16 ~ Führe uns nicht in Versuchung

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Aleria hätte vor Freude am liebsten in die Hände geklatscht und laut gelacht. Trotz des Kribbelns in ihrem Nacken, das sie plagte, seit sie durch die Pforte der Kirche getreten war, war sie bester Laune. Sie würde sich noch in Jahrhunderten an dieses Gespräch erinnern und dabei breit grinsen. Wenn sie das den Drillingen erzählte, würden diese sich vor Lachen auf dem Boden kringeln.

Das einzige, was ihre Heiterkeit wirklich trübte, war das brennende Verlangen zwischen ihren Schenkeln. Es hatte sie doch mehr erregt, über ihre Bettgeschichten zu sprechen, als sie gedacht hatte. Selbst von diesen groben Beschreibungen war ihr ganz heiß geworden.

„Tut mir Leid Signora", sagte der Priester. Seine Stimme klang rau und atemlos. Aleria war nicht dumm und sie wusste genau, was sie bei ihm gerade angerichtet hatte.

'Männer sind so berechenbar', dachte sie.

Doch bei seinen nächsten Worten wurde sie ruhig, tödlich ruhig. „Aber für Dämonen hat unser Herr keinen Platz in seinem Schoß. Geh zurück in die Hölle, aus der du gekommen bist."

Einige Augenblicke konnte sie nichts tun, nicht einmal atmen. Erinnerungen stürmten auf sie ein und schwappten als große Welle aus Schmerz und Erniedrigung über sie hinweg. Ohne weiter nachzudenken, öffnete sie das Tor in ihrem Inneren, das ihre dämonischen Kräfte unter Verschluss hielt. Denn sie konnte nicht nur das Alter von Dingen und Lebewesen bestimmen, sondern sich auch als diffuser schwarzer Nebel von einem Ort zum anderen teleportieren.

Leider erstreckte sich diese Fähigkeit nicht auf Dinge, die sie an ihrem Körper trug. Während sich ihr Körper in Nichts auflöste, taten das ihre Kleidung auch – nur dass sie sie an ihrem Zielort nicht mehr am Leib trug. Aleria wusste nicht, wo die Kleidungsstücke nachher waren, in ihrer Reichweite oder an ihr selbst jedoch nicht.

Aber damit konnte Aleria leben. Sie hätte zwar gern das Gesicht des verdammten Priesters gesehen, wenn sie nackt vor ihm gestanden hätte, aber leider war das Licht in so einem Beichtstuhl ausgesprochen miserabel. So musste sie sich damit zufriedengeben, ihm mit ihrer Anwesenheit einen Schreck einzujagen.

Es war schon Jahre her, seit sie es das letzte Mal getan hatte, aber sie hatte es nicht verlernt. Schneller als das Auge es erfassen konnte, war sie aus der einen Beichtkammer verschwunden und tauchte in der andren wieder auf. Es war eng in dem schmalen Raum und sie materialisierte sich fast auf dem Schoß des Geistlichen.

Schreckgeweitete Augen sahen ihr entgegen und sie hörte, wie er nach Luft schnappte. Nur am Rande nahm sie wahr, dass er nicht sein Gewand, sondern gewöhnliche Hosen und ein Hemd trug. Zugern hätte sie ein bisschen mit ihm gespielt, aber sie musste seine Starre ausnutzen, ehe er seine Sprache wieder fand.

Also beugte sie sich nach vorn, bis ihre Nasenspitzen sich fast berührten. Da sie es nicht lassen konnte, legte sie ihm eine Hand auf die Brust. Am liebsten hätte sie wie eine Katze geschnurrt, denn unter ihren Fingern fühlte sie harte Muskeln und heiße Haut. Sie wusste, dass ihre Augen unnatürlich blau glommen, als sie mit tiefer Stimme sprach: „Die Hölle ist leer, alle Teufel sind hier."

~

'War sie wirklich nackt gewesen?'

Eimer um Eimer füllte Luan, doch alles Wasser der Welt würde nicht helfen, um seine Erinnerungen fortzuspülen. Gespenstische Stille herrschte in dem altertümlichen Bad, das allen Priestern seiner Unterkunft zur Verfügung stand. Es war bereits spät, so dass Luan allein war und niemand erklären musste, warum er sich immer wieder aufs Neue mit kaltem Wasser übergoss.

Wohl zum hundertsten Mal sah er auf seine Brust hinunter, nur um sicher zu gehen, dass er dort wirklich nicht den Abdruck einer schlanken Frauenhand vorfand. Seine Haut schien an dieser Stelle immer noch zu glühen, wo sie ihn berührt hatte. Energisch schüttelte er den Kopf, so dass Wassertropfen durch die Luft flogen. Abermals tauchte er den hölzernen Eimer in das Becken und goss sich den Inhalt über den Kopf.

Aleria  ~ Liliths Kinder (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt