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Shania


Entsetzt sehe ich dabei zu, wie Revali mir den Rücken zuwendet. Sein Stoßwind bringt mich aus dem Gleichgewicht, als er flügelschlagend über die Treppe schwebt und für immer aus meinem Leben verschwindet.

Wie konnte ich das nur sagen? Ich will doch gar nicht, dass er geht.

»Revali! Das habe ich nicht so gemeint. Es tut mir leid. Bitte, komm zurück!«, schreie ich und eile die Treppe hoch.

Doch da ist der dunkelblaue Orni schon längst weg, er hört mich nicht mehr.

»Revali...«, wimmere ich. Die Tränen steigen mir in die Augen. »Ich habe mich doch für dich entschieden. Ich liebe dich doch. Bitte, geh nicht!«

Doch er ist gegangen und er wird nicht zurückkommen, nachdem was ich gesagt habe, da kann ich mir sicher sein. Mit gesenktem Kopf steige ich die Stufen wieder hinab in mein Gemach. Schluchzend gehe ich auf die Knie, heule mir den Kummer aus dem Leib.

Warum habe ich ihn angeschrien? Warum habe ich ihm stattdessen nicht gesagt, dass ich mit ihm zurück nach Tabanta gehen und bei ihm sein will? Das, was ich gesagt habe, kann ich nicht mehr zurücknehmen, es ist zu spät. Es stimmt doch überhaupt nicht, dass er nicht lieben kann und niemals geliebt wird. Er liebt mich doch und ich liebe ihn. Warum habe ich ihn so angegriffen? Weil er mich angegriffen hat, aber so ist Revali halt. Er hat so seine Schwierigkeiten mit Gefühlen. Aber ich weiß es doch besser, ich weiß, dass er sich nur schützen wollte. Allerdings war das auch nicht nötig, denn ich habe den Orni nie mit Sidon betrogen. Ich bin diese Nacht nur vor Erschöpfung neben dem Zora eingeschlafen, sonst nichts und Revali hat geglaubt, ich hätte es mit ihm getrieben. Der Orni-Krieger hat mir auch nicht die Chance gegeben, es zu erklären. Warum musste er uns belauschen? Dabei hat er nur die Hälfte mitbekommen und alles falsch verstanden.

Irgendwann liege ich als Häufchen Elend weinend und jammernd auf dem Boden. Mein Gesicht brennt von den salzigen Tränen.

Mein Herz tut so weh. Ich fühle mich so leer. Wie ich mir doch nur wünschte, ich könnte die letzten Augenblicke ungeschehen machen. Aber das kann ich nicht. Nicht mal die Göttin selbst kann es mir ermöglichen. Revali ist weg, für immer fort. Er hat mich verlassen. Mir ist bewusst, dass er mir nie verzeihen wird. Eine tiefe, endlose Leere tut sich in mir auf. Ich falle in ein Loch ohne Boden. Immer wieder flehe ich eine höhere Macht an, dass sie Revali dazu bringen soll, umzukehren und mir zu zuhören, aber das wird nicht geschehen. Der Orni wird mich nie wieder in den Flügeln halten, mich kein einziges Mal mehr küssen und niemals mehr zu mir sagen, dass er mich liebt. Ich habe unsere Beziehung zerstört, das ist alles meine Schuld.

»Loreena?« Schwere Schritte vernehmen meine Ohren, die rasch die Treppe hinunterkommen. »Ist alles in Ordnung?«

Ich antworte nicht, ich weine nur weiter.

»Loreena...«

Es ist Sidon, ich kenne seine Stimme. Doch ich will nicht, dass er mich so sieht, ich will, dass er geht, ich will allein sein, denn nur das verdiene ich.

»Loreena, bitte rede mit mir!«, fordert mich der Zora sanft auf.

Doch es gibt nichts, was ich ihm erwidern will. Ich will nur, dass Revali zu mir zurückkommt. Es sollte doch wieder alles gutwerden, stattdessen habe ich es ganz vermasselt.

Plötzlich spüre ich, dass sich Sidon zu mir herunterbeugt und seine Hand auf meinen Rücken legt.

»Lass mich in Ruhe!«, nuschle ich unverständlich durch mein Geheule.

»Was ist passiert? Bitte, sag mir doch, was geschehen ist!«

Will er es nicht kapieren oder macht er es etwa mit Absicht? Ich will alleine sein. Er soll verdammt nochmal gehen.

Soulhunter 2 - Buch der Erde (Revali x Shania)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt