingern auf der glänzenden Tischplatte. Ihr Blick richtete sich in die Ferne und doch visierte sie keinen bestimmten Punkt an. Der Nachmittag war warm und sonnig, das Haus war still und eigentlich hätte alles in bester Ordnung sein sollen – eigentlich. Aleria hätte die glatte Wand hochgehen können, denn sie konnte sich einfach nicht entspannen. Eine namenlose Unruhe nagte an ihr und trieb sie in den Wahnsinn.

„Ach", seufzte sie und stand auf. Frauen in diesem Jahrhundert hatten wirklich keinerlei Vergnügungen, denen sie nachgehen konnten.

„Außer hübsch aussehen, Kinder auf die Welt bringen und ihrem Mann Untertan sein", äffte sie und schnaubte undamenhaft. Wie wünschte sie sich jetzt in die Zeit zurück, als Frauen noch mehr waren als hübsche Dekoration. Es waren nur wenige gewesen, aber immerhin hatten in einigen alten Kulturen auch Frauen die Macht in Händen gehalten.

Missmutig ließ sie sich auf ihr Bett fallen und starrte an den reich verzierten Betthimmel. Fast wünschte sie sich zurück ins alte Ägypten. Diese Kultur war wirklich beeindruckend gewesen. Ehe Aleria Rom für sich entdeckt hatte, war sie lange im Niltal gewesen.

'Damals hatten sie auch mehr Ahnung von Körperpflege.' Bei diesem Gedanken verzog sie angewidert das Gesicht.

Das einzig wirkliche Problem der Menschen war, das sie alles vergaßen. Sie waren dazu verdammt ihre Fehler immer wieder zu wiederholen und geniale Errungenschaften zu vergessen. Wie schmerzlich vermisste Aleria die Kosmetika der alten Griechen oder die ausgetüftelten Erfindungen der alten Römer. Es war wirklich eine Schande.

Gedankenverloren spielte sie mit einer langen Haarsträhne und dachte darüber nach, was sie mit ihrem restlichen Tag anfangen sollte. Erst gestern hatte sie sich mit einem weiteren Kunstliebhaber getroffen, den Signor Lombardi ihr genannt hatte. Der Mann war ein eitler Schwan gewesen, aber von Kunst hatte er keine Ahnung gehabt. Mindestens die Hälfte seiner Statuen und Skulpturen waren billige Fälschungen gewesen. Selbst mit ihren Kopfschmerzen hatte sie das auf den ersten Blick erkannt.

Ein Grinsen legte sich auf ihr Gesicht. Erst im Morgengrauen hatte sie das Bordell wieder verlassen, wie genau sie anschließend in ihr Bett gefunden hatte, war ihr immer noch schleierhaft. Die Frauen waren wirklich ein verrückter Haufen, aber Aleria mochte sie. Sie sollte diese Abende vielleicht regelmäßig veranstalten, schließlich war sie auf die Einnahmen aus diesem Etablissement nicht zwingend angewiesen.

Leises Glockenläuten schwebte durch das Zimmer und plötzlich wusste Aleria ganz genau, womit sie sich an diesem Samstagnachmittag die Zeit vertreiben würde. Mit neuem Elan stand sie auf und ging an ihren großen Kleiderschrank.

„Etwas Schlichtes", dachte sie laut und schob Kleiderschichten hin und her. Schließlich fand sie das Stück, nach dem sie Ausschau gehalten hatte. Augenblicke später trug sie ein einfaches Kleid aus silbergrauer Seide. Auf den Reifrock verzichtete sie, die schwarze Spitze am Halsausschnitt musste genügen.

„Schließlich gehe ich in die Kirche und nicht auf einen Ball." Vor dem Wandspiegel blieb sie stehen und steckte ihr Haar mit einigen Nadeln locker hoch. Grinsend warf sie sich eine Kusshand zu und ging zur Tür. Sie hatte zwar nicht Marthas Fähigkeiten, doch irgendwie hatte sie eine konkrete Ahnung, wo sie den rüpelhaften Priester finden würde.

~

„Danket dem Herrn, denn er ist gütig."

„Sein Erbarmen währt ewig", antwortete die raue Stimme des Mannes.

„Der Herr hat dir die Sünden vergeben. Geh hin in Frieden." Luan lauschte in die Stille, während der Beichtende betete, und schloss erschöpft die Augen. Erst als er hörte, dass der Mann gegangen war, erlaubte er sich ein leises Seufzen.

Aleria  ~ Liliths Kinder (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt